München. Das Global Logistics Emissions Council (GLEC) will den Dschungel in der Klimabilanzierung lichten. Die neu gegründete Organisation strebt für die CO2-Berechnung in der Logistik einen weltweit gültigen Standard an. „Das GLEC ist das Gremium, in dem der nächste Weltstandard für Emissionsberechnung entwickelt wird“, fasst Andrea Schön, die GLEC-Vertreterin von DB Schenker Logistics die Mission zusammen. Konkret heißt das: GLEC will Frachtführern, Verladern und Logistikdienstleistern eine Methode an die Hand geben, mit der sie Emissionen berechnen und zusammenfassen können.
Im Dschungel der Berechnungsmethoden
Welche Logistik ist grüner – meine oder deine? Diese Frage lässt sich in der Praxis oft nicht leicht beantworten. Das Kernproblem: Immer mehr Dienstleister berechnen zwar, wie viel Treibhausgas bei einem Transport entsteht, doch jeder tut es auf seine Weise. Das macht für Verlader einen Vergleich nahezu unmöglich. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass mit der DIN EN 16258 seit vorletztem Jahr ein einheitlicher Standard zur Berechnung von Kohlendioxid-Emissionen vorliegt. „Die Norm bietet teils große Spielräume, zum Beispiel bei Annahmen zum Lkw-Verbrauch in der Fremdvergabe“, erklärt Patric Pütz, Experte für Klimabilanzierung bei Deutsche Post DHL in Bonn. Er gehört zu einer Gruppe von Fachleuten, die die Unsicherheit bei der Klimabilanzierung beenden wollen: Sie haben sich im GLEC zusammengeschlossen, einer Organisation mit 40 Mitgliedern, in der Logistikkonzerne, wissenschaftliche Institute, Berater und Experten vertreten sind. Vonseiten der Logistikdienstleisterschaft sind neben Deutsche Post DHL auch DB Schenker, Kühne + Nagel und TNT sowie die beiden Reedereien Hapag Lloyd und Maersk Mitglied in dem im vergangenen Jahr ins Leben gerufenen Council.
Darüber hinaus soll ein Standardformat definiert werden, in dem der Frachtführer diese Informationen an Dritte weitergibt. Die Idee ist, dass ein Logistikdienstleister am Schluss einfach die Emissionen eines Transports von Tür zu Tür aufaddieren kann, ganz egal, wie viele Subunternehmen oder Verkehrsträger an der Kette beteiligt waren. „Auf der Rechnung für den Kunden wird zusammen mit der Transportleistung dann eine einheitlich berechnete Gesamt-emission ausgewiesen“, so Schön über die Vision.
Bestehende Methoden integrieren
Genau diesen will GLEC schaffen, allerdings ohne das Rad unnötig neu zu erfinden. „Überall, wo fertige Ansätze existieren, werden wir sie übernehmen beziehungsweise so gut es geht integrieren“, betont Schön, die bei DB Schenker Logistics für das Thema Emissionskontrolle und Beratung zuständig ist. Ins Regelwerk aufgenommen werden soll zum Beispiel die Logik der DIN EN 16258 sowie die Methodologie der Clean Cargo Working Group (CCWG), mit der Reeder je nach Handelsroute die Emissionen von Containerschifftransporten kalkulieren können. Und was ist, wenn sich schon existierende Ansätze widersprechen? „Wie der Entscheidungsprozess läuft, wissen wir noch nicht“, räumt Schön ein, „wir werden versuchen, einen maximalen Konsens zu erzielen.“
Bis erste konkrete Ergebnisse auf dem Tisch liegen, vergehen noch mindestens zwei bis drei Jahre. Was kommt danach auf die Branche zu? „Wir werden alle Spediteure ab einer mittleren Größe nach Verbrauchsfaktoren fragen“, kündigt Expertin Schön an. Damit sind jedoch nicht die konkreten Verbräuche pro Fahrzeug gemeint, sondern Durchschnittswerte. Das Ergebnis wäre einerseits eine Zahl, die DB Schenker Logistics zeigt, wie umweltschonend ein Dienstleister arbeitet; andererseits würde der Faktor keinen direkten Rückschluss auf vertrauliche Zahlen aus dem laufenden Geschäft ermöglichen. Hier werde das GLEC für Klarheit sorgen, hofft Ehrler.
Wirtschaft muss Führung übernehmen
Einige Insider kritisieren das starke Gewicht der Wirtschaft im Rat. Auf den ersten Blick scheint das Gremium zwar ausgewogen besetzt zu sein – unter anderem mit Experten aus dem Fraunhofer IML – doch letztendlich hätten die Großen wie DHL oder Schenker das Sagen, lautet der Vorwurf. Wissenschaftlerin Ehrler schließt sich dieser Kritik nicht an. Sie meint, dass die Industrie sogar in die Führungsrolle gehen müsse. „Wir brauchen eine praktikable Lösung – und nur Praktiker wissen, was realistisch ist.“ Solange das GLEC am Schluss „neutrale Auswerter“ aus der Wissenschaft mit einbeziehe, sei an dem Verfahren nichts auszusetzen, meint Ehrler. (cg/ks)