VR: Die Branche leidet besonders unter der Doppelbelastung von Lkw-Maut plus CO2-Maut sowie der Abkehr vom bislang geltenden Prinzip „Straße finanziert Straße“. Besteht Hoffnung, dass sich daran nach der Wahl etwas ändert?
Martina Englhardt-Kopf: Wir haben in unserem Wahlprogramm klar formuliert, dass die Abkehr vom Finanzierungskreislauf „Straße finanziert Straße“ wieder zurückgedreht werden muss. Das war auch eine Forderung von uns, als das Mautgesetz durch die Ampel geändert wurde. Uns war klar, dass man nur dadurch ordentliche Bedingungen erreicht, etwa bei der Errichtung von Stellplätzen, der Verbesserung sanitärer Einrichtungen auf den Raststätten und zuallererst zur Beseitigung des hohe Sanierungsbedarfes bei Brücken und Straßen. Das steht und fällt mit der Finanzierbarkeit. Nimmt man die Mittel raus, wie durch die Auflösung dieses Finanzierungskreislaufes, dann wird es schwierig in die Zukunft zu investieren.
VR: Viele Experten sagen, die von Ihnen beschriebenen Defizite ließen sich nicht einmal beseitigen, wenn die CO2-Maut komplett in die Straße fließen würde.
Englhardt-Kopf: Sicherlich werden wir künftig über Lösungen nachdenken müssen, eventuell privat finanzierte Investorenmodelle, wie es sie im Ausland teilweise schon gibt, um Gelder ins System zu bringen. Zunächst mal ist es ein unerlässlicher Schritt, zurück zum Finanzierungskreislauf Straße zu kommen.
VR: Dann allerdings fehlt der Bahn Geld. Kommt dann die Pkw-Maut?
Englhardt-Kopf: Wir setzen auf die dreigliedrige Finanzierung: Zuerst auf die Einnahmen aus der Lkw-Maut. Ob eine Maut für andere Verkehrsteilnehmer irgendwann kommt, wird man sehen – und falls ja, dann sicher nicht auf allen Straßen. Zweitens setzen wir auf das eben angesprochene gemischte Finanzierungsmodell. Drittes Glied wäre aus meiner persönlichen Sicht eine Haushaltskonsolidierung. Die Bahn wird auf jeden Fall enorm viel Geld benötigen. Wie viel wird sich aber erst in einigen Jahren zeigen, denn bei den Sanierungen der Hochleistungskorridore stehen wir noch ganz am Anfang. Da spielen dann auch Dinge wie das Deutschlandticket hinein. Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hat zum Beispiel kritisiert, dass die Länder sich an den Kosten beteiligen müssen. Diese Mittel fehlen dann aber bei der Infrastruktur. Es gibt Berechnungen, dass das Deutschlandticket zwischen 80 und 90 Euro pro Monat kosten müsste, um kostendeckend zu sein. Das Ticket zu subventionieren und dafür die Infrastruktur zu vernachlässigen, kann nicht der richtige Weg sein.
VR: Aber Sie plädieren für einen Mix der Verkehrsträger?
Englhardt-Kopf: Grundsätzlich ja. Fakt ist aber auch, dass die Schiene aktuell nicht so leistungsfähig ist, um das steigende Transportaufkommen abzudecken – auch wenn es natürlich Projekte im kombinierten Verkehr gibt. Ein Beispiel aus meinem Wahlkreis zeigt, wie es funktionieren kann. Das örtliche Müllkraftwerklässt sich täglich die Rohstoffe zentral über Waggons anliefern. Dabei kommt es in der Praxis bei der Bahn häufig zu unerwarteten Störungen. Die Leistungsfähigkeit der Bahn muss daher auch in der Fläche gesichert sein.
VR: Aber wenn wir die Schiene nicht auch ertüchtigen, bleibt dieses Defizit ewig bestehen.
Englhardt-Kopf: Sie haben natürlich Recht. Wir brauchen alle Verkehrsträger und deren Mix. Dann sind wir als Land stark und leistungsfähig. Ich bin mir aber auch sicher, dass es einen, nennen wir es mal ‚höheren‘ Bedarf gibt. Die Nummer 1 bei der Abwicklung von Güterverkehren und Transporten bleibt die Straße!
VR: Ein Blick in die Mautstatistik zeigt allerdings, dass der Straßentransport immer mehr von gebietsfremden Marktteilnehmer abgewickelt wird. Da ist die Rede von Sozialdumping, Kabotage, Verstöße gegen die Verbringung der Wochenruhezeit im Lkw …
Englhardt-Kopf: Auch da haben Sie Recht. Ich unterstütze die Forderungen nach strengeren Kontrollen und stelle gleichzeitig die Frage, ob digitale Systeme mit einem entsprechenden Datenaustausch nicht dazu führen könnten, dass wir die Kontrolldichte erhöhen. Etwa durch Maut-Daten, scannen der Kennzeichen und eine funktionierende Auswertung. Theoretisch ist in einem Lkw alles installiert, was man für effiziente Kontrollen benötigt. Aber leider kommen dann wieder Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz. Digitalisierung würde auch helfen, zum Beispiel Verfahren im Bereich Großraum- und Schwertransporte zu vereinfachen. Ich war kürzlich bei einer Aufzeichnung der Fernsehsendung von „Kontrovers“, in der analysiert wurde, wie viel Bürokratie dahintersteckt und wie man schnell und effektiv Erleichterungen beim GST erzielen könnte. Das Potenzial ist riesig. Denken Sie nur an echte digitale Prozesse, automatisierte Meldungen, Online-Checks, ob es Baustellen oder Unfälle gibt. Aber leider wurde in den letzten drei Jahren viel geredet aber wenig umgesetzt. …
VR: Und wie kann man es besser machen?
Englhardt-Kopf: Aus meiner Sicht mit einem eigenen Ministerium. Und die Politik darf nicht glauben, dass sie es besser kann. Stattdessen müssen wir uns als Politiker vielleicht ‚helfen lassen‘ von Experten aus der Wirtschaft. Friedrich Merz hat bereits avisiert, dass ein Minister eines Digital-Ministeriums durchaus ein externer Fachmann sein könnte.
VR: Und Sie als Berufspolitikerin hätten kein Problem mit solche einer Fachkraft von außen?
Englhardt-Kopf: Nein! Es gibt viele Politiker, die glauben sie kennen und wissen alles besser. Dazu gehöre ich nicht. Mir ist wichtig, dass Systeme künftig besser laufen und dass wir wieder in eine andere, bessere Richtung kommen.
VR: Inwieweit behindert uns der Föderalismus bei der Problemlösung?
Englhardt-Kopf: Wenn man das Thema GST denkt - 16 Bundesländer, 16 verschiedene Genehmigungsverfahren, dann ist das hinderlich. Aber ein noch größeres Problem als der Föderalismus ist für mich der Umstand, dass die Politik der vergangenen drei Jahre nicht auf gute externe Praktiker gehört hat. Denke wir nur an das Mautgesetz. Da gab es viele Stellungnahmen aus der Praxis, wie man das hätte vernünftig machen können. Das war enttäuschend für mich, dass man die externen Berater und ihre Stellungnahmen nicht berücksichtigt hat. Für mich ein Grundproblem der letzten Jahre. Die Ampel hat nur auf die eigene Position gesetzt und nie auf die Expertise, zum Beispiel der Branchenverbände. Aus meiner Sicht müssen wir künftig die Praktiker wieder stärker einbeziehen. Dafür haben wir doch ein System mit Anhörungen und Stellungnahmen, ehe wir ein Gesetzgebungsverfahren verabschieden.
VR: Wirkt da der Abgasskandal von VW nach, wo die Politik das Gefühl bekam, auf die Industrie zu hören, wäre der falsche Weg?
Englhardt-Kopf: Ich denke, dass das eine mögliche Ursache sein könnte. Allerdings gibt es auch strenge klimapolitische Vorgaben. Auf jeden Fall habe ich die letzten Jahre das Gefühl, dass wir bewusst auf Wachstum verzichten, weil Emissionen und Ressourcenverbrauch damit sinken. Viele Themen werden auch auf eine abstrakt theoretische Ebene gehoben. Und da maßen sich manche Politiker eben an, alles besser zu wissen – ungeachtet von Zielen und Expertenmeinungen.
VR: Haben Sie ein Beispiel dafür?
Englhardt-Kopf: Ja. Etwa die Aussage, dass batterieelektrische Lkw und Wasserstofftrucks den Verbrenner relativ schnell ablösen. Da klafft zwischen Theorie und Praxis eine große Lücke. Solche Aussagen werden untermauert von irgendeinem Think Tank. Solche Debatten, die von Rot/Grün befeuert wurden, gibt es auch in der Mediathek des Deutschen Bundestages zu sehen, samt der Aussage, dass das alles überhaupt kein Problem sei. Und dann ist da noch die Wirklichkeit. Wir sind Stand heute weg von der Praxis und von der Umsetzbarkeit der Finanzierbarkeit alternativer Antriebe.
VR: Sie hätten es anders gemacht?
Englhardt-Kopf: Ja, ich spreche permanent mit den Unternehmen, vor allem Mittelständlern. Jeder hat so seine eigenen Erfahrungswerte. Entscheidend für mich, ist die Umsetzbarkeit der gesetzlichen Vorgaben in der Fläche.
VR: Knackpunkt für eine funktionierende E-Mobilität beim Lkw ist eine vernünftige Ladeinfrastruktur – die wir nicht haben.
Englhardt-Kopf: Wie ich schon vorhin gesagt habe, haben wir die unter anderem nicht, weil Mehreinnahmen aus der CO2-Bepreisung nicht investiert wurden. Allerdings haben wir in dem Punkt neben dem Bau der Ladestationen ein weiteres Problem: den Netzausbau. Den müssen wir erst einmal gewährleistet. Wenn Erdkabel fehlen, wie soll dann ein Unternehmer zu seinem Megawatt-Charger kommen? Auch hier hat die Politik die Einwände der Praxis einfach ignoriert.
VR: Ändert sich das unter einer CDU/CSU geführten Regierung?
Englhardt-Kopf: Es muss sich etwas ändern. Wir können nicht so unrealistisch weitermachen wie zuvor. Wir müssen wieder praxistauglicher werden, indem wir mit der Branche in den Dialog treten, um die Transformation zu schaffen. Allerdings glaube ich, dass es keinen Verkehrsminister der Union - von der CSU ohnehin nicht - geben wird. Es werden Namen gehandelt, aber damit würde ich mich im Augenblick zurückhalten.
VR: Martina Englhardt-Kopf als Staatssekretären – wäre das nichts?
Englhardt-Kopf: Nein, definitiv nicht. Da gehe ich nach dem Motto: ‚Schuster bleib bei deinem Leisten‘.
VR: Wir haben im letzten Interview auch Christian Bernreiter gefragt. Aber der will auch nicht …
Englhardt-Kopf: Das kann ich mir vorstellen. Der bleibt lieber Verkehrsminister in Bayern (lacht) Wir werden sehen, welche Möglichkeiten es geben wird. Ich habe mich die letzten drei Jahre oft gefragt, warum sich die SPD oft nicht durchsetzen konnte. Warum sie sich von der FDP so in Geiselhaft hat nehmen lassen. Sie war offensichtlich gefangen im politischen System der Ampelkoalition.
VR: Also muss die Branche nicht alle Hoffnung fahren lassen, wenn der Verkehrsminister nicht von der CDU/CSU kommt?
Englhardt-Kopf: Sofern er nicht grün ist, Nein (lacht erneut). Auch der SPD ist klar, dass die Logistik systemrelevant ist für unser Land!
VR: Ist allen Parteien klar, dass wir auf einen massiven Fahrermangel zusteuern und wir das Problem allein mit ausländischen Fahrern nicht lösen werden?
Englhardt-Kopf: Mir zumindest ist das klar. Deshalb gibt es schon länger Gespräche im BMDV, wie wir die Berufskraftfahreraus- und -weiterbildung verschlanken und entschlacken können. Auch in dem Fall können aus meiner Sicht, etwa digitale Inhalte beim Führerscheinerwerb dazu beitragen, dass die Kosten runtergehen. Denn die hohen Kosten sind ein wesentlicher Faktor, dass nur wenige junge Menschen den Beruf anstreben. Außerdem müssen wir den Beruf attraktiver machen, indem wir bessere Rahmenbedingungen schaffen, wie etwa mehr Stellplätzen, Raststätten mit sauberen und günstigen sanitären Einrichtungen – wenn das Gesamtpaket stimmt, wird aus meiner Sicht auch das Berufsbild attraktiver.
VR: Nicht wenige Kritiker merken an, dass die Verkehrssicherheit seit Einführung der Berufskraftfahrerqualifikation 2009 nicht wirklich besser geworden ist. Auch die Mängel in BALM- und Polizeikontrollen wurden nicht weniger …
Englhardt-Kopf: Auch das wäre ein Ansatzpunkt, die Weiterbildung zu vereinfachen und nur gezielt die Inhalte zu schulen, welche die Fahrer und Fahrerinnen – von denen wir übrigens viel zu wenige in der Branche haben – auch wirklich brauchen. Letztlich ist das ein Bundesthema. Das BMDV muss hier einheitliche Standards setzen. Das wäre auf jeden Fall mit wenig Aufwand machbar.
VR: Ein guter Gedanke. Nur hat der Bruch der Ampel leider auch dazu geführt, dass die schon länger ausstehende Novellierung der Berufskraftfahrerqualifizierung aktuell auf Eis liegt.
Englhardt-Kopf: Wir waren auf einem guten Weg, die Berufskraftfahrerqualifikation in einem Paket z.B. mit der Ukraine-VO zu reformieren. Dann haben aber leider die Grünen geblockt. Ohne ins Detail gehen zu wollen, wurden hier fachfremde Themen an eine mögliche Zustimmung gekoppelt. Also warten wir jetzt auf eine neue Regierung, obwohl wir uns so eine Verzögerung hier, wie bei vielen anderen Themen, eigentlich nicht leisten können. Auch die demografische Entwicklung bei den Berufskraftfahrer zwingt uns zur Eile.
VR: Sie haben die Hoffnung trotzdem noch nicht aufgegeben?
Englhardt-Kopf: Nein! Wir müssen doch weiterdenken und nach dem 23. Februar anfangen zu reformieren. Aufgeben ist keine Option.
VR: Welche Rolle spielen sie nach dem 23. Februar?
Englhardt-Kopf: Hoffentlich weiterhin eine aktive Rolle. Das wird aber dann der Wähler entscheiden. Ich bin Direktkandidatin in meinem Wahlkreis und hoffe natürlich, dass ich das Votum bekomme – wobei es für die CSU in Bayern in der aktuellen Lage ganz gut aussieht. In welchem Bereich ich aktiv bin und ob ich dem Verkehrsausschuss der CDU/CSU-Fraktion weiterhin angehöre, wird sich zeigen.
VR: Sehr geehrte Frau Englhardt-Kopf, wir bedanken uns für das Gespräch.