Mehr als ein Archiv

Fuhrparkunternehmen sind gesetzlich zur Archivierung und Kontrolle der Daten aus dem digitalen Tachografen und von der Fahrerkarte verpflichtet. Spätestens nach 28 Tagen müssen die Daten von der Fahrerkarte und alle 90 Tage auch Massenspeicherdaten des digitalen Fahrtenschreibers abgerufen und archiviert werden. Ob man sie manuell auf einen USB -Stick oder Dongle zieht und dann ins Büro trägt oder sie bequem per Remote-Download - etwa über ein Telematiksystem - den Weg auf den PC finden: Mit der simplen Archivierung der Tacho- und Fahrerkartendaten ist es für den Unternehmer oder Fuhrparkleiter aber nicht getan. Zu den Pflichten gehört schließlich auch, die Tachodaten auszuwerten. Ein arbeitsintensives Unterfangen, wie etwa eine Studie des Telematikanbieters Webfleet Solutions aus dem Jahr 2018 suggeriert: Demnach wenden 32 Prozent aller europäischen Transportunternehmen monatlich 16 bis 30 Minuten pro Fahrzeug für die Auswertung der Tachodaten auf, bei weiteren 28 Prozent sind es 31 bis 60 Minuten. Abhilfe versprechen spezielle Archivierungs- und Analyseprogramme. Wenngleich ihr Einsatz freilich nicht bedeutet, dass die Technik vollautomatisiert alle Unternehmerpflichten übernimmt und man sich nie wieder mit dem Thema befassen muss, wie Olaf Horwarth, Inhaber SBS, betont. "Auswertungstools sind lediglich eine große Hilfe, nicht zuletzt um bei Kontrollen lückenlos darlegen zu können, dass man seiner Kontroll- und Belehrungspflicht nachgekommen ist", so der zertifizierte Trainer, Berater und Buchautor (siehe Interview). Bei der Softwareauswahl lohne sich demnach allerdings das genaue Hinschauen: Nicht alle Anwendungen beherrschten ihre Kerndisziplin, nämlich die Datenanalyse nach wirklich allen relevanten Vorschriften, gleich gut. Zu diesem Schluss kommt auch Jürgen Fortenbacher, zertifizierter Ausbilder für Fahrpersonalrecht und digitale Fahrtenschreiber vom Tacho-Institut aus Bad Waldsee, der einen Vergleichstest von zwölf Softwareanbietern durchführte. Die Tacho-Tools sollten dabei elf Verstöße in Bezug auf Lenk- und Ruhezeiten und Arbeitszeit beziehungsweise Bedienfehler am Tacho aufdecken. Fünf Anwendungen fanden zwar alle elf Verstöße, aber darüber hinaus auch einige, die keine waren. Lediglich drei der Verstöße/Fehlbedienungen wurden von jeder Software aufgespürt. "Nur eine Software hat genau die elf Verstöße/Fehlbedienungen erkannt", lautet Fortenbachers Fazit. Man sollte sich also nicht blind auf die Auswertungssoftware verlassen, lautet denn auch der Rat aus der Trainerzunft. Mehrwerte nutzen Sind die Pflichten erfüllt, darf sich der Unternehmer über die Mehrwerte freuen, die Tachodaten im Speditionsalltag bieten können. Das Schöne ist schließlich: Wenn man die Daten schon einmal in digitaler Form und im Idealfall per Schnittstelle im Echtzeitzugriff vorliegen hat, kann man mit ihnen einiges anfangen. Insbesondere die Restlenkzeiten eignen sich hervorragend für die Optimierung der Dispositionsprozesse und werden daher von Telematik- und TMS-Anbietern gerne bei der Tourenplanung herangezogen. Auch zur Ermittlung der Fahrzeugkosten anhand von Einsatztagen und Laufleistung, für die Personalplanung sowie die Lohn- und Spesenabrechnung sind die Daten aus dem digitalen Fahrtenschreiber Gold wert. Vielfältige Zukunftsperspektiven Kommende Tachogenerationen könnten noch weitreichendere Möglichkeiten eröffnen. Continental hat bereits einige Gedankenspiele zu dem als DTCO 4.1 bezeichneten intelligenten Tachografen der zweiten Generation aufgeworfen: Mithilfe von Satellitenortung und integrierten Karten könne dieser künftig Grenzübertritte erfassen und den Behörden so die Kontrolle von Kabotage und Arbeitnehmerentsendung erleichtern. Für die Gewichtskontrolle erhalte das Gerät in Sekundenschnelle die Daten der Kontrollsensoren, die den Beladungszustand an den einzelnen Achsen ermitteln. Selbst das OBU-Chaos im Fahrerhaus könnte die kommende Tachogeneration beenden, so Continental: So könne der intelligente Tachograf dank seiner DSRC-Schnittstelle ein Schlüssel für die harmonisierte europäische Mautabrechnung sein, indem er die anfallenden Gebühren selbst errechnet und erfasst und sie im EETS-Standard an die Mautbrücken sendet. Mehr zum Thema finden Sie unter #Tachograf www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Tachodaten werden wie gesetzlich vorgeschrieben regelmäßig auf den PC gezogen und damit hat sich's? Leider nein. Was Spezialsoftware zur Analyse des Zahlenwerks mitbringen sollte und wie Sie den Datenschatz aus dem digitalen Fahrtenschreiber für vielfältige Zwecke im Unternehmen nutzen können. "Verlässlich Verstöße identifizieren" Olaf Horwarth, Inhaber SBS, ist zertifizierter Trainer, Berater und Buchautor und Mitglied im Tachographenforum der EU-Kommission Was muss eine Tachosoftware grundsätzlich können? Die gesetzeskonforme Archivierung ist die kleinere Herausforderung, dafür braucht man streng genommen keine Tachosoftware. Die Kernpflichten des Unternehmers sind, die Vorschriften einzuhalten und seiner Kontroll- und Belehrungspflicht nachzukommen. Daher besteht auch die Hauptdisziplin der Tachosoftware darin, Daten nach allen relevanten Vorschriften auszuwerten, von den Lenk- und Ruhezeiten über die Benutzungsvorschriften laut Tachografenverordnung bis hin zum Arbeitszeitgesetz. Und das alles beherrschen leider immer noch nicht alle Anbieter gleich gut. Wie findet man in der Software-Landschaft das richtige Tool? Gesetzlich vorgeschriebene Mindestanforderungen an eine Software bestehen nicht, es gibt auch keine offiziellen Zertifizierungen. Selbst jede Behörde arbeitet mit einer anderen Anwendung. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich auf Empfehlungen zu stützen, sei es von zertifizierten Trainern, die sich intensiv mit dem Auswertungsthema beschäftigen, oder auch anderen Nutzern, die bereits Erfahrungen mit verschiedenen Lösungen gemacht haben.Dabei geht es übrigens nicht nur darum, dass die Software verlässlich Verstöße - und auch nur solche, die welche sind - identifiziert. Ein ganz wichtiger Faktor ist die Benutzerfreundlichkeit. Nicht nur der Nutzer - ob Unternehmer, Fuhrparkleiter, Personalsachbearbeiter oder Disponent - muss Verstoßprotokolle nachvollziehen können. Letztendlich muss der Fahrer bei seiner Belehrung verstehen, was er falsch gemacht hat. Eine grafische Darstellung ist daher sehr hilfreich. Worauf sollte man noch achten? Genau hinschauen sollte man vor allem bei All-in-one-Lösungen, die von der Telematik übers Flottenmanagement auch ein Tachoauswertungsmodul mitbringen. Nicht bei allen Anbietern liegt die Kernkompetenz auch im Auswertungsbereich, die "eierlegende Wollmilchsau" ist mir jedenfalls noch nicht begegnet. Im Zweifel sollte man besser die langjährig etablierte, ausgewiesene Auswertungssoftware wählen und per Schnittstelle an die Unternehmens-IT anbinden. Dann hat man in allen Bereichen den kompetentesten Partner. mh

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