Interview

Interview „Es gibt immer noch zu viele Anbieter“ Hellmann Worldwide Logistics startet durch: Im März übernahm das Unternehmen die Spedition Kunze, nun wurde ein Joint-Venture mit Lehnkering verkündet. Welche Pläne verfolgt Firmenchef Klaus Hellmann? Im Interview mit der VerkehrsRundschau verriet er Einzelheiten. Die Kartellwächter in der EU haben letztes Jahr über lhr und auch andere namhafte Branchenunternehmen Bußgelder wegen illegaler Preisabsprachen in der Luftfracht verhängt… Stimmt. Wie sehr hat Ihnen diese EU-Kartellstrafe das Ergebnis im letzten Jahr verhagelt? Wir mussten 4,01 Millionen Euro zahlen, obwohl lediglich ein Mitarbeiter bei einer Veranstaltung anwesend war. Wir halten die Strafe deshalb für nicht gerechtfertigt. Wie stark sich das auf unsere Gewinnsituation ausgewirkt hat, sage ich nicht. Sie wissen doch, wir als Familienunternehmen machen keine Aussagen zum Ergebnis. Fallen Ihre Umsatzzahlen ebenfalls in die Kategorie Betriebsgeheimnis? Wie war für Hellmann das Jahr 2012? Nein, den nennen wir! Aber darf ich Ihnen etwas verraten? Die Kennzahl Umsatz interessiert mich überhaupt nicht. Die Entwicklung des Umsatzes sagt überhaupt nichts aus. Nicht in unserer Branche. Das liegt vor allem daran, dass unser Geschäft stark von der Entwicklung des Einkaufspreises abhängt. Sprich, wenn die Seefracht- oder auch Luftfrachtraten sinken, sinkt bei uns zwangsläufig der Umsatz, auch weil die Kunden dann keine höheren Preise akzeptieren. Gleichwohl kann ich Ihnen sagen, dass wir beim Umsatz letztlich um circa fünf Prozent zugelegt haben und wohl mit 2,7 Milliarden Euro Netto-Umsatz abschließen werden. Ganz verbindliche Zahlen kann ich Ihnen da erst nennen, wenn unser Jahresabschluss durch ist (Anmerkung der Redaktion: 31. Mai 2013). Das Sendungsvolumen ist um 8,6 Prozent gestiegen. Zur genauen Ergebnis- und Ebit-Entwicklung will ich Ihnen nichts sagen – nur so viel, beides ist in 2012 gesunken. Insgesamt war das Jahr 2012 war für uns also eher schwierig. Welche Ihrer Geschäftsbereiche haben sich denn im letzten Jahr besonders gut und welche weniger gut entwickelt? Der Umsatz in der Sparte Seefracht ist im letzten Jahr um 6,8 Prozent gestiegen. Dieses Geschäft ist stabil. In der Luftfracht sind die Umsätze dagegen insgesamt nur um 1,2 Prozent gestiegen. Treiber hier waren unsere Regionen Americas und OMEA. Unsere Ergebnisse in der Luftfracht waren aber insgesamt rückläufig. Auch beim Landverkehr und in der Kontraktlogistik konnten wir im letzten Jahr den Umsatz steigern – die endgültigen Zahlen haben wir noch nicht vorliegen. Eindeutige Wachstumstreiber waren hier die Kundenbranchen Automobil, Unterhaltungselektronik sowie IT und Kommunikation. Läuft das Jahr 2013 nun erfreulicher an? Das erste Quartal war für uns – wie für alle Branchenunternehmen – ebenfalls schwierig. Erstens, weil wir weniger Arbeitstage hatten. Zweitens spürten wir den langen Winter. Die Nachfrage gestaltet sich bislang zäh, in Teilen fiel sie sogar weg, etwa im Gartencenter- und Heimwerker-Markt. Denken Sie zum Beispiel an die Pflanzen, die nicht eingepflanzt werden konnten, weil der Winter so lang war. Das fehlte natürlich komplett im Transportgeschäft. Auch der Automotive-Bereich entwickelte sich bislang nicht so stark, wie erwartet. Vielleicht liegt das daran, weil inzwischen sehr viele Fabriken in Asien angesiedelt sind und Hellmann in dieser Region im Automotivebereich nicht so stark ist. Und im deutschen Stückgutgeschäft sind unsere Sendungsmengen in den ersten vier Monaten zwar um 1,3 Prozent gestiegen. Damit sind wir in Deutschland unter Plan, geplant waren drei Prozent. Im europäischen Stückgut dagegen liegen wir mit drei Prozent plus im Plan. Treten Sie angesichts dieser Entwicklungen nun auf die Kostenbremse und wenn ja, in welchen Bereichen sehen Sie da das größte Rationalisierungspotenzial? Ich möchte nicht von Rationalisierungspotenzial sprechen. Das passt nicht zu unserer Firmenpolitik. Wir sind permanent auf der Suche nach Optimierungspotenzialen. Wir haben ja als erstes Logistikunternehmen den Gedanken des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses aus der Automobilbranche für unsere Branche adaptiert und angewandt und werden dies auch weiterhin tun. Nur wenn man alle Prozesse kontinuierlich optimiert und sein Handeln stetig hinterfragt, kann man wirklich Kosteneffizienz ohne Qualitätseinbußen realisieren. Das klingt sehr gelassen – angesichts der momentanen Wettbewerbssituation im Markt. Tun Sie sich als Branchengroßer da vielleicht leichter als ein kleinerer Mittelständler, etwa bei Preisgesprächen? Weiß ich nicht. Die Problematik in unserer Branche ist ja, dass es kaum Transparenz in unserem Markt gibt. Sprich: Es gibt immer noch – und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern – zu viele Anbieter. Das wissen auch die Verlader. Erschwerend kommt dazu, dass ein Kunde unsere Produkte nicht anfassen kann. Bei Bananen kann er das und kann dann diese nach seinem Gusto kaufen. Einen Stückguttransport von München nach Hamburg dagegen können wir als Dienstleister nur versprechen. In unserem Geschäft hängt also viel von zwei Kriterien ab: Vertraut man der Person, die die Dienstleistung verkauft, und passt der Preis dafür? Und dann macht es Verladern – wie ich aus eigener Erfahrung im Einkauf weiß – eben Spaß, diesen Preis nochmals zu drücken. Sie haben ja im März die Spedition Kunze übernommen. Warum war Kunze für Sie attraktiv? Bislang waren Sie ja eher zurückhaltend beim Thema Aufkäufe. Kunze ist deshalb für uns attraktiv, weil er ebenfalls Sammelgutspediteur ist. Wir können so unser Einzugsgebiet – gerade im Südwesten Deutschlands – deutlich ausbauen. Sein Standort in Karlsruhe ergänzt unsere eigenen Niederlassungen in Wittlich, Polch, Neunkirchen und Nieder-Olm hervorragend. Außerdem können wir für System Alliance die Region Karlsruhe als sichereren Hafen stützen – wer weiß, was da einmal passiert. Außerdem ist für unsere Expansion die Stärkung der Region Bielefeld und Dresden sehr wichtig. Klingt ganz so, als würden Sie hierzulande weitere Übernahmen, ja sogar ein deutschlandweites Netz, planen. Zumal Sie soeben mit Lehnkering in Mannheim ein Joint-Venture geschlossen haben. Wir sind ein großer Mittelständler, aber nicht so groß wie DHL, Schenker oder Dachser. Und da wir keine deutschlanddeckende Organisation sind, auch nicht sein können, sind wir Mitglied in der Kooperation System Alliance. Wir sehen aber keinen Grund, wegen dieser Größenunterschiede Markt zu kaufen. Das hat der eine oder andere „Große“ gemacht. Wir haben diese Strategie nicht. Wenn sich allerdings innerhalb der Kooperation Chancen ergeben, nutzen wir diese, genauso wie das andere Unternehmen auch tun würden. Gleichzeitig sehen wir uns als stabilisierender Faktor, wie im Fall unserer Übernahme der defizitären Elsen-Betriebe vor einigen Jahren. Und wie werden Sie die Kunze-Aktivitäten nun in Hellmann und das Netz der Stückgutkooperation System Alliance integrieren? Durch Ihren Kunze-Aufkauf gibt es ja einige pikante Überlappungen mit den Kooperationen Cargoline und VTL. Am Standort Bielefeld überlappen wir uns im Moment tatsächlich. In Karlsruhe ist das nahezu umgekehrt. Dort ist Kunze Gesellschafter von Cargoline und Systempartner von System Alliance. Über diese Standorte sprechen wir derzeit mit Cargoline, die Gespräche laufen aber noch. Fest steht nur, dass wir in Bielefeld unsere Hellmann-Aktivitäten mit denen von Kunze in Bielefeld zusammenlegen. Wir werden das an einem Standort bündeln und bauen dafür neu. Der Bauantrag ist gestellt. In welchen Bereichen es dann möglicherweise Synergien gibt, können wir noch nicht sagen. In Dresden ist Kunze Gesellschafter von VTL und das wird auch so bleiben. Dieser Standort wird außerdem weiter unter dem Namen Kunze und mit Matthias Kunze als Geschäftsführer auftreten. Wann wir dagegen die anderen Standorte möglicherweise unter Hellmann firmieren, steht noch nicht fest. Von welchem mittelfristigen Szenario gehen Sie im Stückgutmarkt eigentlich aus? Kommt es da zu einem ähnlichen Oligopol wie im Paketmarkt? Dort dominieren mittlerweile ja fünf, sechs Größen den Markt, während dieses Geschäft noch vor wenigen Jahren in der Hand von Mittelständlern war. Die Situation im Paket- und Sammelladungsmarkt ist deutlich unterschiedlich. Der Paketmarkt war und ist ein Oligopol – lediglich Hermes ist da noch in den letzten Jahren dazugekommen. Im Stückgutgeschäft dagegen sind neben dem Mittelstand eine Handvoll großer Wettbewerber tätig. Sicher wird es immer wieder Veränderungen in der Landschaft geben, sprich, es werden Firmen verkauft oder sogar aufgegeben. Wir sehen aber nicht, dass es einen Ausverkauf gibt. Der „Appetit“ der großen Player scheint gestillt zu sein. Außerdem entstehen im Stückgutgeschäft immer wieder neue Anbieter. Diese sind zur Zeit vielleicht nicht so groß wie die momentanen „Platzhirsche“. Wenn diese Newcomer aber erfolgreich und gewachsen sind, gibt es gute Chancen, dass sie den Markt besser und offensiver angehen. Kommen wir zurück zu Hellmann. Sie sagten zwar eingangs, dass für Sie die Kennzahl Umsatz überhaupt nicht wichtig ist.Trotzdem gefragt: Welche Umsatzziele haben Sie sich in diesem Jahr für Ihr Unternehmen gesetzt? Bei den Sendungsmengen peilen wir in diesem Jahr insgesamt zwei bis drei Prozent Wachstum an – national wie international. Eine Umsatzsteigerung von fünf Prozent wie in 2012 werden wir also wohl nicht schaffen. Konkrete Umsatzziele haben wir uns aber nicht gesteckt. 2013 hat schwach begonnen und wird wohl schwach bleiben. Als vorsichtige Kaufleute gehen wir also von einer Stagnation, aber nicht von einer rückläufigen Entwicklung aus. In welchen Bereichen sehen Sie angesichts dieses Szenarios da noch echte Potenziale für Hellmann? In der Luftfracht eher nicht, da Firmen in ruhigen Phasen erfahrungsgemäß Kosten vermeiden und nicht die Geschwindigkeit benötigen. Davon wiederum wird die Seefracht profitieren. Auch im Landverkehr glauben wir noch an Wachstum. Da haben wir bestimmte Potenziale bislang nicht ausgeschöpft, etwa im Teilladungsbereich. Hier entwickeln wir ja derzeit, wie Sie wissen, mit System Alliance ein Expressprodukt für Teilladungen. Und in der Kontraktlogistik gehen wir sogar von zweistelligen Wachstumsraten aus, vor allem im Automotive-Geschäft. Andererseits haben Sie gerade in diesem Segment mit MAN Nutzfahrzeuge einen wichtigen Kunden verloren. MAN in Deutschland hat sich nun einmal nach gut sechs Jahren für ein Insourcing dieses Geschäfts entschieden. Wir konnten aber mittlerweile Siemens als Kunden in Bor in der Tschechischen Republik gewinnen – das Projekt fährt jetzt aktuell hoch. Es werden in diesem Jahr auch zwei, drei andere unserer Kunden in der Kontraktlogistik gehen. Das müssen und werden wir aber auffangen – wie in der Vergangenheit auch. Mittelfristig sehen wir trotzdem, gerade in der Kontraktlogistik, gutes Wachstumspotenzial, insbesondere in den Branchen Automotive, Consumer Electronics und der Solarbranche. Und wie ist Ihr Rezept, weiter nach vorne zu kommen – trotz dieser Umsatzverluste? Dabei werden wir uns, wie in der Vergangenheit auch, auf gute Mitarbeiter stützen, die hinter uns stehen und seit vielen Jahren für Hellmann kämpfen. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen. Da sind gute Mitarbeiter das A und O. Darüber hinaus ist Hellmann für innovative Lösungen bekannt. Das sind unsere Stärken und auf die werden wir auch in Zukunft bauen. Ein Börsengang kam für Sie nie infrage? Um Himmelswillen! Nein! Sie könnten ja dann alles, was ich sage, kontrollieren (lacht). Im Ernst, ein Börsengang verändert die Kultur eines Unternehmens komplett. Sie müssen genau darauf achten, dass Sie intern und extern stets das Gleiche kommunizieren. Vor allem aber haben alle eine Erwartungshaltung an ihr Unternehmen– auch die Medien. Diese Erwartungen kann ein Unternehmen nie erfüllen. Sie sind jetzt 64 Jahre alt – denken Sie da zuweilen über einen möglichen Stabwechsel an die nächste Generation nach? Meine Tochter ist 27 Jahre alt und derzeit in unserer Niederlassung in Hong Kong tätig, ein Sohn ist 21 Jahre alt und studiert gerade in Shanghai und mein zweiter Sohn wird Arzt. Zwei meiner Kinder sind also daran interessiert, in das Unternehmen einzusteigen. Das ist für mich auch wichtig. Ich sehe mich ja nicht als Inhaber, sondern als Treuhänder. Ich muss das Unternehmen, das ich aus der dritten Generation übernommen habe, weiterentwickeln und übergeben. Das ist meine Funktion. Welchen Ratschlag wollen Sie an dieser Stelle Ihrer nachfolgenden Generation auf den Weg geben? Das Wichtigste ist: Sie sollen so viel Spaß an dem Geschäft haben wie ich. Bei mir persönlich waren das vor allem die Themen IT, Umwelt und der Umgang mit den Mitarbeitern, selbst mit dem Betriebsrat (lacht). ❙❚■ Eva Hassa Daten + Fakten Hellmann Worldwide Logistics Das Speditions- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics wurde 1871 gegründet. Heute führen die beiden Cousins Jost und Klaus Hellmann als geschäftsführende Gesellschafter das Unternehmen in vierter Generation. Das Unternehmen ist in 55 Ländern mit eigenen Standorten tätig und über Partner in insgesamt 157 Ländern. Nach letzten unternehmensinternen Hochrechnungen erwirtschaftete Hellmann Worldwide Logistics im letzten Jahr mit 10.742 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,7 Milliarden Umsatz (plus fünf Prozent). Das Sendungsvolumen lag 2012 bei insgesamt bei 16,5 Millionen (plus zehn Prozent). Wachstumstreiber waren laut Klaus Hellmann insbesondere das Seefracht-, Kontraktlogistik- und Nachtexpressgeschäft. eh Vita Klaus Hellmann Klaus Hellmann ist mit Cousin Jost Hellmann einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter von Hellmann Worldwide Logistics. Hellmann wurde 1949 in Osnabrück geboren. Nach seinem BWL-Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Speditionskaufmann. 1972 wechselte er in die elterliche Firma Hellmann. Mit 27 Jahren wurde er geschäftsführender Gesellschafter von Hellmann. 1976 war er einer der Gründungsväter des Deutschen Paket Dienstes, dessen Anteile er 2000 an die französische Post verkaufte. 1986 war er zudem einer der Initiatoren des Stückgutverbundes System Gut (heute System Alliance). eh „Soll ich Ihnen eines verraten? Die Kennzahl Umsatz interessiert mich überhaupt nicht“ Klaus Hellmann Firmenchef Hellmann Worldwide Logistics „Wenn sich innerhalb der Kooperation Übernahme-Chancen ergeben, nutzen wir diese“ Klaus Hellmann, Firmenchef Hellmann Worldwide Logistics

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