Berlin. Die beim Dieselgipfel zugesagten Nachbesserungen zur Schadstoff-Senkung haben scharfe Kritik und weitergehende Forderungen ausgelöst. „Die Automobilbranche muss von ihrem hohen Ross herunter und wieder mehr ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und für ihre Kunden gerecht werden“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag). Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der „Bild“-Zeitung, für die Industrie beginne nun die Bewährungszeit. „Weitere Maßnahmen müssen folgen.“ Mit Blick auf möglicherweise drohende Fahrverbote in mehreren Städten betonte er: „Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung gelten.“
Umbauten am Motor nicht notwendig
Beim Dieselgipfel hatten die deutschen Hersteller neue Abgas-Software für rund 5,3 Millionen Autos zugesagt, um den Ausstoß des Atemgiftes Stickoxid zu verringern. Darunter sind auch 2,5 Millionen Fahrzeuge von Volkswagen, für die nach dem Skandal um manipulierte Abgaswerte schon Nachrüstungen angeordnet wurden.
Zusätzliche Umbauten am Motor, die wesentlich teurer wären, lehnte die Branche allerdings ab. Die Hersteller wollen den Kauf neuer, sauberer Autos mit Prämien ankurbeln, die sie selber zahlen. An diesem Donnerstag sollen die Obleute mehrerer Bundestagsausschüsse von der Bundesregierung über die Gipfel-Ergebnisse informiert werden.
Grüne und Linke sind enttäuscht
Die Grünen reagierten enttäuscht. „Mit ihrer Weigerung, wirksame Nachrüstungen bei den Hersteller durchsetzen, sind Union und SPD verantwortlich für Fahrverbote, die Gerichte vermutlich jetzt durchsetzen werden“, sagte Fraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. Linke-Chef Bernd Riexinger nannte den Gipfel eine Farce. Statt klare Kante zu zeigen, habe man sich mit der freiwilligen Zusage von Softwareupdates abspeisen lassen.
Die SPD forderte mehr Tempo bei der Entwicklung neuer Antriebe. „Damit es endlich mehr Elektrofahrzeuge gibt, brauchen wir eine feste Quote für die Hersteller, wie viele Elektrofahrzeuge sie anteilig an der Gesamtflotte produzieren müssen“, sagte Fraktionsvize Sören Bartol. Für kleine und mittelständische Firmen sollte es steuerliche Sonderabschreibungen für Flotten-Umrüstungen auf E-Fahrzeuge geben.
Auch Verbraucher- und Umweltschützer sind sauer
Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, sagte, Bund und Autobranche hätten den Gipfel „vor die Wand gefahren“. Die Chance sei vertan worden, Kunden mit Entschädigungen, verbindlichen Garantien und klaren Informationen entgegenzukommen. Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse, sagte der „Rheinischen Post“ (Donnerstag): „Wir wollen Fahrverbote vermeiden, aber sie sind nicht völlig vom Tisch.“ Der Schlüssel dafür, dass dies nicht passiere, liege bei den Autoherstellern.
Als „Marionettenshow von Bund, Ländern und Autoindustrie“ kritisierte Jürgen Resch, der Leiter der Deutschen Umwelthilfe, den Diesel-Gipfel. Das Ergebnis hätten die Autokonzerne der Politik bereits Tage zuvor diktiert. „Der Diesel-Gipfel war eine reine Showveranstaltung. Es geht nur darum, zu versuchen, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten“, sagte Resch der „Passauer Neuen Presse“. Es gebe eine „Fortsetzung der bisherigen eheähnlichen Beziehungen von Automobilindustrie und Politik“. Am Ende entscheide bei Fragen der Luftreinhaltung und CO2-Vorgaben die Autoindustrie.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezeichnete die Ergebnisse des Dieselgipfels als unzureichend. „Mit der Entscheidung für reine Software-Updates, die nicht einmal verpflichtend sind, werden Fahrverbote unausweichlich“, erklärte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. „Erneut haben sich die Autohersteller gegen die Interessen von Verbrauchern und Umweltschützern durchgesetzt.“
Die Bundesregierung habe es versäumt, die Verantwortlichen des Abgasskandals angemessen in die Pflicht zu nehmen und starke Maßnahmen gegen die hohe Stickoxid-Belastung zu ergreifen. „Offensichtlich haben die kurzfristigen Gewinne der Automobilindustrie in den Augen der Bundesregierung noch immer ein größeres Gewicht als Umwelt- und Gesundheitsschutz.“ (dpa/ag)