Berlin. Die Pkw-Maut für Deutschlands Straßen hat die letzte nationale Hürde genommen. Bundespräsident Joachim Gauck unterzeichnete das umstrittene Gesetz, wie das Präsidialamt am Montag in Berlin mitteilte. Das von Bundestag und Bundesrat bereits verabschiedete Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe kann damit in Kraft treten. Das gilt auch für die damit verbundene Senkung der Kfz-Steuer.
Allerdings gibt es weiterhin europarechtliche Bedenken gegen das Vorhaben. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eine rechtliche Prüfung angekündigt, sobald das Gesetz in Kraft ist. Im schlimmsten Fall droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.
„Der Weg scheint vorgezeichnet“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Juncker habe ganz klar gemacht, dass Brüssel eine Diskriminierung von Ausländern auf deutschen Straßen nicht hinnehmen werde.
Benachteiligung von Bürgern anderer Staaten
Die EU-Kommission kritisiert, dass die deutsche Maut letztlich nur ausländische Fahrer zahlen sollen, weil Inländer den Plänen zufolge ihr Geld über eine Senkung der Kfz-Steuer zurückbekommen. Das EU-Recht untersagt aber die Benachteiligung von Bürgern anderer Staaten. Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums bringt die Maut nach Abzug der Kosten jährlich 500 Millionen Euro ein.
Sollte der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof landen, könnten bis zu einem Urteil zwei Jahre vergehen. Bis dahin könnte die Pkw-Maut jedoch wie geplant im Laufe des Jahres 2016 erst einmal starten.
Nach Angaben der EU-Kommission wird die offizielle Entscheidung über die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahren frühstens am Mittwoch kommender Woche getroffen und dann am nächsten Donnerstag veröffentlicht. Voraussetzung ist allerdings, dass die von Gauck unterschriebenen Maut-Gesetze bis dahin im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden.
Erster Schritt: Mahnschreiben
Nach Angaben aus EU-Kreisen würde Deutschland in dem Verfahren vermutlich zunächst ein Mahnschreiben zugestellt werden. Innerhalb von acht Wochen müsste die Bundesregierung dann zu den Vorwürfen Stellung nehmen beziehungsweise diese aus der Welt räumen. Sollte es keine Einigung geben, wäre eine Klage gegen Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg der nächste Schritt.
Erst vor wenigen Tagen war ein möglicher Kompromiss mit Brüssel bekanntgeworden. Die EU-Kommission hat nach Angaben aus Verhandlungskreisen vorgeschlagen, die Maut nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise einzuführen, etwa zunächst nur auf Transitstraßen und erst später in Ballungsräumen. Dadurch würden auch Maut-Start und Absenkung der Kfz-Steuer voneinander entkoppelt. Das Verkehrsministerium hatte jedoch stets betont, die vorgesehene Regelung sei ohnehin europarechtskonform. Aus EU-Kreisen hieß es am Montag, derzeit gebe es keine offenen Gesprächskanäle.
Der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens prognostizierte in einer Stellungnahme einen langen Streit. „Gaucks Unterschrift markiert nicht das Ende der Mautdebatte, jetzt fängt die Auseinandersetzung erst richtig an“, so der Obmann der Fraktion im Verkehrsausschuss des Bundestages. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) werde es nun bald schwarz auf weiß haben, dass seine Maut gegen EU-Recht verstoße. (dpa)