Dortmund. „Das Streben nach Wirtschaftlichkeit zwingt die Betreiber intralogistischer Anlagen zunehmend dazu, jede nur denkbare Rationalisierungsmöglichkeit auszuschöpfen.“ Christoph Hahn-Woernle, Geschäftsführender Gesellschafter der Viastore Systems GmbH, verwies in Dortmund darauf, dass sowohl die Anforderungen in Bezug auf Leistungsfähigkeit als auch Flexibilität in den Logistikzentren gestiegen sind. „Die Automation kann hierfür wesentliche Teilprozesse optimieren.“ Eine immer engere Vernetzung entlang immer internationaler ausgestalteten Lieferketten stellt auch die Anbieter moderner Logistiktechnologie vor ganz neue Herausforderungen. „Die Qualität in der Kommissionierung wird bereits heute entscheidend beeinflusst vom Produktionsprozess des Lieferanten“, so Helmut Prieschenk, Geschäftsführer der Witron Logistik + Informatik GmbH. „Da beispielsweise auch die Verpackung hierfür ein ganz entscheidendes Kriterium ist, müssen bereits die Hersteller in den Prozess eingebunden werden. Des Weiteren wird in Zukunft immer wichtiger, dass nicht nur der Kommissionierprozess selbst effizient sein muss, sondern durch eine intelligente Kommissionierung im Verteilzentrum Prozesskosten bei den nachgelagerten Abläufen zum Beispiel in der Filiale konsequent reduziert werden. So investiert auch das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) nach Aussage seines Leiters Professor Michael ten Hompel derzeit sehr viel Know-how in die Entwicklung intelligenter, greifbarer Verpackungslösungen. „Hier laufen auch gemeinsam mit unserem Institut momentan zahlreiche Projekte mit Unternehmen aus Handel und Industrie“, so ten Hompel. Komplette Automatisierung der innerbetrieblichen Supply Chain kein Utopie Witron-Geschäftsführer Prieschenk hob heraus, dass es bereits möglich ist, die komplette Supply Chain des innerbetrieblichen Materialflusses zu automatisieren und weitestgehend ohne Personaleinsatz abzuwickeln. „Diese optimierten Prozesse führen bei Kunden zu einer wesentlichen Verbesserung der Lieferqualität und Kundenzufriedenheit bei gleichzeitig höchster Wirtschaftlichkeit“. Er verwies beispielsweise auf den Erfolg des OPM-Systems mit der Case Order Machine (COM) von Witron, welches sich für die Case-Kommissionierung in Distributionszentren von Retailern bewährt habe. „14 Systeme mit insgesamt 230 COMSs sind bei marktführenden Handelsunternehmen aus Deutschland, USA, Südeuropa und Kanada bereits im Einsatz. Bis dato wurden mit der COM-Technologie über 10 Millionen Paletten vollautomatisch kommissioniert, die aktuelle Tagesleistung liegt bei 1,5 Millionen Cases beziehungsweise 25.000 Paletten. OPM beherrscht eine hohe Artikelvielfalt und ermöglicht eine filialgerechte Kommissionierung. Für die Realisierung werden ausschließlich standardisierte Komponenten verwendet.“ so Prieschenk. Mögliche Standardisierungsansätze beziehen sich dabei in erster Linie auf die Standardisierung von Komponenten, die die Qualität und Wirtschaftlichkeit auf Seiten des Anwenders erhalten sollen. Denn der Einsatz gewisser Standards ist Voraussetzung für eine nachhaltige Automatisierung. „Letztendlich geht es unseren Kunden allerdings vor allem darum, mit Hilfe der eingesetzten Lösungen Wettbewerbsvorteile zu generieren“, so Prieschenk. „Welche Geräte dafür verwendet werden, spielt für sie keine so ganz wichtige Rolle.“ Entscheidend sei es vor allem, vollautomatische Prozesse dort zu nutzen, wo Menschen entlastet werden und nachweislich Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsvorteile generiert werden – die Praxiserfahrung in den Verteilzentren zeigt, dass es in Zukunft immer schwieriger sein wird, Mitarbeiter für körperlich anspruchsvolle Aufgaben zu finden. Dort wo dennoch Personenarbeitsplätzen notwendig sind ist entscheidend, zukunftsgerechte und ergonomische Umgebungen zu schaffen. Mit Anlagen-Laufzeiten von über 30 Jahren muss sichergestellt werden, dass an solchen Arbeitsplätzen zum Beispiel die Kommissionierer auch in zwanzig Jahren noch gern arbeiten möchten. Die wirklichen Rationalisierungspotenziale lägen jedoch grundsätzlich eher in den Prozessabläufen, wenn zum Beispiel der Lieferant die Ware bereits direkt in Behältern anliefert und somit im Distributionszentrum das Umpacken in Lagerbehälter völlig entfallen würde. „Im Endeffekt hängt hier sehr viel vom Thema Software ab“, ergänzte ten Hompel. „Und gerade die lässt sich nun einmal sehr schwer standardisieren.“ Überhaupt werde Standardsoftware in den Prozessen der Hochleistungslogistik nicht die zentrale Rolle spielen, die viele Experten in der Vergangenheit erwartet haben. Darüber waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. „Wo Leistung und innovative Konzepte gefordert sind, benötigen wir auch in Zukunft hoch spezialisierte WMS-Lösungen“, sagte Christoph Hahn-Woernle. „Darin sehen wir auf absehbare Zeit eine Nische gerade für mittelständische Anbieter, die sie erfolgreich verteidigen können.“ Solche intelligenten Konzepte beispielsweise für eine effizientere Lkw-Beladung, die Platz und Kosten reduzieren können, werden über Erfolg oder Misserfolg auch in der Kommissionierung entscheiden. „Das Thema der Transportkosten sowie Fragen nach effizienten Transportmitteln der Zukunft werden uns noch sehr viel stärker als bisher beschäftigen“, bestätigte auch Helmut Prieschenk. „Der Geschäftszweck der Logistik selbst und daraus resultierend die Entwicklung geeigneter Add-on-Lösungen wird aus unserer Sicht zu dem zentralen Wettbewerbsfaktor werden.“ (tw/ak)
Kommissioniersysteme: „Jede nur denkbare Rationalisierungsmöglichkeit ausschöpfen“
Top-Experten diskutierten letzte Woche auf den Dortmunder Gesprächen die Zukunft von Automatisierung bei Kommissioniersystemen