Kontraktlogistik

Kontraktlogistik „Das birgt noch großes Potenzial“ Die Kontraktlogistik gilt als die Königsdisziplin in der Logistik. Zumal der Outsourcing-Trend ungebrochen hoch ist. Ein neuer Leitfaden der BVL zeigt, auf welche Knackpunkte Verlader und Dienstleister bei Ausschreibungen achten sollten. Ausschreibungen in der Kontraktlogistik kosten Zeit und Geld. Sowohl für das ausschreibende Unternehmen als auch für den Dienstleister, der sich um Aufträge bewirbt“, weiß Professor Norbert Schmidt von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (siehe Interview Seite 25). Seit Ende 2012 leitet Schmidt den Arbeitskreis Kontraktlogistik der Bundesvereinigung Logistik (BVL), in dem Logistikentscheider aus den unterschiedlichsten Industrie-, Handels- und Logistikunternehmen vertreten sind. Und auf diesen Treffen hat sich sehr schnell herauskristallisiert, wie relevant das Thema Ausschreibungen für die Unternehmen ist, weil es in der Regel auf beiden Seiten viele Ressourcen bindet. Auch deshalb, weil es für die Abwicklung von Ausschreibungen „nicht die Lösung und den einheitlich-genormten Ablaufplan gibt“, so der Wissenschaftler. „Wenn ein Unternehmer aber jeweils für die Probleme der anderen Seite sensibilisiert ist und diese kennt, hilft dies die Ressourcen aller zu schonen“, ist Schmidt überzeugt. Eben diese Knackpunkte wolle der neue „Leitfaden Kontralogistik-Ausschreibung“ der BVL herausarbeiten, der Ende vergangenen Jahres erschienen ist. Das fängt laut dem Logistikexperten bei der Bereitstellung von Daten in Ausschreibungen an, geht über die Auswahl der Short-List und endet meist in der Frage der finalen Vertragsgestaltung. Unterm Strich aber, so der Wissenschaftler, bleibe die Kontraktlogistik nach wie vor die Königsdisziplin in der Logistik, in der Transport- und Speditionsdienstleister tätig werden können. Und der Outsourcing-Wille der Unternehmen ist ungebrochen hoch. So lag allein in 2012 das outgesourcte industrielle und Konsumgüter-Marktvolumen für Kontraktlogistik-Dienstleistungen in Deutschland bei rund 25 Milliarden Euro, zitiert Schmidt Zahlen des Fraunhofer SCS in Nürnberg. „Das entspricht jährlich 400 bis 600 größeren Tendern“, sagt er. Und das Besondere ist: Rund 65 Milliarden Euro des potenziellen Kontraktlogistik-Volumens sind laut Schmidt noch nicht outgesourct. Das birgt für Dienstleister noch großes Potenzial. Zum Vergleich: Im Stückgutverkehr seien schon über 90 Prozent an die Dienstleister fremd vergeben, weiß der Wissenschaftler. Wer nicht richtig kalkuliert, zahlt drauf Wermutstropfen indes ist: Die Bäume wachsen selbst in der Kontraktlogistik nicht mehr in den Himmel. So monieren manche Dienstleister hinter vorgehaltener Hand, dass Aufwand und Kosten mittlerweile die zu erzielenden Erlöse in einzelnen Projekten sogar auffressen würden. Professor Schmidt nennt zuversichtlichere Werte: „Zwei bis drei Prozent Ebit-Marge im Durchschnitt sind im Moment drin“, weiß der Logistikexperte. In komplexeren Projekten ließen sich sogar heute noch Renditen von vier Prozent und mehr erzielen – insbesondere in der Konsumgüterkontraktlogistik. Aber auch er sagt: „Manche Kontraktlogistik-Dienstleistungen, zum Beispiel einfache Lager-, Bereitstellungs- oder Auszeichnungstätigkeiten, werden zunehmend zur Commodity-Leistung, sprich zu einer Standardleistung, die Verlader erwarten, aber nicht speziell honorieren“, so der Wissenschaftler. „Es gibt immer wieder Fälle ungenügender Kalkulation, die bei Kontraktlogistik-Aufträgen langfristig draufzahlen“, warnt er. Genau deshalb sei der gesamte Prozess der Ausschreibung so fundamental wichtig, sagt er. „Was ein Dienstleister dort falsch macht, fällt ihm später auf die Füße. Denn ein Projekt, das von Anfang nicht läuft, wird später nie etwas.“ Einer der größten Knackpunkte hier ist laut Schmidt „die oft mangelhafte Datenqualität in Ausschreibungen“. Sie sei der Grund für viele Fehlkalkulationen auf der Dienstleisterseite. „Ein Spediteur sollte deshalb lieber zweimal mehr bei seinem Verlader nachfragen, bevor er seinen Preis abgibt“, empfiehlt er. „Erst wenn er wirklich alle relevanten Daten vorliegen hat, sollte er sein Angebot betriebswirtschaftlich sauber kalkulieren. Sonst kann es für ihn schnell ruinös werden.“ Eine andere Art der Marktbearbeitung Also doch lieber die Finger von der Kontraktlogistik lassen? „Der Einstieg in dieses Geschäft will wohl überlegt sein, weil es einfach eine andere Art der Marktbearbeitung erfordert“, sagt Schmidt. Fundiertes Branchen-Know-how und Fachspezialisten für Recht, IT und technische Fragestellungen gehören unbedingt zum Rüstzeug. Kontraktlogistik sei nun einmal anspruchsvoller als der klassische Transport von A nach B. Das müsse jedem Dienstleister, der in dieses Geschäftsfeld einsteigen wolle, bewusst sein. Unterm Strich aber sei die Kontraktlogistik, so der Wissenschaftler aus Würzburg, wohl einer der besten Möglichkeiten für Spediteure, Kunden an sich zu binden und sich weniger leicht substituierbar zu machen. ❙❚■ Eva Hassa Interview „Wir wollen beide Perspektiven zeigen“ Welche Ziele Professor Norbert Schmidt von der Hochschule Würzburg mit dem neuen BVL-Leitfaden erreichen will, sagt er hier. Das Thema Kontraktlogistik ist nicht neu. Trotzdem haben Sie Ende 2013 mit der Bundesvereinigung Logistik (BVL) den „Leitfaden Kontraktlogistik-Ausschreibung“ aufgelegt. Warum gerade zum jetzigen Zeitpunkt? Norbert Schmidt: Zur Kontraktlogistik gibt es tatsächlich schon einige Ausarbeitungen. Interessanterweise fristet das Thema „Ausschreibungen“ aber in den meisten Fällen ein stiefmütterliches Dasein, obwohl es für die Unternehmen von zentraler Bedeutung ist. Das zeigte mir unser BVL-Arbeitskreis zum Thema Kontraktlogistik mit Logistikentscheidern aus unterschiedlichen Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung. Was unterscheidet Ihren neuen Leitfaden von anderen Büchern zu diesem Thema? Entscheidend war für uns der praxisnahe Ansatz. Wir wollen damit bewusst nicht die „Vollprofis“ ansprechen, sondern Praktiker und Firmen, die in dieses Thema einsteigen oder auch weiter professionalisieren wollen. Zentrales Ziel ist, die Knackpunkte zu diskutieren, die für die jeweils andere Verhandlungsseite von Bedeutung sind. Hier kommt meist die Sicht der Dienstleister in vielen Veröffentlichungen zu kurz. Auf welche Kernpunkte fokussiert sich Ihr Leitfaden? Zum einen auf traditionelle Kernpunkte, wie zum Beispiel die notwendigen Daten und Informationen für eine Preiskalkulation. Sie finden in dem Handbuch dafür eine mehrseitige Checkliste. Aber es sind auch andere Reizthemen, wie zum Beispiel Empfehlungen für die organisatorische Abwicklung und das Projektmanagement, die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen, die Normierung der Angebote, über Fragen der Verhandlungs- bis hin zur Vertragsgestaltung enthalten. Insgesamt umfasst der Leitfaden über Hundert sogenannte Knackpunktfragen zu diesem Thema. eh „Unterm Strich ist Kontraktlogistik wohl eine der besten Möglich-keiten, Kunden an sich zu binden“ Professor Norbert Schmidt, Hochschule Würzburg-Schweinfurt

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