"Ich hoffe auf eine Stadt, die mal mutig ist"

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus Ihren City-Logistik-Projekten? Seit zwei Jahren konzentriert sich das Innovationsmanagement bei DPD auf die "letzte Meile". Daran sieht man, dass die City-Logistik zum Hauptkostentreiber für KEP-Unternehmen wird - und dass hier nach neuen Ideen gesucht wird. Mit Lastenrädern, Mikrohubs & Co. lässt sich aber nur ein Teil unseres Paketspektrums abbilden. Der Erfolg von City-Logistik-Projekten hängt also stark vom Paketmix ab. Wir haben auch gemerkt, dass sich Lastenräder nicht für zentrale Lagen eignen, sondern eher für an die Innenstadt grenzende Gebiete, in denen sich Wohnen und Gewerbe mischen. Die Herausforderung ist, hier kleinere Flächen zu finden, die wir nutzen können. Wir favorisieren 100, 200 oder 300 Quadratmeter große Objekte, die zu einem günstigen Preis verfügbar sind. Entscheidend ist auch die verfügbare Hardware: Nicht jedes Rad eignet sich, um täglich 200 bis 300 Kilogramm zu transportieren. Wie stehen Sie zu Kooperationen mit anderen KEP-Diensten? Aus Projekten wie KoMoDo in Berlin haben wir gelernt, dass Kooperationen höher aufgehängt werden müssen: Die Stadt muss die Nutzung gemeinsamer Flächen fördern und im besten Fall einen Teil der Infrastruktur bereitstellen. Mit unseren Wettbewerbern Hermes und GLS entwickeln wir auch anbieterneutrale Paketkästen und -stationen mittels Parcellock als unabhängigem Dritten. Der gemeinsame Nenner all dieser Beispiele: Kooperationen auf Infrastrukturebene sind machbar. Eine konsolidierte Zustellung favorisieren wir aber nicht. Sie löst auch das Verkehrsproblem angesichts wachsender Paketmengen nicht. Was müssen Stadtplaner ändern? Bisher wird die Logistik häufig vergessen bei Stadtplanungsprojekten. Die zunehmende Verdichtung in den Innenstädten und der weiter wachsende E-Commerce erfordern es aber, die Lieferinfrastruktur schon bei neuen Bebauungsplänen zu berücksichtigen. Ich hoffe auf eine Stadt, die wirklich mal mutig ist bei einer Quartiersentwicklung. Ein Vorzeigebeispiel ist Skandinavien beziehungsweise allgemein Länder, die in den vergangenen Jahren nicht mehr den Fokus auf den Individualverkehr gelegt haben. Wie lässt sich die letzte Meile für KEP-Sendungen noch optimieren? Unser Portfolio ist bereits ziemlich komplett. Entscheidend ist künftig, den Empfänger einzubinden und die Belieferung in dessen Tages-, Wochen- und Lebensabläufe zu integrieren. Damit machen wir schon gute Erfahrungen und die Akzeptanz solcher Services ist hoch. Im nächsten Schritt gilt es, die Bewegungsprofile der Empfänger in der Stadt mit den Warenströmen zu verknüpfen, indem wir unsere Paketshops beispielsweise an den ÖPNV anbinden. Es macht ja wenig Sinn, dass wir Verkehre vermeiden, wenn die Adressaten ihre Sendungen dann mit dem eigenen Pkw abholen. Mit Dematic testen Sie die vollautomatische Paketverladung. Mit welchem Ziel? Verringern wir manuelle Tätigkeiten im Depot, können sich die Zusteller auf ihre Kerntätigkeit konzentrieren. Die Technologie dafür ist noch nicht voll ausgereift. Was wir schon sehen, ist, dass der Platzbedarf immens ist und dass der Mensch immer noch cleverer und schneller arbeitet. In früheren Projekten mit Beladerobotern war der Abstand allerdings größer - hier passiert eine Annäherung. In Kürze will DPD in Hamburgs Zentrum emissionsfrei zustellen. Klappt das? In diesem Projekt verdichten wir, was wir aus anderen Projekten mit Vorserienmodellen gelernt haben. Der Vorteil in Hamburg ist, dass wir ein Depot im Stadtgebiet betreiben. Anfangs ersetzen wir bis zu elf Zustellfahrzeuge durch E-Transporter. Zwar ist in dem Gebiet auch noch ein konventioneller 7,5-Tonner unterwegs, aber diesen können wir noch nicht austauschen - wir suchen noch das passende Fahrzeug. Entscheidend ist auch die Ladeinfrastruktur. Viele unserer Zustellpartner haben keinen Betriebshof. Und die öffentliche Ladeinfrastruktur ist nicht für uns reserviert. Nachts dürfen unsere Partner daher auf unserem Depotgelände ihre E-Transporter laden, wobei wir sicherlich nur für einen Teil unserer Flotte eigene Ladesäulen aufstellen können. Was ist nötig für eine flächendeckende E-Mobilität in Städten? E-Transporter haben zwei Nachteile: Reichweite und maximale Zuladung beschränken sich gegenseitig. Es hilft uns mittelfristig, wenn wir auch Haltezeiten zum Zwischenladen nutzen können. Sinnvoll wäre es, Ladezonen mit Ladesäulen auszustatten. Generell müssen wir Hürden wie die Verfügbarkeit der Ladeinfrastruktur abbauen, um eine flächendeckende E-Mobilität zu erreichen. Als Unternehmer will ich keine Einschränkungen, wenn ich investiere. Ein Beispiel ist auch, dass Zustellfahrzeuge immer mehr aus Fußgängerzonen verdrängt werden - eine Folge der Sicherheitsdebatte in den vergangenen Jahren. Wie stellt sich DPD im wachsenden Online-Lebensmittelversand auf? In Frankreich, wo wir kürzlich einen Spezialdienstleister übernommen haben, gestaltet sich der Online-Lebensmittelhandel völlig anders als hierzulande. In Deutschland bieten wir mit DPD Food einen flächendeckenden Service. Hier versenden wir die Pakete, etwa Kochboxen, in unserem normalen System, ausgestattet mit einer passiven Kühlung. Wir müssen hier extrem schnell sein. Da hier besondere Auflagen und Vorgaben gelten, ist das ein sehr anspruchsvolles Geschäft. Was sind Zukunftsthemen für DPD? Schon heute bieten wir etwa die Alexa-Integration, um den Paketstatus per Sprachsteuerung abzufragen. Drohnen und Zustellroboter sind aber kontraproduktiv, weil sie Verkehre nicht reduzieren, sondern kleinteiliger machen. Daher eignen sich diese Technologien nicht für die Fläche, sondern eher als On-Demand-Lösung im Nischengeschäft wie bei Convenience-Produkten. Wie sieht der Zustellerjob künftig aus? Eine weitere Automatisierung der Paketzustellung wird kommen. Die menschliche Arbeitskraft werden wir aber auch langfristig noch brauchen - allein schon wegen der demografischen Entwicklung. Deshalb beschäftigen wir seit Kurzem auch selbst Zusteller. Mit moderner Technik können wir unsere Arbeitsplätze aber attraktiver machen. In einem Projekt mit mehreren Hochschulen und einem Automobilhersteller erproben wir beispielsweise derzeit ein autonomes Fahrzeug, das eigenständig zu einem definierten Punkt fährt, an dem der Zusteller wartet - so kann er sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Dabei entfallen unnötige Anfahrts- und Arbeitswege: Im Moment verbringen unsere Zusteller nämlich den Großteil ihrer Arbeitszeit im Stau oder bei der Parkplatzsuche. Das Gespräch führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Anja Kiewitt Zur Person: Gerd Seber Gerd Seber ist bei DPD seit vielen Jahren verantwortlich für zahlreiche Themen und Projekte im Bereich Nachhaltigkeit und Innovation. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Logistikbranche: Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Berlin war er ab 1996 in verschiedenen Positionen für DHL Worldwide Express GmbH tätig, zuletzt im Bereich Industrial Engineering. Nach seinem Wechsel zu DPD Deutschland im Juli 2004 arbeitete er mit seinem Team zunächst an operativen Themen wie Prozess- und Tourenoptimierung. Seit 2006 begleitet Gerd Seber das Nachhaltigkeitsmanagement bei DPD. In der neu geschaffenen Position des Sustainable Development Managers berät er seit 2011 die Geschäftsführung zu Themen der Nachhaltigkeit. Als Group Manager City Logistics & Sustainability begleitet er aktuell zahlreiche interdisziplinäre Projekte bei DPD Deutschland. akw

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