Indien und China im Blick

Interview Indien und China im Blick Logistikdienstleister Fiege trennt sich in Südeuropa von 20 seiner Standorte. Zu den Hintergründen und die künftigen Ziele äußert sich Fiege- Vorstandssprecher Stefan Kurrle im Interview. Fiege Logistik hat soeben 20 Logistik-standorte in Spanien und Portugal sowie Teile der italienischen Gesellschaften an den französischen Logistikdienstleister Norbert Dentressangle verkauft. Warum? Der Verkauf steht allein im Zusammenhang mit unserer Wachstumsstrategie, die der Vorstand vor einem Jahr in enger Zusammenarbeit mit den Inhabern entwickelt hat. Wir haben uns unter anderem überlegt, wo entsteht künftig Wachstum, und wie können wir daran teilhaben. Grund für unseren Verkauf war, dass wir in Südeuropa eher unterproportionale Zuwachsraten sehen. Außerdem passt das jetzt veräußerte Geschäft von der Struktur nicht in die Wachstumsstrategie. So verfügt das Fast Moving Consumer Goods- und Retail-Geschäft in Südeuropa vor allem über regionale oder nationale Strukturen. Es gibt da also wenig Synergien zu unserem Geschäft in Zentraleuropa sowie in China und Indien. Das Geschäft an sich in diesen Ländern war aber margenträchtig und profitabel. Wie hoch war der Umsatz Ihrer nun verkauften Aktivitäten? Und um welche Geschäftsfelder handelte es sich konkret? Insgesamt haben wir ein Geschäft mit einem Umsatzvolumen von 130 Millionen Euro verkauft. In Italien haben wir uns ja nur von einem Teil unserer Aktivitäten getrennt, konkret von Fiege Borruso und unserer Pharmazie-Tochter FLI. Sie haben zusammen einen Umsatz von 95 Millionen Euro erwirtschaftet. Und in Spanien und Portugal haben wir Fiege Iberia und Fiege Iberia Operador an Dentressangle verkauft. Dort lag der Umsatz insgesamt bei rund 34 Millionen Euro. Die von uns verkauften Aktivitäten waren vor allem im FMCG- und Retail-Bereich stark und sehr transportlastig. Wie viele Transport- und Speditionspartner, mit denen Fiege in diesen Ländern zusammengearbeitet hat, verlieren durch den Verkauf nun ihr Geschäft? Die genaue Zahl kenne ich nicht. Ob Dentressangle die Zusammenarbeit mit diesen fortsetzt, ist nicht unsere Entscheidung. Mit dem Kauf hat das Unternehmen gleichwohl alle Verträge vorerst übernommen – sowohl mit den Mitarbeitern als auch mit den Transportpartnern. Und was passiert mit Ihren Mitarbeitern an den verkauften Standorten? Werden sie von Dentressangle übernommen? Dentressangle übernimmt insgesamt rund 500 bei Fiege fest angestellte Mitarbeiter. Sie selbst sprechen von 500, französische Medien dagegen von 852 Beschäftigten, die von dem Verkauf betroffen seien. Wie erklären Sie diese Differenz? Fiege nennt nur die bei Fiege fest angestellten Mitarbeiter. Die Abweichungen ergeben sich wahrscheinlich durch die Einberechnung des Leiharbeitspersonals. Wie steht es um das Unternehmen Fiege? Immerhin mussten Sie Ende 2012 – durch das Aus von Neckermann – auch den Standort in Brieselang aufgeben und damit 124 Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen … Wir hatten tatsächlich 124 Mitarbeiter im Sozialplan. Wir konnten aber allen einen Vertrag innerhalb der Fiege Gruppe anbieten. Etliche davon haben das genutzt, andere sind in den Vorruhestand und einige wenige waren vom Abbau betroffen oder aber haben sich eine Beschäftigung außerhalb von Fiege gesucht. Zudem konnten wir aus dem Mietvertrag aussteigen. Aber natürlich trifft einen das Aus von Kunden kurzfristig. Das war auch bei uns mit Neckermann so. Das kann allerdings immer wieder passieren, man muss es nur managen können. Wie hoch waren Ihre Umsatzeinbußen im letzten Jahr durch Neckermann konkret? Vor allem aber, konnten Sie diese mittlerweile kompensieren? Zu dem Umsatz mit einzelnen Kunden machen wir keine Angaben. Diesen Wegfall konnten wir aber durch Neugeschäft im letzten Jahr mehr als kompensieren. Um da nur einige Beispiele zu nennen: Wir konnten im E-Commerce-Bereich Media-Markt Saturn gewinnen; im Fashion-Bereich haben wir in Münster einen neuen Fashion Standort für Kunden wie Primera und More & More eröffnet sowie unseren Kunden Esprit im neuen Distributionscenter Mönchengladbach implementiert. Allein diese Umsätze haben das Neckermann-Geschäft bei Weitem kompensiert. Das Geschäftsjahr 2012 war also sehr dynamisch bei uns. Apropos 2012: Wie viel Umsatz haben Sie im letzten Jahr erwirtschaftet? 2011 waren es ja 1,5 Milliarden Euro. Diese Zahlen liegen noch nicht abschließend vor. Da müssen Sie sich gedulden. Zusätzliches Geld spült Ihnen ja der Verkauf an Dentressangle in die Kassen. Was werden Sie damit tun? Wie schon erwähnt, verfolgt Fiege seine im letzten Jahr beschlossene Wachstumsstrategie weiter. Wir werden uns dafür bei den Branchen und Produkten verstärkt auf E-Commerce, Fashion, Reifen, Media, High-Tech/Consumer Electronics und Krankenhauslogistik konzentrieren. Stärkster Wachstumstreiber ist klar das E-Commerce-Geschäft. Dort konnten wir viele interessante Neukunden gewinnen. Aktuell hat gerade Sport-Scheck im Zuge der neuen Multichannel-Strategie vermeldet, dass sie ab 2014 die gesamte Lager- und Handelslogistik über Fiege an unserem Standort in Erfurt abwickeln werden. Und auf welche Länder wollen Sie sich im Zuge Ihrer Wachstumsstrategie künftig fokussieren? Unser Kernland bleibt natürlich Deutschland. Wir fokussieren und investieren aber vor allem in schnell wachsende Regionen wie China und Indien sowie Osteuropa. In Indien haben wir ja im letzten Jahr ein Joint-Venture unter dem Namen Apollo Fiege Integrated Logistics geschlossen, das weltweit integrierte Supply Chain Lösungen anbietet. Da sehen wir sehr viel Potenzial. Wir wachsen dort derzeit im hohen zweistelligen Prozentbereich. Unser Ziel ist es, dort Marktführer in der Kontraktlogistik sowie See- und Luftfracht sowie Zollabwicklung zu werden. Weitere Zukäufe in Indien sind aber im Moment nicht geplant. In China haben wir in 2012 einen neuen Standort in Lingang für internationale Fashion-Kunden eröffnet. Zudem werden wir unsere Aktivitäten in China weiter vorantreiben. Vor allem im E-Commerce-Bereich. Wie werden sich Ihre Investitionen prozentual aufteilen? Was ist da grobe Marschrichtung? Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich Ihnen hier keine einzelnen Aufteilungen nennen kann. In den nächsten zwölf Monaten sind insgesamt Investitionen in einem Rahmen von rund 150 Millionen Euro zum Ausbau unserer Logistikkapazitäten geplant. Diese betreffen die in der Wachstumsstrategie definierten Regionen Zentral- und Osteuropa, Indien und China. In welchen Ländern und bei welchen Aktivitäten stehen im Zuge dieser Neufokussierung nun weitere Verkäufe an? In keinen. Wir planen derzeit keine weiteren Verkäufe. Allerdings sind im Rahmen unserer Wachstumsstrategie in den nächsten Jahren Verkäufe und Zukäufe denkbar. Das hängt aber von den Marktentwicklungen und den sich ergebenden Chancen ab. Welche Umsatzziele hat sich Fiege für 2013 gesetzt? Klares Ziel ist: Wir wollen und werden weiter wachsen. Sowohl beim Umsatz als auch beim Erlös. Wie Sie wissen, gibt Fiege als Familienunternehmen im Vorfeld keine Zahlen ab. Nur so viel: Wir sind im Moment sehr zufrieden. Wir konnten in diesem Jahr einige sehr interessante Neukunden implementieren und gewinnen: in Deutschland, wie erwähnt, das Unternehmen Sport-Scheck am Standort Erfurt; in der Krankenhauslogistik wird für KCI ein europaweites Konzept zur Versorgung von Krankenhäusern umgesetzt, in der Schweiz übernehmen wir die gesamte Distributionslogistik für das Medienunternehmen Tamedia und in der Ukraine haben wir das schwedische Unternehmen Husqvarna gewonnen – und dies sind nur einige wenige Beispiele. Unterm Strich: Fiege schreibt also schwarze Zahlen? Klar schreibt Fiege auch in diesem Jahr schwarze Zahlen. ❚■ Eva Hassa Stefan Kurrle Vita Stefan Kurrle wurde 1956 in Tuttlingen geboren. Nach seinem BWL-Studium und seiner Dissertation an der Universität Mannheim war Kurrle in führenden Positionen tätig, unter anderem bei Knoll und BASF – dort zuletzt als Leiter Logistik und Einkauf. Seit 2001 verantwortete er Danzas Telelog und war bis 2010 CEO Central Europe bei DHL Exel Supply Chain. 2010 wechselte Kurrle als stellvertretender Vorstandsvorsitzender zur Fiege Stiftung und ist seit 2012 der Sprecher des Vorstands der Fiege Logistik Holding Stiftung in Greven. eh Unternehmen Das Unternehmen Fiege Logistik mit Stammsitz in Greven, Westfalen, zählt nach eigenen Angaben zu den führenden Logistikanbietern in Europa. Nach den letzten vorliegenden Zahlen erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2011 mit 11.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Das Unternehmen ist über Kooperationen in 18 Ländern an 200 Standorten tätig. Zudem verfügt Fiege über eine Lagerlogistikfläche von drei Millionen Quadratmetern. eh

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