Girteka greift an

Nein, Girteka Logistics hat keine Pläne, in die jeweils einheimischen Transportmärkte einzelner europäischer Länder einzusteigen." Das betonte noch vor zwei Jahren Edvardas Liachovicius, CEO des litauischen Transportunternehmens, gegenüber der VerkehrsRundschau (siehe VR 38/2016). Ambitionierte Wachstumspläne Jetzt kommt der litauische Transportgigant doch nach Deutschland und will im deutschen Komplettladungsmarkt mitmischen. "Wir haben dafür soeben die ersten Lkw in Deutschland zugelassen", bestätigt Kristian Kaas Mortensen, Girteka-Direktor Strategische Partnerschaften (siehe Kasten Seite 26). Noch gibt er sich einsilbig, was seine Strategie und Ziele betrifft. Zur Zahl der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge und zum möglichen Standort sagt er nichts. Gut möglich aber, dass sich Girteka Branchengerüchten zufolge in der Niederlassung der dänischen Spedition Thermo Transit in Harrislee bei Flensburg niederlässt, die das Unternehmen Anfang 2018 komplett übernommen hat. Dass Girteka im deutschen Markt Erfolg haben wird, steht für Mortensen außer Frage. "Der deutsche FTL-Markt braucht große Transportunternehmen wie Girteka, die über ein hohes technologisches Knowhow und die Ressourcen verfügen, um die erforderlichen Kapazitäten mit einem hohen Serviceniveau zu produzieren", betont der Strategiechef. Der innerdeutsche FTL-Markt werde daher ein integraler Bestandteil des Firmenportfolios werden. Und Girtekas Pläne sind offenbar sehr ambitioniert: 500 Lkw soll das Unternehmen aktuell in Deutschland zugelassen haben, behauptet ein Branchenkenner, der namentlich nicht genannt werden will. Und dies sei nur der Anfang, sagt er. Angeblich wolle Girteka diese Zahl bis 2021 jedes Jahr um weitere 500 auf insgesamt 2000 Lkw aufstocken, sagt er. Und das in einem innerdeutschen FTL-Markt, der sehr kleinteilig strukturiert ist. So verfügt nur ein Prozent der deutschen Transportbetriebe über mehr als 50 eigene Lkw, und die Erlösmargen sind in diesem Segment trotz Laderaummangel niedrig. Dagegen kommt Girteka mit seinen 5000 Zugmaschinen und 5500 Aufliegern also recht mächtig daher und plant bis 2021 sogar mit 10.000 eigenen Zugmaschinen. Groß geworden ist das Unternehmen interessanterweise im gleichen Geschäftsfeld wie einst der ungarische Großflottenbetreiber Waberer's auch - im Segment internationaler FTL-Transporte auf langen Strecken. Ziel sind 10.000 Lkw-Fahrer bis 2021 Im Gegensatz zu Waberer's punktet Girteka in Deutschland offenbar mit einem besseren Image. Girteka sei smart, hoch organisiert und arbeite effizient, heißt es im Markt - alles Tugenden, die auch Waberer's für sich beansprucht. Doch während den Ungarn nach wie vor oft Niedrigpreise dank Fahrer-Billiglöhnen nachgesagt werden, scheint Girteka einen besseren Ruf zu haben. Ob zu Recht, weiß man nicht. Auf Anfrage betont aber Girteka-Strategiechef Mortensen, dass "in Deutschland tätige Fahrer des Unternehmens mit oder über den gesetzlichen Mindestanforderungen bezahlt werden". Aus welchen Ländern die Fahrer kommen, sagt er nicht. Auch nicht, wie es Girteka geschafft hat, seit Januar 2018 2000 neue Fahrer einzustellen. Aber welche Chancen hat Girteka im deutschen Markt? Was kann es, was deutsche Transporteure vielleicht nicht können? Da ist natürlich die schiere Größe. Allein deshalb habe Girteka bei Großverladern Vorteile gegenüber einer KMU-Spedition, meint Transport- und Logistikexperte Professor Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn (siehe Seite 25). So werde es für Verlader aufgrund des Laderaum- und Fahrermangels immer wichtiger, sicher auf viele Kapazitäten zugreifen zu können. Dies habe bei etlichen eine höhere Priorität als der reine Preis, stellt er fest. "Das Preisgefüge im deutschen Transportmarkt wird Girteka daher wohl nicht ändern. Es wird aber die Art zu arbeiten im deutschen Transportmarkt beeinflussen", schätzt Lohre. Denn Player wie Girteka und Waberer's würden ihre Ladungsverkehre standardisierter und industrialisierter organisieren und durchführen. "Diese industrielle Produktion im FTL-Geschäft wird sich hierzulande weiter durchsetzen, auch wegen eines neuen Fahrertyps, der regelmäßige Arbeitszeiten will und den Lkw nur mehr als Maschine sieht", meint er. Doch dies sei vielen Transportbetrieben noch fremd. "Mittelständler, die im FTL-Geschäft aber alleine arbeiten, werden künftig noch größere Schwierigkeiten haben." Auf Stärken setzen und Nischen suchen Umso dringlicher rät Logistikexperte Lohre kleineren Transportbetrieben, sich im FTL-Geschäft verstärkt auf Nischen oder Regionen zu spezialisieren. Zumal gerade Mittelständler eine gute Anbindung zu regionalen Verladern haben. Und was sagen deutsche Unternehmer zu dem Markteintritt? "Wir beobachten Girteka natürlich mit offenen Augen und nehmen ihn als Konkurrent wahr. Aber der deutsche FTL-Markt ist groß genug", zeigt sich Simeon Breuer, Geschäftsführer der L.I.T. Spedition, zuversichtlich. Als die Großspedition Ricö vor etlichen Jahren pleitegegangen sei, nennt er ein Beispiel, habe sich der Markt aber auch nur kurz geschüttelt, und weiter sei es gegangen. So ticke der Markt. Wobei L.I.T. über rund eigene 1000 Lkw, 2000 Wechselbrücken sowie 700 Trailer verfügt und damit zu den großen Playern im deutschen Komplettladungsmarkt zählt. "Wenn so ein Großer wie Girteka den Markt betritt, kann das immer etwas verschieben", meint dagegen Alexander Schuon, Geschäftsführer der Schuon Spedition. Wenn das Unternehmen aber sauber arbeite, sprich die deutschen Gesetze einhalte, habe es ähnlich hohe Kosten wie jeder andere deutsche Transporteur." Ein wichtiger Punkt sei zudem, sagt Schuon, dass deutsche Verlader im deutschen FTL-Geschäft ein hohes Qualitätsbewusstsein und damit hohe Anforderungen an ihre Dienstleister haben. Stichworte seien etwa Zeitfensterbuchung, Digitalisierung und Palettentausch. Ob Girteka dies leisten könne, müsse das Unternehmen erst zeigen. Fest steht aber auch: Das litauische Unternehmen ist in den vergangenen Jahren beim Umsatz immer zweistellig gewachsen, und 2017 gar um 29,7 Prozent. Mehr zum Thema im Dossier Lkw-Landverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Girteka Logistics Girteka Logistics ist nach eigenen Angaben Europas führendes Asset-basiertes Transportunternehmen, das jährlich mehr als 420.000 Komplettladungen befördert. Das Unternehmen wurde 1996 im litauischen Vilnius gegründet und hat sich auf internationale FTL-Transporte spezialisiert. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen nach eigenen Angaben 561 Millionen Euro Umsatz und damit 29,7 Prozent mehr als 2016. Das Unternehmen beschäftigt 11.000 Mitarbeiter - davon rund 10.000 Lkw-Fahrer - und setzt 5000 Zugmaschinen und 5500 Anhänger in Europa, Skandinavien und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ein. eh

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