Jobs für Flüchtlinge

Als im September vergangenen Jahres viele von "Flüchtlingskrise" sprachen, war er einer der ersten Speditionschefs, der nicht lamentieren, sondern handeln wollte: Für Willem van der Schalk, CEO & Regional Managing Director des Speditionsunternehmens A. Hartrodt in Hamburg, stand damals sofort fest: Er wollte drei jungen Flüchtlingen aus Syrien, die er über eine private Initiative kennengelernt hatte, eine Ausbildung zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung bieten. Dieses Angebot angenommen hat einer der drei jungen Männer; die beiden anderen arbeiten mittlerweile als Übersetzer in Erstaufnahmelagern für das Rote Kreuz. Schade sei dies, sagt van der Schalk. Immerhin sei in Deutschland eine qualifizierte Berufsausbildung wichtig. Um so enttäuschter ist er, dass sich trotz seiner Ausbildungsinitiative bislang wenige bei ihm gemeldet haben, obwohl er diese in Schulen, Behörden und anderen Wirtschaftsgremien präsentiert hatte. "Wahrscheinlich liegt es daran, dass man die duale Berufsausbildung, wie wir sie in Deutschland haben, in anderen Ländern noch nicht kennt", vermutet er. Um so dringlicher sei es, fordert van der Schalk, dass die Behörden die Vorteile der dualen Berufsausbildung noch besser kommunizieren. Der Speditionschef lässt sich aber nicht entmutigen: "Diese jungen Leute sind so lernwillig. Das motiviert." Seit Anfang Februar bietet er nun zwei Flüchtlingen berufsvorbereitende Praktika im Büro - spätere Ausbildung nicht ausgeschlossen. Das Hamburger Unternehmen ist nur ein Beispiel von vielen Firmen in der Transport-, Speditions- und Logistikbranche, die sich aktuell für Flüchtlinge engagieren, beobachtet Elke Schneider, Aus- und Weiterbildungsreferentin beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). Einer der Treiber dafür: "Der Fachkräftemangel ist in der Branche da, wenngleich unterschiedlich stark in den einzelnen Regionen und Firmen", betont sie. "Entsprechend groß war bei unseren Unternehmen anfangs die Euphorie, Flüchtlinge zu beschäftigen", erzählt sie. Dieser Wille sei zwar immer noch da, auch weil sich die Firmen sozial engagieren wollen. "Inzwischen ist aber eine gewisse Ernüchterung eingezogen", beobachtet die DSLV-Referentin. Aufgrund der bürokratischen Hürden - Stichwort Flüchtlingsstatus, ist es offenbar nicht einfach, Arbeitgeber und Flüchtlinge zusammenzubringen. Dazu kämen die sprachlichen Barrieren. "Am einfachsten wäre es für die Firmen", so Schneider, "wenn sie vor Ort eine zentrale Anlaufstelle hätten, die ihnen konkret Auskunft zu allen Fragen rund um das Thema geben könnte. Die Regelungen müssen einfach und transparent sein. Dann klappt das auch mit der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt", ist sich die DSLV-Referentin sicher. Schließen Flüchtlinge die Fahrer-Lücke? "Die nun ankommenden Flüchtlinge können eine Chance sein", betont auch Professor Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Schmidt wörtlich: "Wir begrüßen jeden Menschen, der Lkw-Fahrer werden will - egal aus welchem Land er kommt, wenn er über eine entsprechende Qualifizierung und über halbwegs Deutsch-Kenntnisse verfügt." Entscheidend sei, so Schmidt, dass die Flüchtlinge in Deutschland eine Bleibe-Perspektive haben, sprich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Asylbewerber anerkannt seien. "Unsere Betriebe bezahlen nicht 10.000 Euro für einen Lkw-Führerschein, wenn der ausgebildete Fahrer Deutschland wieder verlassen muss", unterstreicht er. "Wer nur eine Duldung hat, hat bei uns keine Chance." "Schließen werden die Flüchtlinge die drohende Fahrer-Lücke aber wohl nicht", erwartet der BGL-Hauptgeschäftsführer. Die schulischen Defizite der Neuankömmlinge seien nicht zu unterschätzen, sagt er und verweist auf soeben veröffentlichte Zahlen des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Fast ein Viertel von 2805 befragten Flüchtlingen haben demnach die Schule entweder gar nicht oder maximal fünf Jahre lang besucht (siehe Grafik Seite 25) und 23 Prozent fünf bis neun Jahre. "Eben diese 23 Prozent sind für unsere Branche ein sehr interessantes Nachwuchskräfte-Potenzial", sagt Schmidt. Denn der Branche fehlen laut dem BGL allein für die nächsten zehn Jahre in Deutschland im Schnitt 20.000 bis 30.000 Lkw-Fahrer jährlich - trotz betrieblicher Ausbildung und diverser Qualifizierungsmaßnahmen. Die Jumbo-Spedition Schwank in Lorch/ Rhein zum Beispiel bildet schon seit den 80er-Jahren Berufskraftfahrer aus, berichtet Geschäftsführer Stephan Schwank. "Mittlerweile können wir unsere freien Stellen aber fast nicht mehr mit deutschen Fahrern besetzen. Etliche ziehen ihre Ausbildung nicht durch und brechen ab. Zudem wird die Qualität und Schulbildung immer schlechter," schildert Schwank seine Erfahrungen. Vier Männer, zwischen Anfang bis Ende 20 Jahre alt, aus Syrien, Irak und Somalia bildet der Spediteur daher seit September 2015 zu Berufskraftfahrern aus und seit Jahresanfang einen weiteren jungen Mann aus Kuwait. "Lkw- und Pkw-Führerscheine aus arabischen Ländern werden in Deutschland leider nicht anerkannt." Drei der Flüchtlinge sind mittlerweile asylberechtigt, beim vierten ist der Asylantrag noch nicht durch. Sorge, dass dieser während der Ausbildung Deutschland verlassen muss, hat Schwank nicht: "Ob ein Deutscher seine Ausbildung auf eigene Faust abbricht oder ein Flüchtling aus einem anderen Grund - ist letztlich das Gleiche." "Sehr engagiert und wissbegierig sind die vier", freut sich der Unternehmer. Nur an der deutschen Sprache hapere es noch - trotz diverser Deutschkurse, die der Firmenchef mittlerweile aus eigener Tasche den Auszubildenden finanziert. Eigentlich sollte der Deutschkurs über das BAG-Förderprogramm Aus- und Weiterbildung bezuschusst werden, erzählt er. Der Kurs sei aber vom BAG abgelehnt worden. "Da muss der Gesetzgeber mehr tun, wenn mehr Flüchtlinge in Arbeit gebracht werden sollen", fordert Schwank. Positiv sei hingegen, dass der bürokratische Aufwand sich in Grenzen hält: "Das ist bei Flüchtlingen nicht viel mehr als bei Deutschen. Einzige Voraussetzungen sind, dass die Flüchtlinge ihren Asylantrag vor drei Monaten gestellt haben und nicht mehr in der Erstaufnahme leben, sprich einen festen Wohnsitz haben, und dass die Ausländerbehörde ihrer Ausbildung bei uns zugestimmt hat", führt der Geschäftsführer aus. Und natürlich sei das Ganze auf das Bundesgebiet begrenzt. Ansonsten aber sei das Procedere wie bei deutschen Auszubildenden auch - Stichwort Versicherungen, Anmeldung der Ausbildung bei der IHK sowie Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Eingliederungszuschüsse helfen Auch Philipp Doll von der LTG Landauer Transportgesellschaft sagte sofort zu, als er von einem Münchener Waisenhaus gefragt wurde, ob er den 18-jährigen Flüchtling Maikin für eine Woche lang als Praktikant in seiner Firma beschäftigen könnte. "Wir wollen unseren Beitrag dafür leisten, dass die Integration dieser Menschen in Deutschland gelingt", sagt er. Natürlich könne man in einer Woche einem Praktikanten fachlich nicht viel vermitteln. Maikin habe sich aber sehr lernwillig gezeigt, freut sich Doll. Gut möglich also, dass sich dieser nach seiner Schulausbildung und Anerkennung durch das BAMF bei LTG zur Fachkraft für Lagerlogistik ausbilden lässt. "Wir würden ihm gerne die Möglichkeit eröffnen, bei uns eine Ausbildung zu beginnen", betont Doll. Fest steht für ihn auch: LTG wird den Weg weitergehen und weitere Flüchtlinge beschäftigen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Das Hamburger Speditions- und Logistikunternehmen Senator International beschäftigt sogar seit Januar 2016 einen asylberechtigten Iraker in der IT-Abteilung, der vor 14 Monaten aus seiner Heimat geflohen war und in Deutschland Asyl gewährt bekommen hat. "Mitte 20 ist er und hat bei uns zunächst sechs Wochen als Praktikant in der IT-Abteilung gearbeitet", erzählt Tim-Oliver Kirschbaum, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Seit Jahresanfang hat der Iraker nun bei Senator eine feste Stelle in der IT. 50 Prozent seines monatlichen Entgelts übernimmt die lokale Arbeitsagentur in Hamburg in den ersten sechs Monaten und in den darauffolgenden sechs Monaten 25 Prozent. Das sei im Rahmen eines Eingliederungszuschusses vereinbart worden, führt Kirschbaum aus. Senator habe sich dafür verpflichtet, den jungen Mann zwölf Monate aus Basis eines detaillierten Ausbildungsplans intern auszubilden, damit er nach dieser Zeit als vollwertiger IT Mitarbeiter tätig sein kann - Stichwort gelungene Eingliederung. Zudem musste sich die Spedition verpflichten, im Anschluss den Iraker für weitere 12 Monate einzustellen. "Der junge Mann spricht arabisch, englisch und niederländisch, weil er bereits einige Jahre in Holland gelebt hat, und sogar ordentlich deutsch", freut sich Kirschbaum. Für ihn steht also schon fest: Im nächsten Schritt wird er zwei Syrer ausbilden. Doch das Ganze sei etwas zäh: So warte der eine seit etlichen Monaten auf die Genehmigung seines Asylantrags, beide brauchen zudem einen Wohnberechtigungsschein und noch etliche andere Papiere. Fazit: Das Engagement für Flüchtlinge im Transport- und Speditionsgewerbe ist da. Problem für viele ist, das zeigen die Gespräche, dass die Asylverfahren zu lange dauern. Für Unternehmer, die planen müssen, sei dies schwierig, weil sie ihre Stellen nicht freihalten können, heißt es. Was viele Firmen frustriert: "Bei uns meldet sich keine Agentur für Arbeit und kein Ausländeramt, obwohl bekannt ist, dass wir Ausbildungsplätze für Flüchtlinge anbieten und diesen sogar Deutschkurse offerieren würden", bringt es Speditionschef Kirschbaum auf den Punkt. "Dabei wollen wir keinem Deutschen den Arbeitsplatz wegnehmen. Wir schaffen diese Ausbildungsstellen zusätzlich. Trotzdem kommt kein Flüchtling." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Flüchtlinge www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Jobs für FlüchtlingeWas Transport- und Speditionsbetriebe tun, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren- Sind Flüchtlinge das neue Jobwunder für die Transport-Branche?- Best Practice Praktikum- Best Practice Ausbildung- Welche finanziellen Hilfen es für Unternehmer gibt Experten-Tipps Anerkannte Asylbewerber ausbilden und beschäftigen: Auf was Arbeitgeber achten sollten Auf welche Punkte Firmen achten sollten, die anerkannte Asylbewerber ausbilden oder beschäftigen wollen, sagt Michael De Graat, Leiter Koordination Arbeitgeberservice des Jobcenters München:- Sobald Asylbewerber vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anerkannt sind, erhalten sie eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland - in der Regel zunächst begrenzt für drei Jahre. Ab diesem Zeitpunkt sind sie Kunde eines Jobcenters, beziehen Leistungen nach dem Hartz4-Gesetz (Sozialgesetzbuch II - Hartz IV) und erhalten unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Sprich: Die Vorrangprüfung entfällt. Anerkannte Flüchtlinge haben damit die gleichen Rechte (zum Beispiel gesetzlicher Mindestlohn) und Pflichten im Arbeitsmarkt wie Deutsche.- Neu seit 15. Februar 2016 ist: Praktika, die anerkannten Asylbewerbern geboten werden und bis zu drei Monate dauern, fallen nicht unter die gesetzliche Mindestlohnpflicht. Während des Praktikums erhält dieser aber die gleichen Leistungsbezüge wie zuvor auch. De facto sind Praktika von bis zu drei Monaten also nahezu kostenneutral für den Arbeitgeber, sofern der anerkannte Asylbewerber Kunde des Jobcenters ist.- Sogenannte Integrationskurse, die aus einem Orientierungskurs und Sprachkurs bestehen, werden von den lokalen Agenturen für Arbeit und Jobcentern bezuschusst. Für Deutschkurse, die ein Arbeitgeber anerkannten Asylbewerbern auf eigene Faust bietet, gibt es hingegen keine Zuschüsse. Wer anerkannten Asylbewerbern einen Lkw-Führerschein finanziert, kann sich dies in Ausnahmen finanziell fördern lassen - Einzelfalls-Entscheidung .- In puncto Versicherungen gelten bei der Beschäftigung von anerkannten Asylbewerbern die gleichen Regeln wie bei deutschen Mitarbeitern. Empfehlenswert ist aber der Abschluss einer Unfallversicherung für die Praktikanten.- Arbeitgeber, die sich über die Ausbildung und Beschäftigung von Flüchtlingen informieren wollen, sollten sich im ersten Schritt über die Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de informieren. Hilfestellung liefern außerdem Integrations-Fachkräfte in den Agenturen für Arbeit und Jobcentern vor Ort. eh

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