Europa bleibt auf Wachstumskurs

Der Transportmarkt ist und bleibt ein Wachstumsmarkt, egal ob in Deutschland, in Europa und vor allem weltweit - und zwar auch noch die nächsten 25 Jahre. Das geht aus dem World Transport Report (WTR) 2015/2016 hervor, den die Prognos AG - ein Beratungsunternehmen für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft - neu herausgegeben hat. Der Bericht enthält Prognosen für verschiedene Länder, wie sich die Verkehrsleistung bis 2040 entwickelt. War China nicht nur für die Konjunktur, sondern auch für die Transport- und Logistikbranche weltweit und damit auch in Europa in der Vergangenheit der maßgebliche Treiber, so wird bis 2040 ein anderes Land China die Rolle streitig machen: Indien. Große Binnennachfrage in Indien Bis 2040 soll die Güterverkehrsleistung in Indien um knapp 155 Prozent im Vergleich zu 2015 klettern. China kommt im gleichen Zeitraum nur auf ein Plus von etwa 101 Prozent. "In Indien wächst die Bevölkerung prozentual gesehen deutlich stärker als in China. Zudem ist der Nachholbedarf spürbar größer, sodass die Binnennachfrage stark zunimmt", sagt Tobias Dennisen, einer der Autoren des WTR. Ein weiterer Treiber: Indien ist noch nicht so stark wie China in den weltweiten Handel eingebunden. Die Prognos-Experten gehen davon aus, dass Indien für immer mehr Länder als Handelspartner an Bedeutung gewinnen wird. Das kurbelt die Nachfrage nach Verkehrsleistungen an. Aber: In absoluten Zahlen gesehen bleibt China der größte Transportmarkt weltweit. 2040 ist dort die Verkehrsleistung mehr als vier Mal so hoch wie in Indien. Und immerhin werden auch in China bis 2040 Wachstumsraten erzielt, von denen man in Europa nur träumen kann (siehe Grafiken Seite 23). "China wandelt sich: Vom Hersteller geringwertiger Produkte hin zum Produktionsstandort für Hochtechnologie. Damit ist China auf Zulieferungen aus anderen Ländern, vor allem aus Südostasien, angewiesen", sagt Dennisen. Außerdem würden die Fabriken zunehmend im Hinterland der Metropolregionen oder im Landesinneren angesiedelt, sodass sowohl in der Beschaffung wie auch bei der Verteilung der Ware die Transportwege zunehmen. Russland hinkt hinterher Ernüchternd fallen hingegen die Vorhersagen für Russland aus. Für die kommenden 25 Jahre erwarten die Verkehrsexperten dort nur einen Zuwachs von etwa 37 Prozent. "Die Bevölkerungszahl wird bis 2040 um 10,9 Prozent abnehmen", nennt Dennisen einen Grund. Hinzu kommt, dass Massengüter (landwirtschaftliche Güter, Bergbau/Energie) in Russland einen vergleichsweise großen Anteil an der Beförderungsleistung ausmachen. Diese Gütergruppen werden in Zukunft aber nicht mehr so stark nachgefragt wie Industriewaren oder verstärkt in Pipelines transportiert. Doch auch europäische Transportunternehmen können sich auf Wachstum in ihren Heimatmärkten einstellen - wenn auch auf ein deutlich geringeres als etwa in China und Indien. Prognos hat sich bei der Vorhersage für die EU auf zwölf Mitgliedstaaten konzentriert: Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Spanien, Tschechien und Ungarn. In diesen Staaten soll die Verkehrsleistung zwischen 2015 und 2040 um rund 42 Prozent wachsen. Das entspricht einem jährlichen Plus von etwa 1,5 Prozent. Das hört sich nicht nach viel an, andererseits muss man berücksichtigen: In Deutschland wird das Plus für 2015 mit 1,3 Prozent beziffert, also einer etwas geringeren Zuwachsrate. Das größte prozentuale Wachstum unter den zwölf EU-Staaten erreicht Österreich (siehe Grafik unten). "Österreich ist ein klassisches Transitland. Da die internationalen Transporte weiter steigen, nimmt die dort zurückgelegte Verkehrsleistung stark zu", begründet Dennisen diese Entwicklung. Ähnliches gilt für Polen: Auch hier steigt das Transportaufkommen kräftig als Folge der zunehmenden Arbeitsteilung. Ebenfalls überdurchschnittlich nimmt die Verkehrsleistung in Spanien und in Frankreich zu. Hier nennt Dennisen eine andere Ursache: "Beide Länder waren stärker von der Krise betroffen." Während Deutschland das Vorkrisenniveau bereits 2015 wieder erreicht hat, benötigen Spanien und Frankreich bis etwa 2030, um wieder auf dieses Level zu kommen. "In diesen beiden Staaten ist der Nachholbedarf deutlich höher als beispielsweise in Deutschland", sagt der Autor der Studie. Für Deutschland rechnet die Prognos-Studie mit einer Zunahme von knapp über 35 Prozent bis 2040. Hierzulande seien so hohe Wachstumsraten wie beispielsweise in Österreich auch deshalb viel schwerer zu erreichen, weil Deutschland der mit Abstand größte Markt in Europa ist. Und in absoluten Zahlen (ausgedrückt in Tonnenkilometern) wird in keinem anderen Land ein stärkeres Wachstum erzielt. Bis zum Jahr 2030 prognostiziert die Studie Deutschland ein Wachstum von 30 Prozent. Die Zahl ist insofern interessant, als auch das Bundesverkehrsministerium eine Langfristprognose erstellen lassen hat, die Verkehrsverflechtungsprognose 2030. Diese rechnet bis 2030 mit einer Zunahme von 38 Prozent. Wer hat also Recht? "Das wird die Zukunft zeigen", sagt Dennisen und lacht, um dann ernsthaft auf die inhaltlichen Unterschiede hinzuweisen. "Zum einen ist der Ausgangswert ein anderer: Die Verkehrsverflechtungsprognose basiert auf dem Jahr 2010, unsere Vorhersage setzt hingegen im Jahr 2014 auf." Als weiteren Grund für die etwas zurückhaltendere Vorhersage von Prognos nennt er verschiedene wirtschaftliche Entwicklungen wie die Schuldenkrise in verschiedenen Staaten, deren dämpfende Wirkung zum Zeitpunkt der Erstellung der Verflechtungsprognose in dem Ausmaß nicht absehbar gewesen sei. In Summe ist und bleibt die Transportbranche also ein wachsender Markt. Zum einen hängt das mit dem Wirtschaftswachstum zusammen, das eine höhere Transportnachfrage erzeugt. Zum anderen sorgt auch die Digitalisierung unter dem Schlagwort Industrie 4.0 dafür, dass mehr transportiert wird. "Die Fertigungstiefen werden abnehmen, dadurch kommt es zu einem vermehrten Austausch von Vor- und Zwischenprodukten, der wiederum für mehr Transporte sorgt", lautet die Prognose von Dennisen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transportmarkt www.verkehrsrundschau.de/dossiers World Transport Report Etwa alle zwei Jahre erscheint der Prognos World Transport Report. Die Ausgabe 2015/ 2016 befasst sich mit den Transportmärkten von zwölf ausgewählten EU-Ländern, der BRICS-Länder, der Türkei, der Schweiz und der USA. In den Länderportraits gibt es umfassende Daten: die prognostizierte Verkehrsleistung aufgeschlüsselt nach den Verkehrsträgern, Zeiträumen (2016, 2017, 2020, 2030, 2040) und nach Binnen-, Transit- und grenzüberschreitenden Verkehren sowie zahlreichen weiteren Länderkennzahlen.Der Report kostet 1400 Euro plus Mehrwertsteuer und Versand. Weitere Infos unter: www.prognos.com/transportreport. cd

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