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Interview: "Deutsche Führungsrolle in der EU wird erwartet"

21.08.2017 10:49 Uhr
Michal Boni
Der polnische Europaabgeordnete Michał Boni
© Foto: Picture Alliance/PAP

Die Bundestagswahl spielt aufgrund der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands nicht nur für die EU, sondern auch für Polen eine große Rolle. Das sagt der polnische Europaabgeordnete Michal Boni im Gespräch mit der VerkehrsRundschau.

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Die Bundestagswahl spielt aufgrund der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands nicht nur für die EU, sondern auch für Polen eine große Rolle. Das sagt der polnische Europaabgeordnete Michal Boni im Gespräch mit der Verkehrsrundschau. Der 63-jährige Politiker war in Polen Minister für Verwaltung und Digitalisierung in der Regierung des heutigen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk und gehört seit 2014 dem Europaparlament an.

VerkehrsRundschau: Herr Boni, wie bedeutend sind die Bundestagswahlen für die EU?
Michal Boni: Die deutschen Wahlen gehören zu den wichtigsten Wahlen in der EU. Deutschland ist ein sehr großer Markt, und es ist von Bedeutung, welche politische Gruppierung die künftige Entwicklung der deutschen Wirtschaft entscheidend beeinflussen wird, was wiederum Auswirkungen auf die Ausrichtung der europäischen Wirtschaft nach neuen Wettbewerbsfeldern haben wird. Aber ganz wichtig ist auch: Gerade im Licht des Brexits und des Willens, das europäische Projekt zu verteidigen und qualitativ zu verbessern, brauchen wir ein starkes, stabiles, zukunftsorientiertes pro-europäisches Deutschland. Darin liegt die Versicherung Europas für die Zukunft.

Welche konkreten Aufgaben warten in Europa auf den künftigen deutschen Kanzler - oder auf die künftige Kanzlerin?
Am allerwichtigsten wird es sein, für ein Gefühl der Sicherheit in Europa zu sorgen. Die Flüchtlingskrise, die Terror-Bedrohung, die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Verteidigungssystems, die nachbarschaftlichen Beziehungen zu den Ländern im Osten und Süden. Danach gilt es, die Vorteile des Binnenmarktes für alle gleich vorteilhaft zu gestalten. Das gilt auch für die umfassende Einführung digitaler Neuerungen. Wir müssen noch mehr digitaler denken und handeln. Die deutsche Beteiligung daran ist von entscheidender Bedeutung. Die Entwicklung der deutschen 4.0 Industrie wird entscheidenden Einfluss auf die gesamte europäische Industrie haben. Außerdem müssen wir eine Zersplitterung, eine Fragmentierung Europas vermeiden. Dafür müssen wir eine ausgewogene Mischung von EU-Kompetenzen und Kompetenzen der Mitgliedsländer finden. Wir brauchen neue Instrumente für eine gemeinschaftliche Arbeit an einem stärkeren Europa.

Welche gemeinsamen Wirtschaftsinteressen haben Polen und Deutschland auf europäischer Ebene - und wo gehen Interessen auseinander?
In Polen gibt es ein hohes Potenzial für Robotertechnik, industrielle Nutzung von IT, Digitalisierung und automatisierte Industrieprozesse. In all diesen Bereichen haben Polen und Deutschland gleiche Interessen. Darüber hinaus könnten unsere beiden Länder die beiden ersten sein, in denen die neue 5G-Technologie landesweit eingeführt wird. In Deutschland ist man sich darüber im Klaren, dass die Zukunft der Industrie in der Entwicklung des "Internets der Dinge" und der Automatisierung liegt. Das Klima für deutsche Hersteller in Polen - und umgekehrt - muss weiter gut bleiben, was heißt, dass zum Beispiel Maßnahmen gegen das Fehlen von Facharbeitern ergriffen werden müssen.

Unterschiedliche Interessen haben Deutschland und Polen sicher bei Anwendung der EU-Entsenderichtlinie im Transportsektor. Wenn Lkw-Fahrer wie entsandte Arbeiter behandelt werden sollen, würde das weitgehende Konsequenzen für polnische Unternehmen mit sich bringen, die immerhin ein Viertel der europäischen Güter transportieren. Ein anderes Beispiel für Differenzen sind die unterschiedlichen Ansichten zur Nord Stream II Gas-Pipeline.

Was denken polnische Politiker über die deutschen Wahlen?
Polen ist Deutschlands Nachbar, die Beziehungen zueinander sind sehr eng, da ist es normal, dass die Wahl in Deutschland sehr aufmerksam verfolgt wird. Polen ist aber heute extrem polarisiert - wegen des Populismus und aufgrund der Art und Weise, wie die aktuelle Regierungspartei über das Land herrscht. Es gibt zurzeit sehr viele unterschiedliche Meinungen zu den polnisch-deutschen Beziehungen. Mein Standpunkt ist aber klar: Wir müssen gute Nachbarn sein und wir müssen gute Mitglieder der Europäischen Union sein.

Bislang hat Angela Merkel ja Deutschland in der EU vertreten. Ist Sie weiter die richtige?
Angela Merkel ist eine einzigartige Führungspersönlichkeit. Sie hat Ideen für künftige Entwicklungen. Sie ist ein gutes Beispiel, eine gute Referenz für andere führende europäische Politiker

Oft wird ja von der dominierenden Rolle von Merkel oder allgemein von Deutschland in der EU gesprochen. Fordert Europa, fordert Polen weiter diese deutsche Führungsrolle?
Deutschland ist nicht nur ein zentrales politisches Mitglied der EU, es ist auch die zentrale Wirtschaft. Die Tatsache, dass Deutschland die größte Wirtschaftsmacht in der EU hat, verpflichtet gleichzeitig zur Übernahme von Verantwortung in wirtschaftlicher Hinsicht. Daneben ist Deutschland ein Garant für grundlegende Werte der EU: Menschenrechte, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit. Deutschland ist das EU-Mitglied, auf das die EU nicht verzichten kann. Deutschland sollte nicht nur die Führung in Europa ausüben, sondern es wird auch von ihm erwartet.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Korrespondent Kay Wagner.

Mehr zum Thema Bundestagswahl und darüber, was die Transport- und Logistikbranche zu diesem Thema wissen muss, lesen Sie im aktuellen Themenheft der VerkehrsRundschau, Ausgabe 32-33/2017. Zum Heftarchiv.

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