Ganz groß gespart

Die Wikinger haben die Gruben und Großbaustellen für Invasionen entdeckt. Dort wollen sie mit schwerem "Standardgerät" Dumpern Arbeit abtrotzen. Wie das in einem deutschen Schotterwerk aussehen kann, zeigt exemplarisch ein Scania P450CB10x4*6 EHZ, der auf der IAA im Meiller-Pavillon stand und ab März 2017 im Schotterwerk Mayer in Mötzingen zum Einsatz kommt. Hauptvorteil des Scania mit zusätzlicher 12-Tonnen-BPW-Lenkachse gegenüber dem vorher eingesetzten Dumper sind die Kosten. Denn der Inhaber des Schotterwerkes, Hans-Martin Kübler, bezahlte für den Scania nur gut die Hälfte eines Dumpers. Zudem sind bei den Baumaschinen Verschleiß- und Ersatzteile teurer. Zumal alle Komponenten sowohl bei Scania als auch bei BPW und Meiller aus der Serienfertigung stammen und Scania-Händler Knirsch das Fahrzeug als "Serienmodell" in den Teilelisten führt. Gut, in ganz hartem Gelände kann er mit den soliden Baumaschinen nicht mithalten, dafür schafft er mit 24 Kubikmeter Ladevolumen und 44 Tonnen Nutzlast pro Umlauf deutlich mehr Material weg. Laut Kübler passen Nutzlast und Volumen für die Transportaufgaben im Schotterwerk sehr gut zusammen. An die Dumper-Laufzeiten von rund 20.000 Stunden wird der "Greif" nicht ganz herankommen, doch Kübler plant rund 17.000 Stunden, was kostenseitig interessant bleibt. Im Alter werden alle Fahrzeuge zu Spardosen. Im Alltagseinsatz der internen Grubenlogistik setzt er pro Tour 60 bis 64 Tonnen Gesamtgewicht an. Ein weiterer Vorteil ist die mögliche Straßenzulassung des Scania: Ersetzt man die hinteren Zwillinge (die für 2,7 Meter Überbreite sorgen und in der Grube 44 Tonnen Nutzlast ermöglichen) gegen Einzelbereifung, kann man den dann 2,55 Meter schmalen Lkw auf eigener Achse überall hin überführen. Mit zwei Mann ist der Umbau in einer guten halben Stunde erledigt, wie Händler Andreas Knirsch am Ende der Jungfernfahrt in der Grube demonstriert (siehe Kasten). Die Jungfernfahrt erfolgt mit Überlast Zu Beginn der Probefahrt im Schotterwerk Meyer erklettert der Scania-Händler das riesige "FOPS"-Schutzdach über der 24-Kubik-Meiller-Heavy Classic H550-Kippmulde, das die P-Kabine schützt. Von dort aus weist er den Radladerfahrer trotz voller Mulde an, noch ein Schäufelchen draufzupacken. Dann geht es auf die Waage, die leider bei 60 Tonnen aussteigt. Also müssen Vorder- und Hinterachsen separat gewogen werden: 70 Tonnen addieren sich aus den Achslasten ... doch die gut zehn Prozent Überlast muss das Fahrzeug laut Knirsch abkönnen, das er zur Jungfernfahrt gleich mal in die Hölle schickt: Hinab in den rund 100 Meter tiefer liegenden Grund des Schotterwerkes. Die Trommelbremsen unterstützt dabei die Scania-Motorbremse. Auf einen Retarder hat Knirsch verzichtet, weil beim geplanten Einsatz nie genug Kardanwellendrehzahl anliegt. Und so tastet sich das Monster die stellenweise bis zu 16 Prozent steile schlammige Rampe talwärts. Im zweiten Gang "manuell", hat der Fahrer den linken Fuß immer fest auf den archaischen Motorbremsknubbel gestellt, während der rechte beibremst. Denn bei der schieren Masse im Gefälle brauchen die 256 Kilowatt der Scania-Motorbremse trotz hoher Drehzahlen immer wieder die Hilfe der Trommeln. Im Automatikmodus würde der Schwede wegen hoher Drehzahlen bald größere Gänge aufsuchen und dann mehr oder weniger ungebremst gen Grube donnern. Ergebnis: Der P packt auch 70 Tonnen Womit Knirsch einsatzseitig den "worst case" abgeprüft hat. Selbst überladen schafft der P 450 das steilste Stück beim Kunden problemlos. Unten wird dann gewendet: Trotz BPW-Nachlauflenkachse braucht der Riese hier etwas Platz. Wer übrigens glaubt, im Stand noch am Lenkrad drehen zu können, irrt: Dann geht hier wie bei servolosen Urgesteinen gar nichts mehr. Also immer in Fahrt bleiben und mit möglichst viel Schwung zurück wieder bergan stechen. Dort heißt es dann: zweiter Gang und Vollgas! Der D13-Sechszylinder gibt jetzt Alles und benötigt dafür laut Bordrechner 830 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Und so kämpft er sich zurück auf das Plateau. Dann wird abgekippt, was aufgrund der schieren Größe und des hohen Gewichtes der Mulde gut 50 Sekunden dauert. Immerhin kann der Hebel des Kippventils hier über einen Rastpunkt auf Dauerstellung gebracht werden und man muss ihn nicht ständig festhalten. Stattdessen kann man sich auf das Vorziehen konzentrieren. Sogar mit 10x4: kompaktes Fahrgefühl Fürs Absenken braucht die massive Brücke keine zwanzig Sekunden und leer wird der rund 20 Tonnen wiegende P 450 fast zum "Kompaktwagen", wie Knirsch behauptet. Dabei hilft dem "P450" das Scania-typisch präzise Lenkgefühl samt ordentlicher Federung. Trotz seiner Riesen-Abmessungen fährt sich der Fünfachser P 450 fast so kompakt wie ein 8x4. Opticruise findet immer die passenden Gänge und überzeugt beim Anfahren "auf Zug" durch schnelle Schaltvorgänge. So schicken wir den Greif abermals hinab in die Grube, wobei diesmal die Motorbremse genügt, um den P gut im Zaum zu halten. Beim Wenden schiebt er prinzipbedingt und wegen des weichen Bodens stark über die Vorderräder. Dann geht es wieder in die 16-Prozent-Steigung, deren schlammiger Untergrund die Traktion schnell schmälert. Hier kosten die zusätzlichen Hinterläufe viel Achslast und damit auch Traktion. Entsprechend langsam und mit scharrenden Hufen kriecht der Minenarbeiter jetzt bergan. Ohne Fracht sollte man die Bodenbeschaffenheiten in der Grube also gut kennen! Dass der Wikinger, der den Dumper ablöst, deshalb nicht jeden Winkel der Grube anfahren wird, kann Hans-Martin Kübler angesichts des Preis- und Volumenvorteils leicht verschmerzen. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Hintergrund So wird aus dem Minenmonster ein braver Straßenkipper Mit einem Mitarbeiter demonstriert Andreas Knirsch die Verwandlung des P 450 vom Minenspezialisten zum Straßenkipper:- Anheben der hinteren Achsen- Demontage der Zwillinge- Montage der Einzelbereifung- Demontage der Spritzschutzverbreiterung an der Kippbrücke- Einschieben der hinteren Kotflügel Für den P 450 sieht Knirsch vor allem zwei Einsatzgebiete:- Intern genutzter Dumperersatz ohne Zulassung, sofern das Gelände befestigte Wege aufweist- Einsatz auf Großbaustellen mit befestigten Wegen, danach Überführung zum nächsten Projekt auf eigener Achse - interessant vor allem, wenn die Bauprojekte sich nur über kurze Zeiträume erstrecken gs

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