London. Die britische Premierministerin Theresa May will Großbritannien aus dem europäischen Binnenmarkt führen. „Wir streben keine Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt an“, sagte May bei einer Grundsatzrede zum Brexit am Dienstag in London. Sie wolle stattdessen einen umfassenden Freihandelsvertrag mit der Europäischen Union schließen. Auch der Zollunion in ihrer bisherigen Form will Großbritannien nicht mehr angehören. Stattdessen will das Vereinigte Königreich ein eigenes Zollabkommen mit der EU.
Neue Regeln treten frühestens 2019 in Kraft
Ihr Land wolle keine Teil-Mitgliedschaft in der EU oder „irgendwas, das uns halb drinnen, halb draußen lässt“. „Wir streben nicht danach, an Häppchen der Mitgliedschaft festzuhalten, wenn wir gehen.“ May will das Parlament in London über einen abschließenden Brexit-Deal abstimmen lassen. Das finale Abkommen „wird beiden Häusern des Parlaments zur Abstimmung vorgelegt, bevor es in Kraft tritt“, sagte May. Mit einem solchen Abkommen ist frühestens im Frühjahr 2019 zu rechnen, nach einer zweijährigen Verhandlungsphase.
Die Premierministerin stand seit Monaten unter Druck, eine Strategie für die anstehenden Brexit-Verhandlungen vorzulegen. Sie präsentierte nun einen Zwölf-Punkte-Plan, der unter anderem eine harte Linie in Sachen Einwanderung von EU-Bürgern vorsieht. Sie sollen in Zukunft nicht wie bisher ohne weiteres in Großbritannien leben und arbeiten dürfen. „Die Zahl der Einwanderer ist zu hoch“ sagte May.
Großbritannien will sich nicht ganz abkapseln
Auch dem Europäischen Gerichtshof will sich London nicht länger unterwerfen. Beides gilt als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im Binnenmarkt. Führende EU-Politiker haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie Großbritannien nicht entgegenkommen werden.
May bemühte sich gleichzeitig, für enge Beziehungen mit der EU zu werben. Es sei im Interesse Großbritanniens, dass die EU erfolgreich sei. Das Votum der Briten, die Europäische Union zu verlassen, sei keine Ablehnung der gemeinsamen Werte gewesen.
London werde weiterhin ein verlässlicher Partner, Verbündeter und enger Freund sein. „Wir wollen eure Waren kaufen und euch unsere verkaufen und mit euch so frei wie möglich handeln“, sagte May. Gemessen am Umsatz der Importe und Exporte ist das Vereinigte Königreich laut dem Statistischen Bundesamt derzeit weltweit der fünftgrößte Außenhandelspartner Deutschlands.
Hintergrund: Was ist der EU-Binnenmarkt?
Er gilt als das Herzstück der Europäischen Union seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 und der Europäischen Zollunion 1968. Großbritannien trat 1973 bei. Vollendet wurde der Binnenmarkt mit dem Vertrag von Maastricht 1992. Als Eckpfeiler gelten die «vier Freiheiten»: Freiheit des Warenverkehrs, der Arbeitskräfte, der Dienstleistungen und des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Das heißt, die gut 500 Millionen EU-Bürger können in den 28 EU-Staaten kaufen, arbeiten und investieren, wo sie wollen.
Der Binnenmarkt funktioniert so, dass die EU-Länder gegenseitig ihre Regeln anerkennen und alle gemeinsam die EU-Richtlinien und Verordnungen. Die EU-Kommission ist die Überwachungsinstanz. Die 28 EU-Staaten machen dank gemeinsamer Regeln und Zollfreiheit untereinander weit mehr Geschäfte als mit Partnern außerhalb der Gemeinschaft.
Der Handel in der EU ist für Großbritannien weniger wichtig als für die Bundesrepublik. Sein Anteil an den innerhalb der EU versendeten Güter lag laut Eurostat 2015 bei 10,2 Prozent. Es ist auch das einzige Mitgliedsland, das innerhalb der EU weniger Handel treibt als mit Drittstaaten - gemessen jeweils an Aus- und Einfuhren zusammen. (dpa/ag)