Brüssel. Die EU geht mit vorläufigen Strafzöllen gegen chinesische Billig-Solarmodule vor und riskiert damit einen Handelskrieg. In den nächsten zwei Monaten wird eine Extraabgabe auf Einfuhren von Solarmodulen und deren Komponenten von durchschnittlich 11,8 Prozent fällig, beschloss die EU-Kommission in Brüssel. Am 6. August werde der Extrazoll dann auf 47,6 Prozent steigen.
Wegen des hohen Marktwerts der Einfuhren von geschätzt 21 Milliarden Euro pro Jahr ist der Streitfall beispiellos. Die Strafmaßnahmen sind wegen des Widerstands Deutschlands und 17 weiterer EU-Staaten politisch äußerst umstritten. Berlin setzt sich für Verhandlungen ein. Vor der Brüsseler Entscheidung hatte das chinesische Handelsministerium bereits ein Anti-Dumping-Verfahren gegen spezielle Chemie-Importe aus der EU und den USA angekündigt.
EU-Handelskommissar Karel De Gucht verteidigte seinen Kurs: „Ich mache meinen Job.“ Die Entscheidung für die vorläufigen Strafzölle sei ausgewogen, es handele sich nicht um Protektionismus. „Es gibt in den nächsten zwei Monaten ein Fenster der Möglichkeit, zwischen der Kommission und den chinesischen Unternehmen zu einer Einigung zu kommen.“ Der Belgier schränkte aber ein: „Ich würde nicht sagen, dass wir nahe an einer Einigung sind.“ Für einen Kompromiss müssten die Hersteller konkrete Preiszugeständnisse machen.
Nach Schätzung der Kommission liegt der faire Marktpreis für die Solarmodule um 88 Prozent höher als der derzeit verlangte. 25.000 Arbeitsplätze in der europäischen Solarbranche seien in akuter Gefahr. In der europäischen Branche sind die Strafen umstritten, denn Solaranlagen könnten sich massiv verteuern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Außenhandelsverband BGA warnten bereits vor einer Eskalation im Handelsstreit.
Rösler kritisiert Strafzölle
Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hält die Strafzölle für falsch. „Die Bundesregierung hat gegenüber Brüssel klargestellt, dass wir Strafzölle für einen Fehler halten. Dialog statt Drohung wäre von Anfang an der richtige Weg gewesen“, sagte Rösler der „Welt“. Ein Handelskonflikt mit China müsse unter allen Umständen vermieden werden. Die Kommission müsse nun eine schnelle Verhandlungslösung auf den Weg zu bringen.
Brüssel hatte das Verfahren im September vergangenen Jahres eingeleitet. Der europäische Branchenverband EU Pro-Sun stieß 2012 mit einer Beschwerde die Ermittlungen an. Die europäische Branche ist von etlichen Pleiten und Werksschließungen geschwächt. EU Pro-Sun begrüßte die Brüsseler Entscheidung und erklärte, chinesisches Dumping habe schon Tausende Jobs gekostet und zu über 60 Werksschließungen geführt.
De Gucht sagte, dass chinesische Unternehmen, die mit der Kommission kooperierten, niedrige Zollsätze zahlen müssten als Unternehmen, die dies nicht täten. Firmennamen nannte er nicht. Die EU-Kommission vertritt die EU in Handelsangelegenheiten und hat deshalb eine starke Stellung. Erst beim Verhängen von endgültigen Strafzöllen - die Frist dafür läuft im Dezember ab - müssen die Mitgliedstaaten zustimmen.
Chinas Handelsministerium kündigte am Mittwoch auf seiner Internetseite an, nach den vorläufigen Strafzöllen der EU auf Solarprodukte aus China Dumping-Ermittlungen gegen Wein-Importe aus der EU einleiten zu wollen. (dpa/bw)