Erste autonome Schritte bei Dachser: Der Ist-Zustand

Es ist schon ein wenig gruselig, wenn man sieht, wie der Kamag PT langsam, aber gezielt den Trailer rückwärts vor die Rampe rangiert. Denn das Fahrzeug macht alles von alleine - der Sicherheitsfahrer in der Kabine hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt und schaut dem Treiben gelassen zu. Plötzlich läuft eine Person hinter dem Trailer in die Parklücke. Sie trägt zwar eine leuchtend gelbe Warnweste, aber das interessiert den Umsetzer herzlich wenig. Farben kann er nicht erkennen. Aber hoffentlich die Person. Und zum Glück klappt das auch. Rechtzeitig reduziert der Umsetzer die Geschwindigkeit und bleibt stehen, wartet, bis die Person gegangen ist, und setzt seine Rückwärtsfahrt fort. Die Live-Präsentation ist geglückt und die rund 60 Anwesenden auf dem Dachser-Gelände in Langenau bei Ulm sind beeindruckt. Mit dieser Live-Show geht im März das mehrjährige Projekt "Safe 20" offiziell zu Ende. Ziel war, autonome Umsetzfahrzeuge für Sattelauflieger und Wechselbrücken auf einem abgeschlossenen Werksgelände in Betrieb zu nehmen. An dem Projekt waren mehrere Unternehmen beteiligt: Die Koordination übernahm der Technologiekonzern ZF, weitere Konsortialpartner waren neben Dachser die Sick AG, die Götting KG, TII Kamag, die Sensor-Technik Wiedemann GmbH sowie die Fraunhofer-Institute für Materialfluss und Logstik (IML) und Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI). Ein weiter Weg Den größten Teil der vierjährigen Projektdauer nahm die Vorplanung und Ausrüstung des Betriebshofes in Anspruch. Das Gelände umfasst 221.000 Quadratmeter Fläche, pro Jahr werden hier über 1,1 Millionen Sendungen für Kunden an 246 Verladetoren abgefertigt. Für den Feldversuch wurden zwei Um-setzfahrzeuge - eines für Wechselbrücken, eines für Sattelauflieger - des Herstellers Kamag komplett umgerüstet. Verschiedene Sensoren scannen die Umgebung und schaffen ein Abbild dessen, was sich vor und neben dem Fahrzeug tut. Parallel wurde ein Sicherheitskonzept für das Gelände erstellt: An mehreren Punkten auf dem Hof finden sich ebenfalls Sensoren, die ein Livebild des Treibens abbilden und mit den Bildern des Fahrzeuges kombiniert werden. Das ermöglicht idealerweise eine Vorhersehbarkeit, welche Fahrzeuge wann den Weg der Umsetzer kreuzen. All diese Systeme mussten aufwendig miteinander verknüpft und getestet werden. Dabei galt es, jegliche mögliche Komplikationen mit einzubeziehen. Was etwa, wenn ein Mensch beim Rückwärts-Rangieren der Trailer in die Zone hinter dem Fahrzeug läuft? Wie geht man damit um, wenn das Fahrzeug auf dem Hof überholt wird? Fragen, die man teilweise nur im Testbetrieb klären konnte. Erste Hürden An diesem Punkt wurde den Projektverantwortlichen vermutlich das erste Mal klar, wie groß die gesteckte Aufgabe ist. Sensoren sind je nach Bauform aktuell noch richtig teuer, weshalb nur einzelne Zonen auf dem Hof so ausgerüstet wurden, dass Fahrten mit 20 km/h möglich sind. Im restlichen Gebiet waren maximal 10 km/h erlaubt, was die Fahrzeuge laut André Bilz, dem Leiter Technischer Einkauf bei Dachser, immer wieder zu einem Hindernis für den umliegenden Verkehr machte. Bilz war es auch, der den tatsächlichen Praxisbetrieb der Fahrzeuge, der von November 2023 bis Januar 2024 lief, intensiv betreute. Spätestens hier wurde die ganze Dimension des autonomen Fahrens klar: Es gab etliche Hürden zu überwinden. So verwechselten die Sensoren dichtes Schneetreiben mit einem Hindernis oder wurden durch andere Umwelteinflüsse gestört. "Wir waren in der Zeit nicht immer gerne gesehen", bilanziert Bilz. Tatsächlich hatte der Dachser-Verantwortliche zu Beginn die Vision, am Ende eine kauffertige Lösung auf dem Hof zu sehen. Davon ist man jedoch weit entfernt. Jedenfalls - und davon konnte sich auch die VR beim Besuch auf dem Dachser-Gelände überzeugen - funktionierten die Fahrzeuge mit zunehmender Laufdauer immer besser. Weil die Erfahrungen und mögliche Probleme beim Betrieb direkt in die Entwicklung mit einbezogen werden konnten, wurden sie sicherer. Dennoch, das ist auch die Bilanz, die Maximilian Schellert vom Fraunhofer IML zog, bleibt der menschliche Fahrer bisweilen immer noch schneller als die autonomen Maschinen. Obwohl in der Statistik mit 20 km/h Fahrtgeschwindigkeit auf dem gesamten Betriebshof gerechnet wurde, kamen die autonomen Umsetzfahrzeuge "nur" auf acht (Sattelauflieger) und neun (Wechselbrücke) Arbeitsvorgänge pro Stunde; die Menschen dagegen schafften 13 beziehungsweise 14. Es geht weiter Insgesamt wird Safe 20 als Erfolg gewertet. Man hat es geschafft, die Fahrzeuge und den Betriebshof so zu konfigurieren, dass ein autonomer Betrieb tatsächlich möglich war. Der Betriebshof von Dachser mit über 1000 Bewegungen am Tag ist für eine endgültige Lösung noch zu dynamisch. Vielleicht ist es sinnvoll, in einem nächsten Schritt einen kleineren Hof oder nur gewisse Schichten mit autonomen Fahrzeugen zu testen. Wie es mit den gewonnenen Daten weitergeht, ist noch unklar. Noch läuft die finale Auswertung, am Ende wird sich ein Unternehmen wohl bereit erklären müssen, alle Erkenntnisse in einem Business-Case zusammenzufassen. Bis dahin müssen die Werksfahrer bei Dachser noch ihre Arbeit tun, die Hände vom Hinterkopf nehmen und wieder ans Lenkrad legen.

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