Erst schulen, dann fahren

Die Kunden fragen "Wie schult ihr eure Fahrer?" - diese Erfahrung macht André Reich, Geschäftsführer von Unitax-Pharmalogistik, immer häufiger. Sein Berliner Unternehmen ist auf Konfektionierung, Lagerung und Transport von pharmazeutischen Produkten spezialisiert. Anlagen nach strengsten Vorgaben zu qualifizieren und zu validieren gehört seit vielen Jahren zu seinem Geschäft. Online war der Schlüssel zum Erfolg Doch mit der EU-Leitlinie zur guten Vertriebspraxis (Good Distribution Practice, GDP) ist ein weiterer Punkt auf die Agenda gekommen: Fahrer GDP-konform schulen. Diese Aufgabe stellt sich in der Praxis oft schwierig dar, weil Kraftfahrer wochenlang unterwegs sind und kein Klassenraumtraining besuchen können. "Das online zu machen war der Schlüssel zum Erfolg", sagt Reich. Was heißt überhaupt GDP-konforme Fahrerschulung? Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten, da die Richtlinie in diesem Punkt sehr vage ist. "Gefordert wird nur 'qualifiziertes Personal'. Welche Inhalte es kennen muss, steht im Ermessen des Unternehmens", erklärt Nicola Spiggelkötter, auf Pharmalogistik spezialisierte Unternehmensberaterin aus Bad Harzburg. Sie selbst führt Fahrerschulungen durch und konzentriert sich inhaltlich auf typische Knackpunkte in der Pharmalogistik: Wie erfasst man die Temperatur? Wo darf umgeladen werden? Was ist bei Abweichungen zu tun? "Ich arbeite immer mit konkreten Fallbeispielen. PowerPoint-Folien sind hier ungeeignet", so Spiggelkötter. GDP fordert keine Abschlusstests Das Unternehmen Unitax in Berlin setzt bei der Wissensvermittlung auf eine Mischung aus offline und online. Grundsätzlich nehmen alle Fahrer einmal im Quartal an einem Präsenzseminar teil, das vom eigenen Qualitätsmanager durchgeführt wird (es dauert zwei bis drei Stunden). Darüber hinaus müssen alle Teilnehmer einmal im Monat einen Onlinetest absolvieren. Es gilt, rund 30 Multiple-Choice-Fragen richtig zu beantworten. Beispiel: Wann öffnen Sie die Laderaumtür? Bei der Ankunft auf dem Hof - nach der Anmeldung in Lagerbüro - erst an der Rampe. "Der Vorteil am Onlinetest ist, dass die Leute ihn machen können, wenn sie den Kopf dafür frei haben", erklärt Geschäftsführer Reich. Sowohl für die Besatzungen der 16 eigenen Lkw als auch für die Fahrer der 20 eingesetzten Subunternehmen sind die Test verpflichtend. Und wer dreimal durchfällt, wird zu einer Nachschulung eingeladen. Je weniger Papierkrieg, desto besser Bei der Technik hat man sich Expertise von außen geholt: Unitax nutzt für die Tests die Internet-Plattform eines Fremdanbieters, in der schon einige Fragen zu Arbeitsschutz und Sicherheit eingestellt waren. Die restlichen pharmazeutischen Inhalte wurden durch den eigenen verantwortlichen Apotheker erarbeitet. Abschlusstests fordert die GDP übrigens nicht. "Es muss nur der Erfolg dokumentiert werden", betont Beraterin Spiggelkötter. Unter Umständen reicht es also aus, mit den Fahrern nach der Schulung einige Situationen durchzuspielen, um zu sehen, ob alles behalten wurde. Je weniger Papierkrieg, desto besser - so lautet ohnehin das Erfolgsrezept bei der Zielgruppe. Jeder Kunde hat andere Vorgaben Auch bei Krummen Kerzers gehören Fahrerschulungen zum Alltag. Die Spedition mit Sitz im schweizerischen Kerzers transportiert europaweit Pharmaprodukte. "Jeder Kunde hat andere Vorgaben zur Fahrerqualifikation", berichtet Schulungsleiter Nathan Bettler. In dem Betrieb besuchen die Fahrer jedes Jahr einen eintägigen Workshop, in dem sie vor allem lernen, was bei Abweichungen zu tun ist: Ein Kühlgerät fällt aus, das Fahrzeug kommt in eine Polizeikontrolle und der Laderaum muss geöffnet werden, es wird eine andere Menge geladen, als in den Frachtpapieren verzeichnet ist. In solchen Fällen muss der Fahrer die Abweichung dokumentieren und an die Spedition melden. Bettler schätzt, dass bei jeder vierten Fahrt ein solches Ereignis eintritt, wobei es sich meistens um harmlose Kleinigkeiten handelt. Sie müssen trotzdem gemeldet werden, was früher einen wahren Papierwust produziert hat. Mittlerweile hat Krummen und Kerzers für das fahrende Personal Tablet-PCs angeschafft, mit denen Meldungen (und Fotos) drahtlos übertragen werden können. Nicht zuletzt der Umgang damit muss trainiert werden. Schulungsleiter Bettler ist zufrieden mit den Lernerfolgen seiner Leute. "Der Fahrer ist oft besser geschult als der Mann an der Rampe." Die wichtigsten Regeln auf sieben Seiten Bei der Gestaltung der Weiterbildungen hat jeder Spediteur sein eigenes Rezept. Transco im brandenburgischen Ludwigsfelde hat langjährige Erfahrungen im Qualitätsmanagement und mit Schulungen. Hier setzt man auf eine Kombination aus selbst erarbeiteten Inhalten und Kürze. Der Pharmalogistiker führt zweimal im Jahr eine mindestens 30-minütige Schulung durch und konzentriert sich dabei jeweils auf ein Schwerpunktthema, zum Beispiel Umgang mit Betäubungsmitteln. "Ich bin kein Freund von riesigen Sitzungen", betont Geschäftsführer Thomas Schleife. Vorab bekommen die Fahrer Material zum Einlesen, nach der Schulung müssen sie in einer kurzen schriftlichen Prüfung ihr Wissen unter Beweis stellen. Ein vertraglich gebundener externer Pharmazeut (Qualified Person) hat die regelmäßigen Kurztrainings entwickelt und führt sie auch durch. Zusätzlich verfügen alle Frachtführer über ein von Transco selbst erarbeitetes Handbuch zu den wichtigsten GDP-Regeln (auf Deutsch, Russisch, Englisch oder Polnisch); es ist mit sieben Seiten ebenfalls kurz gehalten. "Kein Kraftfahrer liest 40 Seiten", so Praktiker Schleife. Die Kosten sind hoch Billig ist es in keinem Fall, der kompletten Mannschaft nahezubringen, was gute Vertriebspraxis in der Pharmalogistik bedeutet. "Für jemanden, der neu in den Markt einsteigt, sind die Kosten einfach zu hoch", meint Schulungsleiter Bettler von Krummen Kerzers. Unitax hat für die Testplattform im Internet einmalig 5000 Euro gezahlt, hinzu kommen laufende Kosten von 12 Euro pro Monat und Mitarbeiter. Doch Geschäftsführer Reich hält das für gut investiertes Geld. "Wir punkten im Moment stark mit unseren Zertifikaten. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Pharmalogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers