Brindisi. Mehr als eine Woche nach dem Fährunglück der Norman Atlantic vor der Küste Griechenlands, ist der Frachtraum des inzwischen ins italienische Brindisi geschleppten Wracks noch immer nicht zugänglich. Die Temperatur an Bord des Autodecks ist nach Einschätzung der italienischen Feuerwehr weiterhin zu hoch, das Feuer nicht komplett gelöscht. Noch immer dringt Rauch aus dem Schiffsrumpf. Unklar bleibt deshalb, ob es weitere Opfer an Bord des Fährschiffes gibt. Bestätigt hingegen ist der Tod zweier italienischer Kraftfahrer, die mit einem Kollegen an Bord der „Norman Atlantic“ waren.
Die drei Männer waren nach italienischen Medienberichten für das Unternehmen „EuroFish“ im Einsatz, sollten rechtzeitig zu den Silvesterfeierlichkeiten eine große Ladung Aale nach Italien transportieren. Aufgrund logistischer Probleme hatten sie die eigentlich vorgesehene Fähre jedoch nicht erreicht, mussten dann auf die Verbindung mit der „Norman Atlantic“ zwischen Igoumenitsa und der Adria-Stadt Ancona ausweichen. Zwei der Männer, 32 und 34 Jahre alt, hatten es zunächst auf ein Rettungsboot geschafft, starben jedoch an Unterkühlung. Ihr 55-jähriger sizilianischer Kollege gilt offiziell als vermisst. Möglich ist auch, dass sich weitere Kraftfahrer unter den Opfern befinden. Nach Zeugenangaben sollen sich mehrere der LKW-Fahrer zum Schlafen auf das Autodeck zurückgezogen haben, werden dort noch in ihren Schlafkojen vermutet.
Erste Vermutungen, wonach eine verrutschte Ladung Olivenöl zu einem Funkenflug auf dem Autodeck geführt haben könnte, wurden von der Staatsanwaltschaft zu keiner Zeit thematisiert. Genaue Erkenntnisse zur Brandursache könne es erst geben, so betonten die Ermittler, wenn die Feuerwehr sich Zugang zum Autodeck verschafft habe. Nicht ausgeschlossen sind die Theorien, dass ein Kurzschluss in einem der abgestellten Fahrzeuge oder an Bord vermutete illegale Einwohner, die sich mit einem selbst entfachten Feuer wärmen wollten, zu der verheerenden Brandkatastrophe geführt haben könnten. Die im Schiffsrumpf vermuteten blinden Passagiere und die weiter bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der Passagierliste sind es auch, die eine genaue Aussage zu den Opferzahlen weiterhin unmöglich machen. 13 Todesopfer, darunter auch zwei albanische Arbeiter, die bei einem Bergungsversuch des Schiffes ums Leben kamen, konnten bislang geborgen worden. Doch weiterhin ist von bis zu 98 Vermissten die Rede.
Der ermittelnde Staatsanwalt Giuseppe Volpe geht jedoch trotz der abweichenden Passagierzahlen, die vom Fährbetreiber genannt wurden, von maximal 15 Vermissten aus. „Die optimistischste Vorhersage sind ein Dutzend Vermisste“, betonte er gegenüber Journalisten. „Auf jeden Fall nicht mehr als 10 bis 15 Personen.“ Klarheit wird es jedoch erst geben, sobald die Feuerwehr mit den Ermittlungen zur Brandursache beginnen kann. Bis dahin setzt die Staatsanwaltschaft auf Zeugenbefragungen, ermittelt derzeit gegen sechs Personen. Abgesehen vom Kommandanten des Schiffes und dem Schiffseigner stehen derzeit auch zwei Crew-Mitglieder und zwei Personen des griechischen Charterunternehmens Anek Lines im Visier der Ermittler. Über sie erhofft man sich derzeit, nähere Auskünfte zu den genauen Geschehnissen an Bord zu bekommen. (nja)