Interview Railwatch: Bessere Auslastung

In Kürze Wie kann der Kombinierte Verkehr effizienter genutzt werden? Das Unternehmen Railwatch hat sich als Ziel gesetzt, bereits bestehende Bahnverbindungen besser auszulasten. Möglich werden soll das durch die Auswertung von Daten und kurzfristige Angebote für Spediteure. Herr Breuer, Railwatch ist zwar im Bereich Schiene unterwegs, aber bislang eher im Bereich technische Überwachung zu Hause. Wie passt das mit dem Ziel zusammen, den Kombinierten Verkehr (KV) zu verbessern? Mehr Ladung auf die Schiene zu bringen ist das Anliegen unserer Branche. Da wir aus der technischen Überwachung kommen, haben wir uns die Frage gestellt: Können wir nicht unsere Datenerhebungen zur Optimierung des KV auf der Schiene nutzen? Wir haben alle Operateure angefragt, wie ihrer Ansicht nach die Auslastung ihrer Züge ist, und das mit unserer Datenlage verglichen. Auch wenn dabei unterschiedliche Einschätzungen herauskamen, war doch klar: Es können nicht alle Züge voll sein. Wie muss ich mir das vorstellen? Sie sammeln die Daten der von Railwatch erfassten Züge und die stellen Sie dann einem erweiterten Kundenkreis zur Verfügung? Das ist ebenso richtig wie unvollständig. Wir erfassen zunächst mehrere Daten, darunter Ort, Länge, Achsen, Geschwindigkeit, Wagennummern, Auflieger- oder Containernummer. Daraus generieren wir eine schematische Darstellung. Schaut man sich nun die Züge genau an, die wir erfassen, dann findet man relativ schnell das, was ich die "Zahnlücken" nenne: leere Container-Wagen zwischen den Beladenen. Wenn jetzt diese Teilauslastung wiederkehrend ist - sagen wir mal, sie liegt bei 80 Prozent - können wir aufgrund unserer Datenerfassung feststellen, woher der Zug kommt und wo er hinfährt. So können wir sehr schnell die Linien bestimmen, die noch Kapazitäten frei haben. Wie können diese Lücken besser genutzt werden? Hier kämen digitale Plattformen ins Spiel die idealerweise an große Spediteurs-Netzwerke angeschlossen sind. Beispiele dafür wären etwa Rail-Flow, Modility oder Protostellar. Diese könnten mit dieser Information für das Restvolumen der jeweiligen Relationen mit Teilauslastung sorgen. Der Zug ist ja bezahlt, die Trassenkosten fallen an, ebenso wie die Energiekosten, bei denen die zusätzlichen Container kaum noch ins Gewicht fallen. Hier könnte man nun den Spediteuren eine Art Sondertarif für die Vollauslastung des Zuges anbieten und so aktiv die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene vorantreiben. Dazu müsste aber natürlich ein entsprechender Erkenntnisgewinn bei den Zugbetreibern, also den Operateuren, vorliegen. Nun haben diese Unternehmen ja ein eigenes Transportmanagement-System. Darin ist bereits der komplette Zug erfasst - mit der verfügbaren Anzahl von Stellplätzen und wie viele davon wiederum genutzt werden. Warum findet die Restauslastung heute noch nicht statt? Das hat meiner Ansicht nach etwas mit dem Vertrieb zu tun. Übrigens, die Aussagen, dass es sich hier in der Regel nur um eine Leerwagenquote von maximal drei Prozent je Zug handelt, können wir nach unserem Erkenntnisgewinn aufgrund unserer Datenerfassung nicht bestätigen, das geht eher Richtung 20 bis 30 Prozent. Wie bringe ich einen Spediteur überhaupt dazu, dieses Angebot zu nutzen? Verspätungen und nicht wettbewerbsfähige Preise werden ihn jedenfalls nicht vom Bahntransport überzeugen. Sie haben natürlich recht: Ich muss den angesprochenen Erkenntnisgewinn verbunden mit einem attraktiven Angebot zu den Spediteuren bringen. Hier habe ich gleich zwei Hürden: Über die Verbände ist der einzelne Spediteur nur schwer zu erreichen. Wenn er denn eine digitale Plattform nutzt, so ist das eben nur eine Plattform von mehreren. Er greift also keinesfalls auf alle Optionen zu, die er eigentlich nutzen könnte. Railwatch ist nun quasi in der Rolle des neutralen Dritten. Wir erfassen ja die Züge eigentlich aus ganz anderen Gründen, verfügen aber über einen neutralen, umfassenderen Erkenntnisgewinn. Für uns sind das sekundäre Datensätze, da sie nichts mit technischen Zuständen zu tun haben, die wir für unseren eigentlichen Auftrag erfassen. Und diese Daten, die Sie nebenbei erfassen, liegen den anderen Marktteilnehmern nicht vor? Es kommt nicht selten vor, dass bei Zügen in Anfahrt auf ein Terminal für die wartenden Spediteure vieles unklar ist: Befindet sich mein Container auch wirklich auf dem avisierten Zug? Wann trifft der Zug im Terminal ein? Der Informationsaustausch zwischen den Eisenbahnunternehmen und dem betroffenen Terminal und auch zwischen den Terminals funktioniert also offenbar alles andere als optimal. Offensichtlich findet nicht einmal ein valider Datenaustausch zwischen dem Seeterminal und dem ersten angefahrenen Hinterland-Terminal statt. Hier kann Railwatch als neutraler Dritter, der die Schnittstellen auf eine reduziert und die Daten für alle erhebt, helfen. Wie sieht diese Unterstützung genau aus? Wir wissen in Relativlage, wann der Zug voraussichtlich ankommt, und wir wissen, welche Containernummern mit dem Zug erfasst wurden. Der Spediteur würde mittels unserer Datenerfassung also nicht zwei Stunden auf einen verspäteten Zug warten müssen, auf dem sein Container unter Umständen gar nicht mitfährt. Für ihn entsteht also sofort ein Use-Case. Die Daten umfassend und für alle nutzbar in den Markt einzubringen, ist dank unserer Technologie kein Problem, die mangelnde Vernetzung der Stakeholder würden wir abfangen und durch unsere Dienstleistung kompensieren. Das klingt einleuchtend, allerdings müssten Sie dazu die Daten auch entsprechend aufbereiten . Richtig, wir müssen die Daten transparent und leicht erfassbar machen. Deshalb haben wir 2022 eine Plattform mit dem Namen TrainSnap gelauncht. Davor konnte man seine Ladung nur per Wagennummer aufspüren. Entscheider machen das jedoch nicht, das ist zu kleinteilig. In der neuesten Version von TrainSnap kann man anhand von Korridoren und weiterer Daten, wie etwa Container, Schüttgut oder Kesselwagen, ganze Züge anfragen. Neben dem ergonomischeren, schnelleren Handling erreichen wir damit noch etwas: Man sieht die Leerstellen im Zug, also das, was ich als Zahnlücken bezeichnet habe. Damit ist der wirtschaftliche Nutzen jenseits der technischen Erfassung für die relevanten Personen, eben die Entscheider, erfassbar. Diese aktuelle Version schalten wir bis zur Messe Transport Logistic in München kostenlos frei. Bis dahin können wir das System testen. Was steht für Sie im Fokus der Testphase? Um diese Methode, die wir hier vorschlagen, auch attraktiv und den Nutzwert bekannt zu machen, werden wir uns zu Beginn im Wesentlichen auf Korridore fokussieren. So erzielen wir im besten Falle einen Aufspring-Effekt. Ideal wäre zum Beispiel der Rhein-Alpin-Adria-Korridor, also alles, was von Hamburg kommend bis nach Süditalien geht. An dem Korridor entlang auf die großen Terminals fokussieren und die korrespondierenden Speditionen ansprechen, das wäre dann der nächste Schritt. Man sieht das von Ihnen angenommene Potenzial, vorbehaltlich des Erkenntnisgewinns seitens der Operateure, bevor daraus ein Handlungsbedarf abgeleitet wird. Warum ist dieser Erkenntnisgewinn Ihrer Ansicht nach noch nicht so weit vorangeschritten? Bei einer Auslastung von 70 Prozent fahre ich bereits kostendeckend, bei etwa 80 Prozent bin ich schon leicht im Gewinnbereich. Das führt offenbar dazu, dass die Herstellung des nötigen Datenaustauschs aufgrund der hohen Komplexität zulasten einer möglichen Vollauslastung nicht erfolgt, weil ja keine massiven Defizite entstehen. Alle Erträge über 80 Prozent wären allerdings reine Roh-Erträge, sozusagen "on top". Es braucht dazu aber dieses verlässliche Netz an Spediteuren, die genau diese fehlenden 20 Prozent beisteuern. Wie gesagt, diese Spediteure brauchen Vertrauen ins System und, den Transport betreffend, die gleiche Datentransparenz wie Operateur und Terminal. Diese Transparenz muss für den Spediteur zumindest am Anfang kostenlos sein, denn ich muss heutzutage attraktive Angebote machen, wenn ich Verkehre auf die Schiene verlagern möchte. Dem Gewinn der Operateure tut das ohnehin kaum Abbruch, denn der Zugewinn durch die Restauslastung des Zuges wäre enorm. Ich könnte sogar als Einführungs-Spezialangebot für ein halbes Jahr die reinen Transportkosten ausklammern und nur die Terminal-Bewegungen berechnen. Mein vormaliger Gewinn ändert sich nicht und ich kann zusätzliche Kunden vom KV-System überzeugen. Aber droht dann nicht Ärger seitens der Bestandskunden? Denn diese profitieren ja nicht mehr von den Konditionen ... Das stimmt. Es ist ein gewisser Drahtseilakt, die Spediteure mit Angeboten von dem System zu überzeugen, ohne die Bestandskunden zu verärgern, und so überzeugend zu sein, dass der Spediteur auch nach der Angebotsphase noch dabeibleibt. Und genau hier kommen die Operateure wieder ins Spiel, mit denen gemeinsam wir ein wirkungsvolles, allgemeinverträgliches Konzept erarbeiten müssen. Die Mühe ist es allemal wert, denn das Potenzial ist enorm. Dieses Interview erschien in einer leicht geänderten Fassung zuerst in der SUT-Ausgabe 2/2023. Neue Railwatch-Messstation Vertreter der Bundespolitik kamen mit Staatssekretär Michael Theurer Anfang Februar nach Rheinbrohl zur Besichtigung einer neuen Messstation von Railwatch. COO und CTO Tobias Frede und Marketing-Chefin Laura Blechmann erläuterten den Politikern die Railwatch-Technologie mit dem Hintergrund der Sicherheit und der Prozessunterstützung im Schienengüterverkehr. Auch das Potenzial der Technologie für die optimale Auslastung des Kombinierten Verkehrs wurde thematisiert. Das System kam bei den Berliner Gästen gut an – das Thema „Nutzung von digitalen Lösungen und Technologien für den Schienengüterverkehr“ wird von den Beteiligten weiterverfolgt. Mehr zu dem Thema unter #KombinierterVerkehr www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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