In 60 Minuten beim Kunden

Amazon macht Dampf: Je schneller Waren beim Kunden sind, desto mehr bestellt er, so offenbar die Kalkulation des weltweit größten Online-Händlers. Jüngster Coup: Amazon-Prime-Kunden erhalten mit Prime Now ab sofort in Berlin binnen kürzestens einer Stunde Lieferzeit ihre bestellten Artikel frisch auf den Tisch: ob Tiefkühlpizza, Elektronikartikel oder auch Frischgemüse. Einzige Voraussetzungen sind: Der Mindestbestellwert liegt bei 20 Euro und die Kunden sind Prime-Mitglied und bezahlen dafür 49 Euro im Jahr. Außerdem müssen sie sich die kostenlose App Prime Now herunterladen und sich dort mit ihrem Amazon-Account anmelden. 6,99 Euro kostet die Ein-Stunden-Belieferung. Und für die Zustellung der Ware innerhalb eines wählbaren Zwei-Stunden-Fensters müssen Amazon-Prime-Kunden gar nichts zahlen. Von Montag bis einschließlich Samstag von 8 bis 24 Uhr, so das Lieferversprechen von Amazon, ist die neue Dienstleistung ab sofort verfügbar. Berlin Modell für weitere Städte Einziger Wermutstropfen: Der Service wird bislang lediglich in Berlin angeboten. Branchenkennern zufolge ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis Prime Now in anderen Metropolen der Republik ausgerollt wird. Nächster Kandidat, so die Spekulation, soll München sein, in dem der Onlinehändler in Olching und Aschheim schon zwei Auslieferungslager unterhält. Amazon-Logistikmanager Cavit Yilmaz, der Prime Now europaweit verantwortet, bestätigt dies auf Anfrage nicht (siehe Interview). In einigen Großstädten in England, Italien, Japan und in den USA gibt es bereits Prime Now. Um den Ein-/Zwei-Stunden-Zustellservice zu realisieren, hat Amazon in diesen Städten diverse Lager für die gängigsten Produkte eingerichtet, von denen aus die Endkunden beliefert werden. "Das ist ein Modell, das Amazon in weitere Städte ausrollen wird", hatte Bernd Schwenger, Direktor Transportation bei Amazon Deutschland, schon vor einem Jahr gegenüber der VerkehrsRundschau angekündigt. Damals hatte Schwenger im Gespräch betont, dass es nicht nur um große zentrale Lager außerhalb der Stadt gehe, sondern auch um dezentrale kleinere Lager in der Stadt. Nur so werde es gelingen, noch schneller beim Kunden zu sein und das Thema "sofortige Verfügbarkeit der Ware" sicherzustellen. Interessant: Amazon zieht Prime Now nicht mit etablierten Paketnetzen wie Deutsche Post DHL auf, sondern arbeitet hier mit regionalen KEP-Diensten zusammen, die über profunde Vor-Ort-Kenntnisse verfügen. Yilmaz ist mit diesen "sehr zufrieden", sie seien "sehr zuverlässig". So stellen in Berlin deshalb nicht DHL-Fahrer die Prime-Now-Produkte zu, sondern die beiden Kurierdienste General Overnight (GO!) und InterKEP. Von einem Amazon-Lager am Kurfürstendamm, in dem früher ein Elektrogroßmarkt war, holen sie die Artikel ab und stellen diese zu. Eingesetzt werden bislang insgesamt Elektro-Liefervans und elektrisch angetriebene Lastenfahrräder. Als Verpackung werden entweder Papiertüten genutzt oder Isoliertaschen aus Kunststoff mit Trockeneis für gekühlte und gefrorene Produkte. Diese Taschen sind wiederverwendbar. Der Fahrer nimmt sie also nach der Lieferung wieder mit. Die normale Lieferung ist laut Logistikmanager Yilmaz "einfach in einer wiederverwertbaren Papiertüte eingepackt, große Produkte wie etwa ein Staubsauger liefert Amazon sogar ohne weitere Verpackung". 20.000 Artikel sind zum Start bei Amazon verfügbar. Bislang enthalten sind darin unter anderem verpackte, frische und tiefgekühlte Lebensmittel, Getränke, verpacktes Obst und Gemüse, Artikel des täglichen Bedarfs, Elektronik, Kindle-Geräte, Bücher, Spielwaren, Drogerieartikel, DVDs und Bekleidung. "Und das Sortiment soll weiter ausgebaut werden", betont Yilmaz. Welche Artikel dazukommen, so der Manager, hänge ganz vom Bestellverhalten der Kunden ab. Auf viele anderen Fragen hingegen, wie etwa Wirtschaftlichkeit des Services und künftige Zustellstädte für Prime Now - darüber gibt Amazon bislang keine Auskunft. Branchenkennern zufolge liegen aber allein die Kosten pro Stopp bei der Endkundenbelieferung im Frischesegment fünf Mal höher als in der B2C-Paketzustellung. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Amazon www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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