Brüssel. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat die EU-Mitgliedsstaaten für ihre fehlende Unterstützung bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Verkehrsraumes kritisiert. Die „guten Vorschläge“ der EU-Kommission würden von den Mitgliedsländern zu oft verwässert und in ihrer Verwirklichung verzögert, sagte Kallas bei der Eröffnung des zweiten Verkehrswirtschaft-Gipfels der EU-Kommission gestern in Brüssel. Er kritisierte außerdem die Tendenz, nationale Interessen über das Wohl der Gemeinschaft zu stellen.
Nationale Egoismen überwiegen
Luftfahrt und Straßenbau nannte er als konkrete Beispiele. Bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums verhinderten die Mitgliedsstaaten ein zügiges Vorankommen. Von den neun Funktionalen Lufträumen, die bereits Ende 2012 als Vorstufe zum Single European Sky eingerichtet sein sollten, würde erst einer arbeiten. Wann sich die EU-Verkehrsminister mit den neuen Vorschlägen der EU-Kommission, dem Maßnahmenpaket SESII+, beschäftigen werden, sei offen. Das Europaparlament dagegen habe seine Position bereits gefunden.
Beim Straßengütertransport sei neben der nicht zufriedenstellenden Situation bei der Kabotage das Hauptproblem die Infrastruktur. Die Straße als Herzstück des heutigen Transportwesens sei chronisch unterfinanziert. Das mache sich vor allem bei den grenzüberschreitenden Strecken sowie den Straßennetzen in Osteuropa bemerkbar.
Kritik an ablehnender Haltung gegenüber Marktwirtschaft
Grundsätzlich kritisierte Kallas auch, dass sich in Europa tendenziell eine ablehnende Haltung gegenüber der Marktwirtschaft als Garant für Wachstum und Wohlstand breit mache. „Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir in der EU das Gefühl für paneuropäisches Wirtschaften verloren haben“, sagte Kallas.
Bilanz der Kallas-Ära
Zuvor hatte Matthias Ruete, scheidender Leiter der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der EU-Kommission, eine Bilanz der im Herbst auslaufenden Amtszeit von Kallas gezogen. Als größte Erfolge stellte er den Plan für neun Korridore als Kern des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) sowie das TEN-V-Finanzierungsinstrument der Connecting Europe Facility (CEF) dar. Die sinkende Zahl der Verkehrstoten in Europa, die Arbeit am Binnenmarkt für die Seeschifffahrt (Blue Belt), die Stärkung der Europäischen Eisenbahnagentur sowie das neue Projekt Shift2Rail als Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft im Bahnbereich seien dagegen bislang nur Teilerfolge, an denen die neue Kommission weiter arbeiten müsse. (kw)