Im Gespräch mit Oliver Luksic: Am Ende zählt das Zusammenspiel

Aktuell stellen wir ein großes Gegeneinander der Verkehrsträger fest. Wäre es nicht sinnvoll, anstatt diverser Masterpläne einen Masterplan Logistik zu machen? Die Aufgabe unseres Ministeriums und damit auch meine Aufgabe ist es, dass Deutschland mobil bleibt. Das Zusammenspiel der Verkehrsträger ist dafür das A und O. Das ist gerade mit den bestehenden Masterplänen möglich. Das Thema intermodaler Transport und Kombinierter Verkehr etwa spielt in den Plänen mit Logistikschwerpunkt - also Schienengüterverkehr und Binnenschifffahrt - eine zentrale Rolle. Jeder Verkehrsträger hat seine eigenen Anforderungen, Stärken und Zielgruppen. Deswegen wollen wir die bestehenden Masterpläne tatsächlich noch einmal überarbeiten. Dabei wollen wir herausfinden: Wo kann die Umsetzung verbessert und wie kann das Zusammenspiel der Verkehrsträger gestärkt werden? Das wäre aus meiner Sicht sinnvoller, als einen neuen Metaplan über die bestehenden zu legen. Bei Ihnen klopfen doch aktuell bestimmt die Verbände der verschiedenen Verkehrsträger an. Sehen Sie Ihre Position da auch als Moderator, damit am Ende etwas Sinnvolles herauskommt? Ja! Wir brauchen, was die Logistik angeht, alle Verkehrsträger. Solange es abstrakt-theoretisch ist, sind alle meistens der gleichen Auffassung. Am runden Tisch liegen die Positionen natürlich weiter auseinander, als wenn man einzeln mit Interessengruppen spricht. Da vertritt natürlich jeder seine jeweils eigene Sicht der Dinge. Das ist ganz normal. Ich bin da relativ entspannt, denn am Ende kommt es immer auf das Zusammenspiel an. Wir wollen mehr Güter auf Schiene und Wasserstraße verlagern. Das ist ein Ziel des Koalitionsvertrags, und das kriegen wir auch hin. Dafür haben wir Maßnahmen angedacht, die wir angehen werden. Der andere große Aspekt ist die - insbesondere digitale - Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger. Auch daran arbeiten wir mit Hochdruck. Wir brauchen in der Logistik wirklich alle Verkehrsträger - es ist kein Entweder-Oder. Deutschland ist Exportnation und Transitland im Herzen von Europa. Deswegen benötigen wir ein Miteinander. Dessen sind sich am Ende des Tages auch die meisten bewusst. Werden bei Ihnen tatsächlich Verbände verschiedener Verkehrsträger vorstellig, die sagen, Herr Luksic, wir würden gern einmal zusammen mit Ihnen erörtern, wie wir es gemeinsam hinbekommen? Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich bin auf jeden Fall offen dafür, über den einzelnen Verkehrsträger hinaus zu denken. Die Funktion des Verkehrsministeriums und auch meine Funktion als Koordinator für Logistik ist, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich die verschiedenen Teilnehmer bewegen. Dabei ist relativ klar, dass wir zusehen müssen, dass Deutschland mobil bleibt. Also dass die Infrastruktur ertüchtigt wird. Da haben wir großen Aufholbedarf. Und dass wir den Rahmen setzen, dass die Verlagerung hin zur Wasserstraße und zur Schiene vorankommt. Aber wir wissen natürlich alle, dass es Limitationen gibt. Insofern werden wir an vielen Schrauben drehen, damit es besser klappt. Branchenübergreifend gibt es schon eine gewisse Einigkeit, dass wir das gesamte Transportwachstum nicht eins zu eins auf der Straße lassen können, dass etwa die Schiene gestärkt werden muss. Das ist jetzt keine Angelegenheit von Wochen, das dauert länger. Wir müssen dafür das Netz ertüchtigen - kurzfristig vor allem durch Digitalisierung. Ich glaube, das wissen alle. Und ich bin mir sicher: In der Praxis sind die verschiedenen Player näher beieinander, als man denkt. Kommen wir zurück zum Straßentransport. Die EU setzt auf E-Mobilität, Deutschland bringt immer mal wieder alternative Kraftstoffe ins Gespräch. Letzteres wäre doch ein probates Mittel, die Bestandsflotte CO2-neutral zu machen. Die Klimaziele sind international vereinbart und extrem ambitioniert. Die werden nicht nur den Individualverkehr, sondern auch den gesamten Güterverkehr vor große Herausforderungen stellen. Jetzt gilt es, alle Optionen zu nutzen, um sie umzusetzen. Das heißt zum einen, sowohl auf alternative Kraftstoffe als auch auf elektrische Antriebe zu setzen. Wir müssen in dem Punkt auf eine Politik setzen, die Klimaschutz, technische Innovation und wirtschaftlichen Erfolg verbindet. Wenn wir das in Deutschland nicht schaffen, wer soll es sonst hinkriegen? Wir haben die Aufgabe, bei Digitalisierung und Dekarbonisierung nach vorne zu gehen. Sind Sie der Ansicht, dass Brüssel da in die richtige Richtung marschiert? Darüber kann man mit Sicherheit diskutieren. Manche debattierten Ziele sind, ich sage mal, schwierig umsetzbar. Nichtsdestotrotz sind wir auf nationaler Ebene zu dem Schluss gekommen, sie umzusetzen. Trotzdem muss man genau sehen, was wie schnell und in welcher Reihenfolge geht. "Fit for 55" ist da schon mal ein guter Weg. Da geht es darum, dass wir es als Ansporn begreifen, jetzt mit deutschem Erfindungsgeist und Tatkraft den langen Weg in Richtung Klimaneutralität anzugehen. Sollte man den Weg nicht besser skizzieren - zumindest hat man das Gefühl, dass viele nicht mitziehen - egal ob Ladeinfrastruktur, Bau von Windkraftanlagen, Brenner-Zulauf, Elbvertiefung, und, und, und? Wir müssen das große Ganze zeigen. Wir leben vom Handel und wohnen im Herzen von Europa. Deutschland ist auf eine vernünftige Infrastruktur angewiesen. Das ist quasi unsere DNA, unser wirtschaftliches Geschäftsmodell. Bei den von Ihnen erwähnten Projekten handelt es sich ja nicht nur um nationale, sondern europäische Herausforderungen. Wichtig ist: Wir müssen deren Notwendigkeit klarer aufzeigen, dann die Investition erhöhen und sie langfristig sichern. Und wir brauchen ganz am Anfang eine offene Bürgerbeteiligung. Man muss aber auch klarmachen, dass wir nicht das Ob diskutieren können, sondern nur das Wie - egal ob neue Bahnstrecke, wichtige Wasserstraßenverbindung oder essenzielle Autobahnbrücke. Deutschland muss mobil bleiben, das steht für mich an erster Stelle. Insofern ist klar: Wir brauchen dringend mehr Tempo beim Infrastrukturausbau, bei den Verfahren, den Entscheidungen und auch der Umsetzung. Jeder will den Klimawandel verhindern, aber nach dem schönen Motto: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass ..." In Deutschland herrscht zu häufig der Status quo. Alles soll möglichst so bleiben, wie es ist. Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren zu wenig passiert. Die Ampel kann da vielleicht mehr erreichen. Klar gibt es Zielkonflikte - etwa was das Thema Energiewende betrifft: der Südlink oder die Windkraftanlagen. Die kann man nur in einem gewissen gesellschaftlichen Spannungsfeld auflösen. Insofern glaube ich, dass es gut ist, dass sich die jetzige Regierung ambitionierte Ziele vorgenommen hat. Ob sie die eins zu eins erreicht, weiß ich nicht. Aber wenn nicht in dieser Konstellation, dann gar nicht. Demokratie ist immer damit verbunden, dass man ganz viele Möglichkeiten hat, Dinge zu blockieren. Das tun die Leute ja auch. Wir hören doch schon viel zu lang, dass wir schneller werden müssen mit allem und wenig passiert. Ich will keine falschen Erwartungen wecken. Es gibt natürlich einen europäischen Rechtsrahmen, in dem wir uns bewegen. Zum Beispiel die Frage, ob ich eine Umweltverträglichkeitsp-Prüfung machen muss. Die alte Regierung hat ja Planungsbeschleunigungs-Maßnahmen auf den Weg gebracht, die allerdings von der Europäischen Kommission aufgrund handwerklicher Fehler aktuell beklagt werden. Es gehört dazu, dass es einen gängigen Klageweg gibt. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir den eben nicht in Karlsruhe, sondern beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig machen wollen. Es müssen verschiedene Rechtsgüter abgewogen werden - trotzdem brauchen wir da ein Stück weit Veränderung. Also mehr Tempo bei Verfahren, Entscheidung und Umsetzung. Digitalisierung brächte auch Beschleunigung. Wo haben wir da bei den einzelnen Verkehrsträgern Optimierungspotenzial? Gerade bei den eben angesprochenen Planungs-, Genehmigungs- und Bauverfahren. Building Information Modelling ist bisher ein Kann. Wenn wir diese ganzen Prozesse bei der Infrastruktur digitalisieren, sehe ich enormes Potenzial. Das wird natürlich am Anfang nicht einfach sein. Aber mittelfristig wollen wir Zeit und Ressourcen freisetzen. Bei der Digitalisierung im Verkehr gibt es ebenfalls eine ganze Reihe an Aspekten, wo wir etwas machen können. Wir verfügen beispielsweise über große Mengen an Verkehrsdaten. Da gibt es tolle Möglichkeiten zur effizienten und sicheren Verkehrssteuerung und -lenkung. Wir werden in den kommenden vier Jahren viele Veränderungen erleben. Als Ministerium haben wir übrigens auch ganz spannende Projekte, so zum Beispiel das Projekt Silicon Economy, wo die Digitalisierung von Prozess- und Lieferketten mit künstlicher Intelligenz, etwa der E-Frachtbrief, vorangetrieben wird. Das betrifft alle Logistikfelder. Die Digitalisierung in der Logistik bietet große Chancen, um Intermodalität zu verbessern. Denken Sie nur an die digitale automatische Kupplung. Zu diesem Thema war gerade auch der Minister unterwegs, das beeinflusst den gesamten Güterverkehr positiv. Digitalisierung und Automatisierung bieten gerade für Schiene und Binnenschiff Chancen. Das sind vergleichsweise abgeschlossene Verkehrsträger, das ist einfach schwieriger zu digitalisieren. Aber ein gutes Beispiel ist der Rangierbahnhof München Nord, den wir zum digitalen Güterbahnhof machen wollen. Das hilft dann auch bei der wichtigen Trasse über den Brenner. Bei den Schiffstransporten haben wir ebenfalls digitale Testfelder. Da gibt es die größten Potenziale und da sehen wir wahrscheinlich auch relativ bald erste Fortschritte. Es wird die große Aufgabe sein, diese Möglichkeiten in Deutschland wegweisend umzusetzen. Sehen Sie denn die Operateure im Bereich der Digitalisierung gut aufgestellt? Das ist natürlich extrem unterschiedlich je nach Unternehmen und Branche, deswegen wollen wir ja gerade mit Open-Source-Entwicklung unseren mittelständischen Unternehmen solche Instrumente für die Digitalisierung von Abläufen oder den Datenaustausch zur Verfügung stellen. Mir ist wichtig, dass wir diesen Prozess möglichst breit gestalten, damit auch alle davon profitieren können. Aber auch was das Thema intermodale und vernetzte Logistik angeht, gibt es mit Sicherheit noch Luft nach oben. Ich kann mir beispielsweise auch vorstellen, dass irgendwann eine gemeinsame Plattform existiert, auf der sichtbar ist, wo ein Umschlagplatz ist und wo man etwas auf die Schiene oder auf die Wasserstraße verlagern kann. Das gibt es noch nicht. Deshalb wollen wir Rahmenbedingungen für Innovationen und Fortschritt liefern und helfen, den Prozess in die Breite zu bringen. Gehen wir zurück auf die Straße. Da gibt es die Angst der Doppelbelastung, Stichwort Lkw-Maut und CO2-Bepreisung. Ist diese Angst berechtigt? Die Sorge teile ich. Deswegen war es mir sehr wichtig, das Thema bei den Koalitionsverhandlungen zu verankern. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir keine Doppelbelastung des Güterkraftgewerbes wollen. Deswegen brauchen wir - was die alte Regierung versprochen, aber nicht umgesetzt hat - die Einführung eines Rückerstattungsmechanismus. Das ist technisch nicht einfach, aber das ist als Ziel erkannt und wird angegangen. Die Euro-Vignetten-Richtlinie ist kurz vor dem Abschluss. Ich denke, das wird im ersten Quartal 2022 der Fall sein. Das ist dann ein Arbeitsauftrag für die Bundesregierung, dass wir die CO2-Differenzierung der Maut wirklich zügig umsetzen. Das kann ein Technik- und Innovationstreiber sein. Der Vorteil ist, dass das relativ wettbewerbsneutral ist, wenn es alle zahlen müssen, die durch Deutschland fahren. Sobald die Arbeiten in Brüssel abgeschlossen sind, geht es direkt los mit Wegekostengutachten und den weiteren Schritten. Das wird eine ganz wichtige Aufgabe für das Jahr 2022, damit wir 2023 starten können. Die Branche leidet enorm unter den exorbitant gestiegenen Kraftstoffkosten. Absolut! Dazu habe ich gerade mit vielen aus der Praxis gesprochen - vor allem was das Thema Gas angeht. Da sind die Preise gerade massiv gestiegen. Da wird mit sehr spitzem Bleistift gerechnet. Und diese starken Schwankungen sind natürlich in der Tat schwierig. Aber der Vorteil bei der Maut ist: Sie gilt für alle, sie ist planbar und man kann sich darauf einstellen. Erwarten Sie beim Thema Erdgas Entspannung? Das ist natürlich ein Problem. Aber da gibt es leider auch Externalitäten, etwa in Hinblick auf Russland, die den Preis beeinflussen, die wir schlecht beeinflussen können. Also die schnelle Flucht in die E-Mobilität? Und wer macht da wohl das Rennen, die Batterie oder die Brennstoffzelle? Das sollte und wird nicht die Politik entscheiden. Da setzen wir auf den Markt. Alle Antriebstechnologien haben spezifische Vor- und Nachteile. Es hängt stark vom Nutzerprofil ab. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir da einen breiten Fahrplan haben mit einem ganzen Maßnahmenkatalog. Das komplette Interview mit den Themen Ladeinfrastruktur, E-Mobilität sowie Sozialdumping und Fachkräftemangel lesen Sie unter www.verkehrsrundschau.de/plus/luksic2022. Mehr zum Thema finden Sie unter #Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Oliver Luksic (FDP) ist neuer Staatssekretär im jetzt BMDV genannten "Verkehrsministerium". Als Logistik-Koordinator folgt er auf Steffen Bilger (CDU) und will zahlreiche Defizite der Vorgängerregierung abarbeiten. Vita Oliver Luksic (FDP) ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr sowie Koordinator für Güterverkehr und Logistik. Studiert hat er Politikwissenschaften am IEP in Paris sowie Europastudien am King's College in London. Er ist seit 2000 Mitglied der FDP sowie der Jungen Liberalen und seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags sowie FDP-Sprecher für Verkehr und digitale Infrastruktur.

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