HVO - Weg zur CO2-Neutralität

Skeptiker der E-Mobilität propagieren seit Längerem erneuerbare Kraftstoffe auf nicht-fossiler Basis. Allerdings befriedigt die Produktion sogenannter E-Fuels als Substitut von Ottokraftstoff ebenso wenig den nötigen Bedarf, wie es aktuell die Ladeinfrastruktur kann. Sofort verfügbar ist dagegen HVO100, ein paraffinischer Dieselkraftstoff, gewonnen aus der Hydrierung von Abfällen und Reststoffen. HVO - teurer, aber lieferbar Inzwischen ist ein flächendeckender Einsatz möglich, die Zahl an Tankstellen, die HVO anbieten, wächst. Trotzdem stellen sich potenzielle Anwender die Frage, ob sich der neue Kraftstoff problemlos in handelsüblichen Lkw einsetzen lässt - was die inzwischen vorliegenden Freigaben vieler Lkw-Hersteller schon mal grundsätzlich belegen. Um darauf eine finale Antwort zu finden, hat die Porsche AG mit dem Logistik-Dienstleister Lila Logistik einen Praxistest durchgeführt. Initiator war das KIT, das für sein Projekt "Refuels - Kraftstoffe neu denken" auf der Suche nach Partnern für einen Dauerlauftest war. Das KIT war nicht nur Initiator, sondern hat das Projekt auch wissenschaftlich begleitet (refuels.de). Praxistest statt Labor Untersucht wurde eine reale Logistikanwendung, die Aussagen zum Alltagsgebrauch zulässt und außerdem die Vergleichbarkeit zu einer Betankung mit herkömmlichem Tankstellendiesel sicherstellte. Das wurde über den Einsatz mehrerer parallel aktiver und unterschiedlicher Lkw-Paare erreicht, die mit HVO100 respektive Diesel betankt wurden. Abgesichert wurden die Ergebnisse durch detaillierte Analysen des Motoröls aller am Test beteiligten Fahrzeugkombinationen. Grundsätzlich stand für Porsche im Vordergrund, dass das eingesetzte HVO ausschließlich aus organischen Rest- und Abfallstoffen sowie aus rückverfolgbaren Quellen stammt. Seit 2023 haben die Produktionsstätten aller großen europäischen HVO-Hersteller auf entsprechende ökologische Rohstoffe umgestellt. In der wissenschaftlichen Ausarbeitung kommen die beteiligten Partner zum Ergebnis, dass "die relevanten unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften dieser Dieselkraftstoffe eine leicht verringerte gravimetrische Dichte sowie eine etwas höhere Cetanzahl im Vergleich zu fossilem Diesel" aufweisen. Um die Ergebnisse auf eine solide Basis zu stellen, setzten Lila Logistik und die Porsche-Logistikabteilung bis zu fünf Versuchspaare von jeweils zwei baugleichen Lkw mit vergleichbaren Lasten auf der gleichen Strecke und am gleichen Tag ein und analysierten die Ergebnisse. Im Laufe der Projektphase kamen sieben weitere HVO-betriebene Fahrzeuge hinzu. Übrigens kommen in der Logistik von Porsche zur Vermeidung von CO2e-Emissionen unter anderem auch Lang-Lkw, diverse Schienentransporte sowie Gas (Bio-CNG/Bio-LNG)- und Elektro-Lkw zum Einsatz. Porsche und der Weg zur CO2-Neutralität Die Logistik der Porsche AG ist bestrebt, vorhandene Potenziale zur CO2e-Reduktion auszuschöpfen. Zahlreiche Dekarbonisierungs- und Defossilisierungs-Maßnahmen werden kontinuierlich identifiziert und umgesetzt. An erster Stelle stehen in der Logistik Maßnahmen zur Vermeidung von CO2e-Emissionen. Ein konkretes Beispiel für die Umsetzung ist der Einsatz von sogenannten Lang-Lkw für die Materialanlieferung (Inbound-Logistik) und den Fertigfahrzeugtransport (Outbound-Logistik) oder der Einsatz der Schiene mit Strom aus erneuerbaren Quellen anstelle von Lkw. Durch den Einsatz größerer Transportträger für ein zu transportierendes Volumen können Fahrten vollständig eingespart werden. An zweiter Stelle stehen Maßnahmen zur Reduzierung der CO2e-Emissionen in der ein- und ausgehenden Transportkette. Konkret kann dies sowohl den Einsatz nachhaltigerer Kraftstoffe (Biogas statt fossilem Gas; Refuels statt Diesel B7) als auch den Einsatz alternativer Lkw-Antriebstechnologien (z. B. Elektro, Brennstoffzelle etc. statt Diesel) bedeuten. Pärchen von MAN und Scania Das HVO-Ausdauerprojekt startete 2020 mit den ersten Vergleichspaaren. Alle Tests wurden mit konventionellen Low-liner-Sattelzugmaschinen des Typs S410 von Scania sowie den Typen TGX 18.510, 18.430 und TGX 18.400 von MAN im Linienbetrieb bei Lila Logistik durchgeführt. Um alle Aspekte des realen Lieferverkehrs abzubilden, wurden folgende unterschiedliche Routen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gefahren: - Autobahnabschnitt - "Standard"-Produktionsmaterial Shuttle-Service zwischen den Standorten Ottmarsheim und Zuffenhausen. Länge: 70 Kilometer, davon 60 Kilometer auf der Autobahn. Durch das zu verladende Gut ergab sich eine mittlere Belastung für die Fahrzeuge. - Überlandfahrt - Produktionsmaterial "zeitkritisch" Shuttle-Service von Ottmarsheim über Mark-Gröningen und Zuffenhausen nach Ottmarsheim. Länge 85 Kilometer. Kein Autobahnbetrieb. Leichte Ladung, Just-in-Sequence-Lieferungen. - Kurzstrecke - "Standard"-Produk-tionsmaterial Kurzer Shuttle-Service zwischen Kornwestheim und Zuffenhausen. Länge: zehn Kilometer. Hoher Anteil an Stadtverkehr und Mehrschichtbetrieb. Sondereinflüsse ausschließen Das gesamte Testverfahren wurde mit einem annähernd gleichen Mix aus Gebraucht- und Neufahrzeugen durchgeführt, um mögliche Sondereinflüsse durch Neufahrzeuge auszuschließen. Als Kraftstoff kam MY Renewable Diesel der finnischen Firma Neste zum Einsatz. Dieser erfüllt die Anforderungen der Kraftstoffnorm DIN EN 15940:2023 für paraffinische Dieselkraftstoffe und kann die Treibhausgas-Emissionen (THG oder CO2e) über den Lebenszyklus des Kraftstoffs im Vergleich zu Diesel B7 um bis zu 90 Prozent reduzieren. Nach Angaben von Neste ist der Kraftstoff voll kompatibel mit allen Dieselmotoren und der bestehenden Vertriebsinfrastruktur und kann in seiner reinen Form verwendet werden, ohne dass Änderungen an den Dieselfahrzeugen oder -motoren erforderlich sind. Volvo Trucks, Scania, Mercedes-Benz, DAF und MAN haben reines HVO für den Einsatz zugelassen. Die hohe Cetanzahl sorgt für eine effiziente und saubere Verbrennung. Neste MY Renewable Diesel hat nach Angaben des Herstellers eine gute Kältebeständigkeit bis mindestens minus 22 Grad Celsius. Darüber hinaus ist dieser Kraftstoff frei von Schwefel. Nach Beendigung des Forschungsprojekts wurden Strecken von rund 1,6 Millionen Kilometern gefahren. Allein im Betrachtungszeitraum Januar 2021 bis April 2023 waren es rund 800.000 Kilometer. Bei der Mittelung der erfassten Werte für die einzelnen Fahrzeugpaare fällt auf, dass der Durchschnittsverbrauch der mit HVO betankten Fahrzeuge leicht unter dem Verbrauch der mit Diesel B7 betankten Fahrzeuge liegt. Das Projektteam führt den geringeren Verbrauch unter anderem darauf zurück, dass sich die Fahrer bewusst sind, einen ökologischen Kraftstoff zu verwenden, und bewusster fahren. Konstanter Minderverbrauch Am Beispiel des Testpaares der beiden Scania "Alfons" und "Anna" ist eine leichte Verbrauchsreduktion über alle Monate konstant. Das bedeutet, dass einmalige, stark abweichende Ereignisse auf den Verbrauch ausgeschlossen werden können, ebenso wie Temperatur und klimatische Einflüsse. Die Schwankungen des Kraftstoffverbrauchs im Laufe des Jahres wurden durch Verkehrssituationen, Baueinflüsse und das Fahrerverhalten beeinflusst. Als starker Indikator für ein mehr oder weniger zurückhaltendes Fahrprofil zählt das Flottenmanagementsystem die Ereignisse, die als sogenannte starke Beschleunigung bezeichnet werden. Diese Ereignisse beschreiben den Einsatz des Fahrzeugs in den Kennfeldbereichen, die einer deutlich stärkeren Beschleunigung entsprechen. Diese Ereignisse werden jedoch selbst stark vom Verkehr beeinflusst. Fahrten mit viel Baustellenverkehr führen zu einer Häufung dieser Ereignisse. Das analysierte Motoröl ist eine Art Sensor und reagiert auf alle Verbrennungs-Veränderungen, die durch den Kraftstoff verursacht werden. Zur Analyse wurden zwei repräsentative Fahrzeugpaare ausgewählt, mit dem Ziel, möglichst viele Einsatzparameter zu repräsentieren. Dazu wurden in drei Abständen Proben entnommen und im zertifizierten Öllabor untersucht. Das Ergebnis: Weder der Wassergehalt noch die Kraftstoffverdünnung lagen außerhalb der üblichen Bereiche - es gibt keine kraftstoffbedingten Auffälligkeiten. Auch die Rußablagerungen lagen auf einem sehr niedrigen Niveau und weisen auf eine normale Verbrennung und Rußemissionen hin. Positives Fazit Der Fachbereich Logistik von Porsche kommt ergo zum Resümee: "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Ergebnis des Dauerlaufs in der realen Anwendung eines Spediteurs darin besteht, dass die im täglichen Logistikbetrieb analysierten Fahrzeuge die Möglichkeit bestätigt haben, HVO-Kraftstoff als Instrument zur signifikanten Reduzierung von Treibhausgasen zu verwenden."