Fressen die Großen die Kleinen?

In der Transportbranche gilt das Thema Nachfolge als besonders heikel. Denn die im Vergleich zu anderen Branchen eher schwachen Renditen wirken abschreckend, ist immer wieder zu hören. Viel Arbeit, wenig Ertrag: Mit dieser Formel lassen sich potenzielle Kandidaten nur schwer überzeugen. Immer häufiger versuchen daher Eigentümer im Straßengüterverkehr, ihren Betrieb zu verkaufen. So lassen sich die Zahlen des BAG (Bundesamtes für Güterverkehr) deuten. Seit 2005 sinkt die Zahl der registrierten Güterkraftverkehrsunternehmen. Waren es 2005 noch 55.797, sind zehn Jahre später nur noch 45.051 Unternehmen aktiv. Steffen Wagner, globaler Leiter des Transportsektors bei der Unternehmensberatung KPMG, beobachtet schon seit Jahren den Markt für Unternehmenstransaktionen im Logistiksektor. Er hat festgestellt, dass es im Straßengüterverkehr überdurchschnittlich viele Verkäufe gibt im Vergleich zum gesamten Logistikmarkt. Neben finanziellen Gründen (aufgrund schlechter Ertragslage legen die Banken den Eigentümern mitunter einen Verkauf nahe) sei in vielen Fällen eine nicht geregelte Nachfolge Auslöser solcher Überlegungen. "Immer wieder ist keiner in der Familie oder aus dem Management bereit oder in der Lage, das Unternehmen zu übernehmen", sagt Wagner. Hinzu komme, dass die Anforderungen gerade auch an die kleineren Betriebe zunehmen: "Die Erwartungen der Kunden an die Integration von Logistikketten, an Flexibilität und Transparenz steigen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind zum Teil umfangreiche Investitionen wie in die IT erforderlich, was für viele kleine Unternehmen angesichts niedriger Margen eine Herausforderung darstellt." Daher verlieren laut BAG-Statistik kleine Unternehmen mit bis zu drei Fahrzeugen an Bedeutung (siehe Grafik links). Stark zugenommen haben in dieser Zeit indes Unternehmen mit 11 bis 50 Fahrzeugen von 13,5 auf 19,1 Prozent. Dieser Konzentrationsprozess wird auch bestätigt durch die Zahlen, die der BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung) gegenüber der VerkehrsRundschau kommuniziert. Demnach hat sich von 2017 auf 2018 die Anzahl der gemeldeten Fahrzeuge pro BGL-Mitgliedsunternehmen um 3,2 Prozent erhöht und von 2018 auf 2019 um weitere 3,0 Prozent. Nach Ansicht von Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL, spielt der Generationswechsel bei dem Konzentrationsprozess eine große Rolle. Er widerspricht jedoch der These, dass nur die schlechten Margen die Ursache sind. "In einigen Segmenten ziehen die Margen wieder an", sagt Engelhardt. "Die Probleme sind eher die fehlende Akzeptanz, die schlechte Wahrnehmung der Branche in der Öffentlichkeit, der Fahrermangel, der schlechte Zustand der Infrastruktur und die fehlende Planbarkeit der Verkehre", zählt er eine Reihe von Rahmenbedingungen auf, warum potenzielle Kandidaten die Firmenübernahme ablehnen. Geht den "Kleinen" das Geld aus? Wie geht es nun weiter mit der Konzentration im Markt? Nimmt die weiter zu, auch weil es keine Nachfolger gibt? "Im Moment deutet alles darauf hin, dass diejenigen Marktteilnehmer, die große, integrierte Einheiten bilden und dabei einen verlässlichen Zugriff auf physische Transportkapazitäten gewährleisten können, am besten positioniert sind", geht Wagner davon aus, dass sich der Trend fortsetzt. Ein Trumpf für die kleinen Unternehmen sei ihr Zugang zum Fahrer. "Was aber bleibt, ist die Frage nach der Innovationskraft", gibt Wagner zu bedenken. Man wisse beispielsweise nicht, in welche Richtung die Regulierung im Klimaschutz geht. Gehe damit womöglich ein höherer Investitionsbedarf für Lkw einher? Spätestens dann sei die Zeit für viele kleine Anbieter gekommen, weil sie das einfach nicht aus eigener Kraft stemmen könnten. Engelhardt hingegen geht davon aus, dass der Konzentrationsprozess so langsam seinen Höhepunkt erreicht hat: "Mit der Umsetzung des Mobilitätspakets und dem Anziehen der Konjunktur wird der Trend ein Ende haben." Dann, so seine Prognose, werde der Generationsübergang wieder einfacher und würden auch neue Teilnehmer mit kleineren Einheiten wieder in den Markt eintreten. Der BGL-Vorstand geht aber davon aus, dass das Segment "Unternehmen mit zehn bis 30 Fahrzeuge" am stärksten zunehmen wird. "Das ist eine gute Größe, mit der man ausreichend flexibel ist, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden." Engelhardt fürchtet nicht, dass große Player wir Girteka oder Waberer`s künftig das Marktgeschehen ausschließlich beherrschen werden. "Diese Unternehmen haben demnächst ihren Höhepunkt erreicht, wenn das EU-Mobilitätspaket kommt und die Lkw alle acht und die Fahrer alle vier Wochen nach Hause müssen." Trotzdem werde sich die Zahl der Unternehmen im Straßengüterverkehr noch verringern. "Ich denke, dass es 2020 etwa 40.000 Unternehmen in Deutschland geben wird und die Jahre danach ein leichter Rückgang zu beobachten sein wird. Aber spätestens bei etwa 35.000 Unternehmen ist die Grenze erreicht", so seine Prognose. Mehr zum Thema finden Sie unter #MarktfürSpedition www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Viele Eigentümer von Güterkraftverkehrsunternehmen tun sich schwer damit, einen Nachfolger zu finden. Auch das ist ein Grund, warum der Konzentrationsprozess im Markt anhält. Stoppen könnten diesen Trend neue gesetzliche Rahmenbedingungen.

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