Keinen Bock auf den Job?

Durchschnittlich jeder sechste Arbeitnehmer in Deutschland empfindet keine emotionale Bindung zum eigenen Unternehmen und hat innerlich bereits gekündigt. Das geht so aus dem aktuellen "Gallup Engagement Index 2019" hervor, für den 1000 Arbeitnehmer befragt wurden. Nach Berechnungen des Beratungsunternehmens verursachen diese Mitarbeiter einen jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 122 Milliarden Euro. Wir erklären, warum manche Arbeitnehmer leistungsschwach sind, welche Maßnahmen Unternehmer in solchen Fällen ergreifen können und ab wann man den Mitarbeiter vor die Tür setzen muss. 1. Was versteht man unter Low- und Zero-Performern? Low-Performer liefern entweder eine schlechte, zu geringe oder falsche Arbeitsleistung. Hat ein Produktionsmitarbeiter etwa seine Maschine falsch eingestellt und dadurch unbrauchbaren Ausschuss produziert, gilt das als Schlechtleistung. Wenn zwar die Qualität des Produkts stimmt, der Arbeitnehmer aber nur die Hälfte der Stückzahl im Vergleich zu anderen Kollegen in derselben Arbeitszeit schafft, ist er ein sogenannter Minderleister. Und wenn der Mitarbeiter zwar zeitlich sowie qualitativ gut arbeitet, aber ein anderes Ergebnis liefert, als vom Arbeitgeber erwünscht, hat er eine Falschleistung erbracht. Von einem Zero-Performer ist hingegen die Rede, wenn ein Mitarbeiter durchgehend oder zeitweise überhaupt keine nennenswerte Arbeit leistet. Beispiele dafür sind Mitarbeiter, die häufig zu privaten Zwecken im Internet surfen oder regelmäßig zu spät zur Arbeit kommen. 2. Was muss der Arbeitnehmer grundsätzlich leisten? Beim sogenannten dynamisch individuellen Maßstab des Bundesarbeitsgerichts heißt es nur: "Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann." Der Arbeitsvertrag dient dabei als Grundlage, optional auch noch die Tätigkeitsbeschreibung. "Maßgeblich für das, was der Arbeitnehmer tatsächlich leisten muss, sind aber die konkreten Weisungen des Arbeitgebers", informiert Christian Seidel, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Acconsis. Die "Normalleistung" festzustellen ist allerdings nicht einfach, denn Zielvorgaben oder -vereinbarungen dürfen nicht herangezogen werden, um die Leistungspflicht des Arbeitnehmers zu bemessen. Der Arbeitgeber kann das Problem lösen, indem er den Low-Performer mit anderen Mitarbeitern vergleicht. Drei wesentliche Kriterien müssen dabei auf diese Vergleichsgruppe zutreffen: Zum einen sollte sie gemischt sein, etwa hinsichtlich des Alters der Arbeitnehmer. Außerdem muss die Tätigkeit der Mitarbeiter in Bezug auf Art, Menge, Umfang und Qualität mit der des Low- oder Zero-Performers identisch sein. Auch die Vergleichsdauer ist entscheidend: Zwei Jahre muss der Arbeitgeber die Leistungen des mutmaßlichen Low-Performers und der Vergleichsgruppe dokumentieren. Weicht der betroffene Arbeitnehmer in diesem Zeitraum insgesamt um ein Drittel negativ von der durchschnittlichen Leistung ab, hat der Arbeitgeber eine schlechtere Performance nachgewiesen. Problematisch wird es allerdings bei kleinen Unternehmen, die zu wenige Mitarbeiter haben, um eine Vergleichsgruppe bilden zu können. Seidel rät in so einem Fall: "Entweder man nimmt hier die vergleichbare Leistung desselben Mitarbeiters von früher oder vergleicht, falls möglich, den Arbeitnehmer mit einer Vertretung." 3. Was sind die Ursachen von Low- und Zero-Performing? Mitarbeiter leisten entweder aufgrund verhaltens- oder personenbedingter Gründe schlechtere Arbeit als andere. "Im ersten Fall gilt: 'Er kann, will aber nicht', der zweite Fall bedeutet: 'Er will, kann aber nicht'", erläutert Seidel. Beim verhaltensbedingten Zero- oder Low-Performing kann der Arbeitnehmer sein Verhalten selbst steuern, er verletzt bewusst seine Vertragspflicht. Nicht steuerbar sind hingegen personenbedingte Gründe wie fehlende Kenntnisse oder Voraussetzungen, aber auch krankheits- oder altersbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. 4. Was muss der Arbeitgeber berücksichtigen? Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, der alle Anforderungen an den Arbeitsschutz erfüllt. "Bei einem defekten Computer kann der Unternehmer nicht mit demselben Ergebnis rechnen wie bei einem voll funktionstüchtigen Gerät", gibt Seidel ein Beispiel. Der Chef kann vom Mitarbeiter zudem nur das erwarten, was dieser auch fähig ist, zu leisten. Stand etwa in der Stellenbeschreibung eine abgeschlossene Buchhalter-Ausbildung als Einstellungskriterium, wäre es unverhältnismäßig, von den Fähigkeiten eines ausgebildeten Betriebswirtes auszugehen. Außerdem ist die individuelle Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen: Ein 60-jähriger Lagerist mit gesundheitlichen Problemen wird in der Regel nicht mehr die gleiche Leistung wie ein 30 Jahre alter Berufseinsteiger abrufen können. 5. Welche Reaktionsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber? Bei einem Mitarbeitergespräch kann der Arbeitgeber konkrete Mängel aufzeigen sowie gemeinsam mit dem Low- oder Zero-Performer die Ursachen ergründen und Maßnahmen vereinbaren, die das Problem beheben können. Seidel empfiehlt: "Alles schriftlich festhalten!" Das gilt grundsätzlich auch bei Fehlern des betroffenen Mitarbeiters sowie dem Verhalten der Vergleichsgruppe, das der Unternehmer zeitnah und konkret dokumentieren sollte. Nachschulungen und schriftliche Arbeitsanweisungen bieten dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, Hilfestellung anzunehmen beziehungsweise geben ihm eine klare Information, welche Leistung erwartet wird. Eine schriftliche Abmahnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist trotzdem unerlässlich. "Das ist wichtig, denn sie ist Voraussetzung bei einer verhaltensbedingten Kündigung", betont Seidel. Auch finanziell kann der Unternehmer Konsequenzen ziehen, zum Beispiel, indem er prüft, ob Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer bestehen, die er mit den Lohnansprüchen aufrechnen kann. Allerdings kommen Mitarbeiter aufgrund der beschränkten Arbeitnehmerhaftung nur selten für Schäden am Arbeitsplatz auf. Bei einem Vergütungssystem mit einem Anteil variablen Gehalts unter Widerrufsvorbehalt ist es möglich, diese Leitungszulagen zu widerrufen. Seidel merkt allerdings an: "Das Verhältnis muss stimmen. 20 bis 25 Prozent des Gesamtgehalts kann man etwa unter Widerruf stellen." Grundsätzlich für den Arbeitgeber relevant: Bei Krankheit oder fehlenden körperlichen Fähigkeiten des Arbeitnehmers muss er prüfen, ob er ihm einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz zuweisen kann. Dies gilt auch bei fehlenden intellektuellen Fähigkeiten, wenn Nachschulungen wirkungslos bleiben. 6. Kündigung als letzter Ausweg? Wenn alle Maßnahmen nicht greifen, bleibt nur noch die Kündigung. Eine fristlose Kündigung bei Low-Performance ist dabei nahezu ausgeschlossen, bei Zero-Performance kommt es auf den Einzelfall an. Sowohl bei der personen- als auch bei der verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber folgende Kriterien prüfen: Kann der Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten künftig seine Pflichten erfüllen? Werden die eigenen betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen derart beeinträchtigt, dass das Arbeitsverhältnis auf weitere Sicht unzumutbar ist? Und könnte man die Kündigung vermeiden, indem man dem Arbeitnehmer einen freien vergleichbaren Arbeitsplatz gibt? Aus verhaltensbedingten Gründen darf der Arbeitgeber den Mitarbeiter nur vor die Tür setzen, wenn er ihn vorher abgemahnt hat. Erst wenn alle notwendigen Punkte geprüft wurden und das Ergebnis zulasten des Arbeitnehmers ausfällt, ist eine Kündigung möglich. 7. Wo liegt die Darlegungs- und Beweislast? Wichtig: Beim Unternehmer liegt die volle Darlegungs- und Beweislast. Kommt es zum Prozess, hat der Unternehmer klar und konkret darzulegen, warum dem Arbeitnehmer gekündigt wurde. Daher rät Seidel generell: "Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren!" Mehr zum Thema finden Sie unter #Arbeitsrecht www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Low- und Zero-Performer sind Arbeitnehmer, die nicht das leisten, was der Arbeitgeber von ihnen erwartet. Dafür kann es verhaltens- oder personenbedingte Gründe geben. Kündigen kann der Arbeitgeber nur, wenn verschiedene Maßnahmen vorher nicht greifen. Vor Gericht hat er die volle Beweispflicht. 122 Milliarden Euro kosten Low- oder Zero-Performer die Volkswirtschaft jährlich.