Lagebericht mit vielen Fragezeichen

Es klingt wie eine Erfolgsgeschichte: "Der Schienengüterverkehr wurde 2007 für den Wettbewerb geöffnet. Seither sind in fast allen Mitgliedstaaten (...) neue Anbieter hinzugekommen, deren Gesamtanteil am Güterverkehrsaufkommen 2012 auf 28 Prozent geschätzt wurde." Das schreibt die EU-Kommission in ihrem vierten "Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts", den sie alle zwei Jahre vorzulegen hat. Den Erfolg ihrer Wettbewerbspolitik kann sie mit konkreten Beispielen belegen: "Die Deutsche Bahn ist inzwischen der wichtigste Bahnbetreiber in Dänemark und den Niederlanden. Im Vereinigten Königreich und Rumänien entfallen auf das jeweils größte Bahnunternehmen weniger als 50 Prozent des Marktes." Geringes Wachstum auf der Schiene Aber die Kommission stellt auch fest: "Der Schienengüterverkehr blieb hinter der allgemeinen Entwicklung des Güterverkehrs in der EU zurück." Bezogen auf Tonnenkilometer beträgt das Wachstum seit 1995 nur fünf Prozent. Der Durchschnitt aller Verkehrsträger liegt bei 22 Prozent. Auch der Anteil am Verkehrsträgermix stagniert seit Jahren. Sowohl 2007 als auch 2012 lag er lediglich bei 10,9 Prozent. Die Zahlen machen deutlich: Mehr Wettbewerb hat nicht automatisch zu dem erhofften Zuwachs des Gütertransports auf der Schiene geführt. Dieses nüchterne Fazit aus den vorliegenden Zahlen zieht nicht die Kommission selbst, sondern die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER). Gestützt auf die neuen EU-Daten rechnet sie vor: In 15 EU-Mitgliedstaaten ist der Anteil der Bahn am Gütertransport seit 2007 zurückgegangen. Beim Verkehrsträgermix sei der Anteil der Bahn selbst in den zwölf Ländern mit der größten Konkurrenzsituation nur in fünf gestiegen. Zuwächse im Mix habe es aber auch gegeben in Ländern wie Portugal, Spanien und Österreich, deren Märkte weiter als fast geschlossen gelten, und sogar in Irland, wo der Markt weiter komplett abgeschottet ist. "Die CER bedauert, dass ein Teil der Datensammlung mit einem bereits vorherbestimmten Ziel durchgeführt worden ist", klagt deshalb CER-Generaldirektor Libor Lochman gegenüber der VerkehrsRundschau. Nämlich unter der politischen Zielsetzung, noch mehr Wettbewerb auf der Schiene zu fordern. Tatsächlich verweist die Kommission in ihren Schlussfolgerungen auf ihr viertes Eisenbahnpaket, in dem sie durch die strikte Trennung von Betrieb und Infrastruktur noch mehr Wettbewerb schaffen will - vor allem im Personenverkehr. Sie sieht sich durch den Bericht in diesem Vorhaben bestätigt. Lochman dagegen liest die Zahlen ganz anders. " Die neuen Daten demonstrieren ziemlich deutlich, dass strukturelle Veränderungen allein nicht genügen, den Bahngüterverkehr zu revitalisieren." Andere Rahmenbedingungen müssten parallel angepackt werden, damit sich wirklich etwas verändere: die Finanzierung von Infrastruktur und die Schaffung eines fairen Wettbewerbs unter den verschiedenen Verkehrsträgern. Kommission liefert keine Antworten Wie umgehen mit dem Befund, dass die Gebühren zur Nutzung der Infrastruktur im Güterverkehr höher als im Personenverkehr sind? Davon stehe kein Wort in den Schlussfolgerungen der Kommission. Auch habe die Kommission keine Antwort darauf, wie die wenig aufmunternde Bilanz des Gütertransports auf der Schiene verbessert werden könnte und was man gegen die Stagnation im Verkehrsträgermix tun könnte. Die Branche werde mit solchen Fragen allein gelassen.

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