Bonn. Von der interessierten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, müssen litauische Spediteure ihre Fahrzeuge schon seit Jahren nicht mehr extra heimholen, wenn die nächste Hauptuntersuchung ansteht. Die zuständige Behörde in Vilnius hatte schon im Jahr 2015 verschiedene Technische Überwachungsvereine autorisiert, die entsprechende Untersuchung in Deutschland vorzunehmen. Sowohl der TÜV Süd als größter Dienstleister seiner Art als auch der TÜV Nord bestätigen der „Verkehrsrundschau“ entsprechende Informationen des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Beide Vereine sind demnach autorisiert, weitere kommen möglicherweise hinzu.
„Es wird am Fahrzeug keine HU-Plakette angebracht“, erklärt Rainer Camen vom TÜV Nord. Es handele sich bei den Prüfungen um Periodisch Technische Inspektionen (PTI), die aber weitestgehend einer deutschen Hauptuntersuchung entsprechen würden. Anstelle der Plakette werde ein spezieller Untersuchungs-PTI-Bericht erstellt. Bei den Prüfern des TÜV Nord fahren Camen zufolge „wenige hundert Fahrzeuge pro Jahr“ aus Litauen vor. Der TÜV Süd kann keine aktuellen Zahlen anbieten. „Aber das sind eher untergeordnete Fallzahlen“, sagt TÜV-Süd-Sprecher Vincenzo Lucà.
„Wegen der Kabotagevorschriften müssen die Lkw nach drei Fahrten ohnehin nach Litauen zurück, weshalb die Nachfrage nach einer Untersuchung im Umfang einer Hauptuntersuchung – und zum Nachweis für Litauen - in Deutschland überschaubar ist", sagt Lucà. Ob sich Unternehmen aber an Kabotagevorschriften halten, geht die deutschen TÜVe nichts an. Der BGL indes zweifelt an der strikten Einhaltung der Regeln. Der Verband bewertet die HU im Exil deshalb kritisch: Sie erleichtere es deutlich günstiger arbeitenden Unternehmen aus Litauen, deutschen Speditionen auf ihrem Heimatmarktkonkurrenz zu machen.
Kritik kommt vom BGL
BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt spricht in dem Zusammenhang von einer „weiteren Stufe im europäischen Preisdumping-Wettbewerb“. Die Kosten trügen auch die bei den osteuropäischen Transportunternehmen angestellten Fahrer, sagt Engelhardt. „Diese sind Wochen oder Monate von Zuhause weg und leben oftmals unwürdig auf Rastplätzen. Das geht zulasten des Wettbewerbs, der Sicherheit und der Arbeitnehmer.“
Der Vorgang deutet darauf, dass litauische Spediteure bei ihrer Expansion auf Unterstützung „von ganz oben“ setzen können. Die angefragten TÜVe haben zumindest von keinem anderen EU-Oststaat eine vergleichbare Autorisierung erhalten. So nimmt das geografisch sehr kleine Litauen einen Spitzenrang unter den mittel- und osteuropäischen Spediteuren ein, die laut BGL ohnehin schon einen Marktanteil von 33 Prozent in Deutschland erobert haben. Das litauische Unternehmen Girteka gehöre inzwischen zu den fünf größten Speditionen in Europa.
Neue Vorgaben aus Vilnius könnten die Autorisierung der deutschen TÜVe aber gegenstandslos machen. „Die litauischen Behörden wollen künftig eine digitale Anbindung anstelle eines Berichts in Form von Email oder Fax“, berichtet Vincenzo Lucà vom TÜV Süd. „Das wird uns wegen der nötigen Schnittstellen wahrscheinlich zu viel Aufwand, sodass wir das wohl mittelfristig einstellen werden." (sh)