Brüssel. Die transeuropäischen Verkehrskorridore (TEN-T) sollen dazu beitragen, dass in der EU ein einheitlicher Verkehrsmarkt entsteht. Von 2014 bis 2020 stehen dafür in der Finanzplanung der Union mehr als 26 Milliarden Euro bereit, hinzu kommen Mittel aus dem Fonds für strategische Investitionen. Der längste Korridor, die Skandinavien-Mittelmeer-Verbindung (SMK), verbindet die finnische Hauptstadt Helsinki mit Valetta auf Malta: 9337 Kilometer Schiene, 6372 Kilometer Straße, 19 Flughäfen, 25 Seehäfen und 44 Umschlagterminals zwischen Schiene und Straße.
Die EU-Kommission hat die Herausforderung, die der SMK für die Anrainerstaaten darstellt, jetzt in einer detaillierten Studie analysiert.
Hohe Standards werden erst teilweise erfüllt
Wie die anderen TEN-T-Korridore besteht der SMK nicht nur aus Infrastruktur sondern auch aus Standards, die bis 2030 erfüllt sein sollen. Dazu gehören auf der Schiene eine vollständige Elektrifizierung, eine Achslast von 22,5 Tonnen, eine Mindestgeschwindigkeit von 100 km/h und das Schienenmanagementsystem ERMTS. Güterzüge bis zu 740 Meter Länge müssen an allen Umschlagplätzen abgefertigt werden können.
Straßen müssen dem Autobahn oder Schnellstraßenstandard entsprechen, über intelligente Transport- oder Mautsysteme und genügend Tankstellen für emissionsarme Treibstoffe verfügen. Außerdem sind sichere Parkplätze mindestens alle 100 Kilometer vorgesehen. Damit der SMK diesen Anforderungen auf der gesamten Länge genügt, müssen mehr als 400 Einzelprojekte umgesetzt und 145 Milliarden Euro investiert werden. 2010 wurden über den SMK 215 Millionen Tonnen internationale Fracht befördert, 129 Millionen Tonnen auf See, 50,3 Millionen Tonnen über die Straße und 36 Millionen Tonnen auf der Schiene.
Engpässe aufzeigen
Ziel der Studie ist es, potentielle Engpässe auf dem Korridor zu identifizieren, die bis 2030 entstehen und das „künftige Wachstum des Personen- und Güterverkehrs einschränken“ können. In Deutschland hat die Kommission Probleme vor allem auf der Schiene ausgemacht: auf den Strecken Bremen-Hamburg-Hannover, Würzburg-Nürnberg und im Raum München wäre die Lage besonders angespannt, selbst wenn alle Projekte des Bundesverkehrswegeplans(BVWP) fristgerecht umgesetzt werden. Zu Problemen auf der Schiene kommt es dabei nicht erst, wenn sich die Auslastung einzelner Strecken der 100-Prozent-Marke nähert. Schon bei 80 Prozent bestehe das Risiko, dass es vermehrt zu Verspätungen und anderen Störungen komme. Auf der Straße gibt es potentielle Engpässe ebenfalls in den Ballungsräumen von Hamburg, Hannover und München sowie auf dem Streckenabschnitt Würzburg-Nürnberg. Probleme sieht man in Brüssel auch beim Straßen-Zulauf zum künftigen Brenner-Basis-Tunnel und der geplanten Fehmarn-Belt-Querung
Der neuralgische Punkt im deutschen Verkehrssystem ist aus europäischer Sicht Hannover, wo sich der SMK mit zwei weiteren TEN-Korridoren trifft: der Nordsee-Baltikum-Verbindung(Rotterdam/Antwerpen-Tallin) und dem Orient-Mittelmeer-Korridor(Bremen/Hamburg-Athen).
Neben den Kapazitätsengpässen befürchten die Experten Verzögerungen bei der technischen Verbesserung der Strecken. Sollten die Standards nicht auf dem gesamten Korridor bis 2030 erreicht werden, wäre die Interoperabilität eingeschränkt und der Verkehrsfluss würde unterbrochen. Um die anvisierten Standards zu erreichen müssten die Anrainerstaaten mehr Geld für den Ausbau zur Verfügung stellen sowie die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. (tw)