Löwen-Verjüngung

Sind die nun komplett neu oder "nur" aufwendig modellgepflegt? Diese Frage muss sich MAN nach dem Lüften des letzten Schleiers von seinen neuen Lkw-Modellen gefallen lassen. Die optischen Design-Retuschen können nämlich nicht kaschieren, dass hier die Kabinen-Rohbauten der Vorgängermodelle weiter Dienst tun. Unzählige Neuheiten gibt es natürlich trotzdem zu entdecken! Erstens: Die riesige Frontscheibe bei der bisherigen XXL-Kabine fällt beim nun GX genannten Großraum-Fahrerhaus endlich schmaler aus. Und alle MAN tragen (noch) konventionelle Außenspiegel. Kamerasysteme ähnlich der des aktuellen Mercedes-Benz Actros seien zwar in der Entwicklung, man erachte die Lösung des Wettbewerbers aber als nicht ausgereift. Das kommende, eigene System soll dann aber neue Benchmarks setzen, so das vollmundige Versprechen der Münchener. Eine gute Idee sticht nach dem Öffnen der Fahrertür ins Auge, hier implementiert MAN ab sofort vier Zusatzschalter, die sich aus vier unterschiedlichen Sets wählen lassen. Immer dabei ist ein Schalter für die Warnblinkanlage, ebenfalls praktisch ist beispielsweise ein Taster fürs Einschalten des Nebenabtriebes oder - im Verteilerverkehr - der Hebebühne. Innenraum nicht wiederzuerkennen Wie viel neues im TGX steckt, wird spätestens klar, wenn man hinter dem Steuer Platz nimmt. Hier blieb kaum etwas an seinem angestammten Platz. Vor allem in das Thema Bedienung steckten die Ingenieure viel Hirnschmalz und entschieden sich bewusst für einen anderen Weg als der Wettbewerber aus Wörth am Rhein. Berührungsempfindliche Touchscreens gibt es im MAN nämlich nach wie vor nicht. Bedient wird ein Großteil der Funktionen über einen Dreh-drück-Steller, der sich rechts neben dem Fahrer befindet. Das System gefällt, denn schon nach kurzer Zeit verinnerlicht man seine Bedienphilosophie und findet sich intuitiv zurecht. Gleiches gilt für die Taster in der Mittelkonsole und auf dem Lenkrad, auch ihre Bedienung ist kein Hexenwerk. Das Lenkrad selbst verfügt nun zudem über einen riesigen Verstellweg, der sich problemlos mit dem der Konzernschwester Scania messen kann. Antriebsstrang stammt vom Vorgänger Den Vortrieb der neuen MAN übernimmt bekannte Technik. Alle Euro 6d-Aggregate der Vorgänger-Generation werden mit ihren bisherigen Leistungseinstellungen übernommen. Dem beliebten 12,4 Liter großen D26-Reihensechszylinder spendierte man zusätzlich eine Sonderbehandlung, durch die er 70 Kilo abspeckte und vor allem deutlich effizienter mit dem Kraftstoff umgehen soll. Damit ist der Motor ein wichtiger Baustein für die von MAN versprochene Verbrauchsreduzierung von bis zu acht Prozent. Ebenso die verbesserte Aerodynamik und die neue, zusätzlich reibungsoptimierte 2,31er-Hinterachse, mit der bei Reisetempo 85 nur noch knapp 1060/min anliegen. Trotz dieses niedrigen Drehzahlniveaus gibt sich der D26 allerdings vergleichsweise laut - zumindest in der mittelgroßen GM-Kabine. Hier hätte MAN gern mehr investieren dürfen. Wo wir gerade beim Kritisieren sind: Auch die neue elektronisch gesteuerte Lenkung stellt uns (noch) nicht zufrieden. Sie ermöglicht zwar die Implementierung eines aktiv eingreifenden Spurwächters (Option), doch selbst wenn Letzterer abgeschaltet ist, erweist sich die Steuerung als wenig zielgenau und eher schwammig. Während der ersten Testfahrten noch nicht ausprobieren konnten wir die neue, ebenfalls optionale Funktion des GPS-Tempomaten "Efficient-Cruise". Ähnlich wie beim Mercedes-Benz Actros kann das System nun Kurven, Kreisverkehre, Ausfahrten und Geschwindigkeitsbegrenzungen in seinen Berechnungen berücksichtigen. Beim Thema Assistenz bieten die neuen MAN aber noch mehr. Der neue radargestützte Abbiegeassistent, die Spurwechselhilfe, die ab Tempo 50 die seitlichen Bereiche links und rechts neben der Fahrspur des TGX/TGS überwacht, sowie Aufmerksamkeits- und Fernlichtassistent seien hier nur stellvertretend genannt. Verbesserungen auch bei Service und Haltbarkeit: Bis zu 140.000 Kilometer sollen nun in einem Motoröl-Intervall drin sein, zudem wurde die Elektronikarchitektur verschlankt. Weniger Steckverbindungen und insgesamt kürzere Kabelstränge senken Fehleranfälligkeit und Reparaturkosten. Damit es gar nicht erst so weit kommt, sprich mögliche Defekte bereits erkannt sind, bevor sie zum Problem werden, bietet nun auch MAN die Möglichkeit einer ständigen Fahrzeuganalyse. Mit den durch die RIO-Box im Fahrzeug übermittelten wartungsrelevanten Daten hat das Werk ständig ein Auge auf das Fahrzeug und unterstützt im Falle eines Falles bei der Koordination des Werkstattaufenthalts. Bis das aber beim gesamten MAN-Programm möglich ist, wird es wohl noch bis zur IAA im September dauern. Früher zu haben sind in jedem Fall die TGX mit den großen Kabinenvarianten GM und GX. Bleibt noch die eingangs gestellte Frage zu beantworten. Unser Fazit: Völlig neu sind die jüngsten MAN-Modelle zwar nicht; im Innenraum, explizit bei Bedienung und Ergonomie, brüllt der Löwe aber in bislang ungekannter Art und Weise. Mehr zum Thema finden Sie unter #Lkw ab 7,5 t www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Optisch mögen die neuen MAN keine Revolution darstellen. Im Innenraum bauten die Münchener Ingenieure aber komplett um und steckten vor allem in das Bedienkonzept viel Energie. Verbesserungen gibt es zudem bei Verbrauch und Service. 300 Kilo sollen die neuen TGX/TGS-Modelle leichter sein - im Vergleich zum Vorgängermodell

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