Logistiklösungen ab Losgröße eins

Schienenfahrzeuge werden aus mehreren Tausend Komponenten zusammengebaut. Für die Produktion benötigt ein Hersteller Logistikpartner, welche weit mehr als die üblichen Lager- und Transportdienstleistungen anbieten. Der Siemens-Konzern arbeitet unter anderem mit BLG Logistics zusammen. Das Bremer Unternehmen betreibt unweit des Siemens-Werks in Krefeld, das ICE-Züge für die Deutsche Bahn baut, ein 32.000 Quadratmeter großes Langgutlager. Über Wareneingang und Lagerhaltung hinaus organisieren BLG-Logistiker Kommissionierungen, Verpackungen, Shuttleverkehre und Sondertransporte. Außerdem beteiligen sie sich an der industriellen Wertschöpfung: So geben BLG-Mitarbeiter mit CNC-Sägen den Siemens-Teilen den letzten Schliff. Das Beispiel zeigt, dass Kundenorientierung im Maschinen- und Anlagenbau nicht nur ein Schlagwort ist. Weit mehr als andere Branchen müssen die 6100 Unternehmen, die dieser Branche zuzurechnen sind, ihre Produkte und Lösungen auf spezifische Anforderungen der Auftraggeber ausrichten. Von ihren Logistikpartnern erwarten diese ein Höchstmaß an Flexibilität. Zudem wünschen sich Auftraggeber, dass die Dienstleister Konzepte entwickeln, die die Herstellung und den Vertrieb von unterschiedlichen Produktvarianten unterstützen. "Im Extremfall können dies Lösungen für 'Losgröße eins' sein", sagt Ingo Elste, Logistikexperte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Manche Verlader wollen darüber hinaus, dass die Dienstleister die Lieferketten mit Montagetätigkeiten und anderen Wertschöpfungsarbeiten unterstützen. Für die Zustellung fragen sie gerne Value Added Services nach. Mit Angeboten für Qualitätskontrollen aller Art, Sendungsverfolgung in Echtzeit und vor allem Aufbauarbeiten am Kundenstandort konnte schon mancher Logistikdienstleister Ausschreibungen für sich entscheiden. "Jeder Anwender will seine Anlage möglichst schnell in Betrieb nehmen", sagt Regina Schnathmann, Leiterin der Kommunikation der Beumer Group in Beckum (siehe Interview Seite 24). Vor allem Logistikunternehmen mit globaler Präsenz kommen als Geschäftspartner infrage. Sie können kleinere und mittlere Hersteller, welche verspätet in den Weltmarkt aufgebrochen sind und noch kein internationales Netz aus Servicetechnikern aufgebaut haben, mit Zollservices, Montagearbeiten und anderen Dienstleistungen unterstützen. Da zwei von drei Produkten in den Export gehen, sollten ausschließlich Dienstleister mit Erfahrung wenigstens in europäischen Märkten an Ausschreibungen teilnehmen. Maschinenbauer ohne eigenen Fuhrpark Das gilt auch für Unternehmen, die sich lediglich um Liefer- und Distributionsverkehre bewerben wollen. Elste zufolge dürfen diese sich durchaus Chancen ausrechnen. "Der typische Maschinen- und Anlagenbauer hat keinen eigenen Fuhrpark", sagt der VDMA-Experte. "Auch Verpackungsdienstleistungen überlässt er in der Regel Drittunternehmen." Da viele Anlagen nicht in standardisierten Kartons und Boxen verschickt werden können, müssen ihre Hersteller produktspezifische Packmittel entwickeln lassen. Inwieweit sie weitere logistische Dienstleistungen auslagern wollen, hängt auch vom Wettbewerbs- und Kostendruck ab. So manches Outsourcing-Projekt war der Art, dass nur eigens gegründete Kooperationen die Dienstleistungen stemmen konnten. Ein Beispiel ist die von Andreas Schmid Logistik und Senator International gegründete Bavarian Logistics Solutions, die ausschließlich für den Schiffsmotoren- und Turbinenhersteller MAN Diesel arbeitet. Die Maschinen- und Anlagenbaubranche besticht durch eine große Produktvielfalt. Verbrennungsmotoren, Zahnräder, Antriebselemente gehören genauso dazu wie Fahrzeuge aller Art (außer Lkw und Pkw), Maschinen für Metallerzeugung oder Textilherstellung bis hin zu Herstellern von Präzisionswerkzeugen, Sensoren sowie anderen kleineren Artikeln und Bauteilen. Während die letztgenannten Produkte problemlos als Stückgut oder gar Paketsendung verschickt werden können, müssen für viele Großmaschinen Schwerguttransporte organisiert werden. Viele Firmen aus dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau gelten als Vorzeigeunternehmen. Eine Million Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von 236 Milliarden Euro (2015). Die Branche ist nach Automotive der zweitgrößte Industriezweig in Deutschland. Mit starkem Wachstum kann sie derzeit nach zahlreichen guten Jahren nicht punkten. 2016 sind die Auftragseingänge um zwei Prozent zurückgegangen, was der VDMA vor allem auf die schwache Konjunktur in vielen Euro-Ländern zurückführt. 2017 sind die Aussichten kaum besser. Auf sechs Milliarden Euro (2015) schätzt die Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) das Logistikvolumen der Maschinen- und Anlagenbauer. Da die Branche ausschließlich B2B-Lösungen benötigt, sind dies gerade mal 2,4 Prozent des gesamten deutschen Logistikvolumens von 253 Milliarden Euro (2015). Das stagnierende Wachstum macht sich auch bei der Tonnage bemerkbar. Mit über 64 Millionen Tonnen auf allen Verkehrsträgern hat dieses ebenfalls kaum zugenommen. Im Modal Split dominiert der Straßengüterverkehr mit 75 Prozent noch deutlicher als in anderen Branchen. Auf 22 Prozent kommen Seeverkehre. Die verbleibenden drei Prozent teilen sich Schiene und Binnenschifffahrt: Beide Verkehrsträger werden fast ausschließlich für Schwerguttransporte eingesetzt. Vor allem breit diversifizierte Dienstleister wie Schenker, DHL, Fiege oder Imperial haben im Markt Fuß gefasst. Hinzu kommen Spezialdienstleister wie die Deufol-Gruppe, die sich mit komplexen Verpackungslösungen einen Namen gemacht hat, sowie BigMove, Wimmer und andere Anbieter von Schwergutlogistik und Spezialtransporten. Aber auch Mittelständler konnten interessante Aufträge an Land ziehen. Ein Beispiel ist Grieshaber Logistik in Weingarten mit zehn Branchenkunden. Der größte ist der Landmaschinenhersteller Claas. Mit getakteten Shuttleverkehren auf insgesamt vier Fahrzeugen und 16 Trailern schlägt das oberschwäbische Logistikunternehmen seit 2013 auf täglich bis zu 20 Touren Maschinen aus einem 40 Kilometer entfernten Claas-Werk in ein neues Lager mit 30.000 Quadratmetern Freifläche um. "Unser Konzept ersetzt ein halbes Dutzend Außenlager und macht die Distribution zuverlässiger und transparenter", sagt Arnold Zimmermann, Marketingleiter von Grieshaber. Auch im Anlagen- und Maschinenbau führt an dem Trendthema Industrie 4.0 kein Weg vorbei. Viele Logistikunternehmen werden ihre Lager- und Transportlösungen an automatisierte Herstellungsprozesse anpassen müssen. Ein spannendes Betätigungsfeld ist auch die Ersatzteillogistik. Während der letzten Jahre hat dieses Segment kräftig an Bedeutung gewonnen. Manche Branchenunternehmen machen mit Wartungen, Reparaturen und Modernisierungen von Altanlagen mehr Umsatz als mit Neuanlagen. "Jeder Hersteller steht vor der Herausforderung, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu optimieren, die Kosten zu senken und die Netzwerke in den Vertriebsregionen weiterzuentwickeln", sagt Kay Schölermann, Director Global Planning and Logistics Development des Melkmaschinenherstellers Delaval Deutschland. Ohne Logistikdienstleister geht dies nicht. Wenigstens für die Zustellung werden Kurier- und Expressdienste benötigt, welche mit Overnight- oder Innight-Services dringend benötigte Teile möglichst direkt zum Einsatzort bringen. Solche Lösungen könnten laut Schölermann in den nächsten Jahren noch stärker als bislang nachgefragt werden. Mehr zum Thema im Dossier Schwertransporte www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie BranchenporträtsIn der Serie analysieren wir verschiedene Branchen, deren Stärken und Schwächen und die Trends in den Wirtschaftszweigen. Die Serie im Überblick:- VR 50: Chemielogistik- VR 51/52: Handelslogistik- VR 1/2: Möbellogistik- VR 3/4: Automobillogistik- VR 5: Lebensmittellogistik- VR 6: Bau- und Entsorgungslogistik- VR 7: Stahllogistik- VR 8: Pharmalogistik- VR 9: Maschinen- und Anlagenbau Tipps für Dienstleister Anforderungen, die Dienstleister erfüllen müssen Worauf Logistikdienstleister achten sollten, wenn sie Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau Logistiklösungen anbieten:- Prozessbeschreibung: Gerade im Maschinenbau scheitern viele Outsourcing-Projekte an falsch kalkulierten Kosten. Bewerben Sie sich deshalb nur, wenn klare und detaillierte Prozessbeschreibungen vorhanden sind.- Mehrwerte: Prüfen Sie die Entwicklung von spezifischen Dienstleistungen und sondieren Sie den Markt nach Netzwerk- und Joint-Venture-Partnern, zum Beispiel für Verpackung oder Ersatzteillogistik, wenn die Anforderungen besonders komplex sind.- IT: Mit Industrie 4.0 wächst die Nachfrage nach vernetzten Produktions- und Logistikstrukturen: Planen Sie hohe Investitionen für die IT ein. bot