Kunsttransporte

KunsttransporteVorsicht, Kulturgut!Ein deutscher Spediteur wird inhaftiert, ein anderer verurteilt: Ohne Know-how kann man sich an Kunsttransporten leicht die Finger verbrennen.Der Auftrag begann ganz harmlos und endete im Gefängnis: Spediteur Nils Jennrich sollte Kunstgegenstände nach China importieren und dort lagern – ein normaler Job für den jungen Deutschen, der in China arbeitet. Doch im März standen plötzlich Zollfahnder vor der Tür. Sie warfen Jennrich Schmuggel und Steuerhinterziehung vor, brachten ihn in ein Pekinger Gefängnis. Dort saß der Kunstspediteur mehrere Monate ein, bis er im Juli vorläufig freigelassen wurde. Ebenfalls Ärger mit der Justiz bekam ein deutscher Kollege in Italien: Er hatte im Auftrag eines Kunden Möbel im nachempfundenen Bauhaus-Stil nach Deutschland eingeführt. Was er nicht wusste: Das Bauhaus-Design ist zwar in Italien nicht urheberrechtlich geschützt – in Deutschland allerdings schon. Der Spediteur wurde erwischt und verurteilt, zuletzt sogar vom Europäischen Gerichtshof.Eine anspruchsvolle AufgabeZwei Fälle, die zeigen: Wer Kunsttransporte durchführt, braucht viel Know-how. Branchenkenner betonen allerdings, dass sie nicht typisch sind. Dass etwas Ähnliches passiert, ohne bekannt zu werden, sei unwahrscheinlich. Denn die Kunsttransport-Branche ist übersichtlich. Man kennt sich: Rund zehn Anbieter teilen sich einen Großteil des Volumens auf, dazu kommen rund 30 Kleinfirmen und Gelegenheitsanbieter. Ein großer Unterschied zum typischen Speditionsgeschäft: Kunsttransporteure packen ihre Ladungen selbst ein. „Wir arbeiten von Nagel zu Nagel“, erklärt Klaus Hillmann von Tandem aus Frechen bei Köln. Seine Angestellten packen Gemälde an Ort und Stelle in Kartonagen oder Luftpolsterfolie ein und verzurren sie im Koffer eines 3,5-Tonners. Eine verantwortungsvolle Aufgabe: „Man muss einfach Respekt vor der Kunst haben“, sagt Hillmann. Missgriffe kosten meistens den Besitzer der Kunstgegenstände: Die Haftung des Transportunternehmens ist auf 1000 Euro beschränkt. Nur bei grober Fahrlässigkeit muss es zahlen. Tandem transportiert die Objekte üblicherweise mit einem LKW, der aus Sicherheitsgründen unmarkiert ist. Standardbesatzung sind zwei Fahrer, denn gerade beim Beladen ist es wichtig, immer einen Mann am Fahrzeug zu haben. „Besonders vor Sotheby’s in London muss man aufpassen“, warnt Hillmann.Der reine Transport spielt in der Branche traditionell eine fast untergeordnete Rolle: „20 Prozent entfallen auf Lagerung, 40 Prozent auf andere Dienstleistungen wie die Herstellung von Transportmitteln“, schätzt Edmund Knab, Kunstspediteur aus Düsseldorf. Der Branchenveteran hat in 35 Jahren schon alles gesehen – von der tonnenschweren Skulptur, die nur mit dem Tieflader zu bewegen war, bis zur Ausstellung auf der Zugspitze. „Jeder Auftrag ist anders“, sagt Knab. Wobei es oft nicht die Werke selbst sind, die Probleme machen, sondern die Kunden: Sie geben häufig die Maße von Gemälden falsch an, ändern das Auftragsvolumen oder schicken überflüssige Kuriere mit, die dann Business Class fliegen wollen und die Gesamtkosten hochtreiben.Innerhalb der EU gilt ZollfreiheitInnerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten können Kunstwerke zu Ausstellungszwecken ein- und ausgeführt werden – ohne Beschränkungen (keine Zollgebühren und Einfuhrumsatzsteuer). Bei Transporten über den Binnenmarkt hinaus gilt die Zollfreiheit theoretisch auch – das sagt zumindest das Florenz-Abkommen, dem 92 Staaten beigetreten sind (darunter Russland, USA und China). „In der Praxis aber ist das Abkommen viel zu wenig bekannt und findet kaum Anwendung“, sagt Thomas Weis von der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK). Die Organisation in Berlin berät die Kunstschaffenden.Wer Kunstwerke transportiert, sollte möglichst umfassende Unterlagen mit sich führen, zum Beispiel Rechnungen, Fotos der Gegenstände, Einladungsschreiben von Museen oder Werklisten. Was zu welchem Zwecke transportiert wird, muss klar ersichtlich sein. Sollen die Gegenstände nur zeitweise ins Ausland gebracht werden, etwa für eine Ausstellung, sollte man ein sogenanntes Carnet A.T.A. beschaffen. Dieses Passierscheinheft erlaubt es, Waren durch Länder zu transportieren, ohne dass dabei Zoll anfällt. Es wird gegen Gebühr von rund 30 Euro von der örtlichen Industrie- und Handelskammer ausgestellt. Darüber hinaus sollte der Transportunternehmer eine sogenannte Nämlichkeitsbescheinigung beim nächsten Zollamt einholen. Es stellt die Identität der Ware fest. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass bei der Wiedereinfuhr keine Umsatzsteuer gezahlt werden muss. Werden Kunstgegenstände nur durch ein Land transportiert, gelten bestimmte Fristen (meist nur wenige Tage), die unbedingt einzuhalten sind. Werden die Objekte im EU-Ausland verkauft, müssen Umsatz- und Einkommensteuer gezahlt werden, und zwar in der Höhe des Landes, in dem die Galerie beheimatet ist. Trotz des hohen bürokratischen Aufwands gibt es nur selten Probleme mit dem deutschen Zoll. Branchenveteran Knab hatte zuletzt in den 90er-Jahren Streit mit den Behörden: Ein Zöllner wollte das Werk eines britischen Künstlers, das aus Schrottautos gemacht war, nicht als Kunst anerkennen. Knab insistierte – und gewann. Normalerweise jedoch befassen sich Kunstspediteure nicht mit den Inhalten ihrer Klimakisten. „Ob ein Werk echt ist oder nicht, müssen Gutachter entscheiden“, sagt Knab. Und wie können sich Spediteure gegen illegale Aufträge wie im Fall der Bauhaus-Möbel schützen? Schließlich ist ein Spediteur kein Kunstsachverständiger. Der Rat von Tandem-Chef Hillmann: „Vertrauen Sie Ihrem Instinkt, und arbeiten sie mit verlässlichen lokalen Partnern zusammen.“ ❙❚■ Constantin Gillies, freier JournalistKunstgegenstände sind nicht nur oft wertvoll und fragil, sondern auch diebstahlgefährdetKunsttransporteSo laufen internationale Kunsttransporte typischerweise abDer nationale Kunstspediteur arbeitet in der Regel mit einem qualifizierten Partner vor Ort zusammen. Gibt es keinen, wird ein Spezialistenteam eingeflogen, das im Ausland alle Transportverpackungen vornimmt. Danach werden die lokalen Transporte zum Flughafen organisiert, um dann die Exponate zum Zielort zu fliegen. Straßentransporte in Europa werden üblicherweise mit Doppelbesatzungen durchgeführt. Bei extrem wertvollen Objekten erfolgt die Streckenführung in einem Geofence. Verlässt das Fahrzeug diesen GPS-überwachten Raum, erfolgt eine Alarmbenachrichtigung in der Zentrale, die ein Notfallprogramm auslöst. agHintergrund

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