Erst Flaute, dann Rückenwind

Es war wie die erste Brise nach einer längeren Flaute: Nach der Verabschiedung der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) durch den Bundesrat am 11. Juli zeigten sich die Energieversorger und Investoren im Bereich der Windenergie optimistisch. "Es ist eine gute Nachricht, dass die Förderbedingungen für Offshore-Wind wieder sichere Rahmenbedingungen für Investitionen bieten", sagt ein Vattenfall-Sprecher auf Anfrage der VerkehrsRundschau. "Siemens als Hersteller von Windenergieanlagen für die Nutzung an Land und auf See bewertet den deutschen Markt weiterhin als wichtig und stabil", ergänzt Hannes Reuter, Leiter Onshore bei Siemens. Bei den Hafenlogistikern sieht man die Situation zwiespältiger. Aufgrund der derzeitigen Lücke bei dem Bau neuer Windparks, ausgelöst durch einen verzögerten Netzanschluss und die Unsicherheit der Investoren, seien die Kapazitäten nicht ausreichend ausgelastet, heißt es bei der BLG Logistics Group. "Die schwierige Situation der Offshore-Branche der letzten Jahre ist auch in den Häfen zu spüren gewesen", sagt Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports. "Wir sind durchaus zufrieden mit der derzeitigen Auslastung unserer Offshore-Häfen in Niedersachsen", betont hingegen Inke Onnen-Lübben, Geschäftsführerin der Sea ports of Niedersachsen: Cuxhaven ist Basishafen für das Eon-Projekt Amrumbank-West; in Wilhelmshaven werden Rotorblätter zu Rotorsternen vormontiert und für den Windpark Global Tech 1 verladen. Von sogar sehr guter Auslastung spricht man im Ostseehafen Sassnitz. Dort montiert und verschifft Siemens im Auftrag von EnBW Anlagen für den Offshore-Windpark Baltic II. Die unterschiedliche Sichtweise lässt sich aus der Ausbausituation der deutschen Windkraftanlagen erklären: Die derzeit laufenden Projekte gehören zu der zweiten Welle von Offshore-Windparks in deutschen Gewässern. Sie gehen in diesem Jahr oder 2015 in Betrieb. Dann werden rund 3,65 Gigawatt Leistung installiert sein. Noch weitaus mehr Leistung geplant Bis 2020 sollen es nach Plänen der Bundesregierung 6,5 Gigawatt Leistung werden - doch bisher haben die Investoren lediglich für die Windparks Gode Wind 1 + 2 mit einer Gesamtleistung von 584 Megawatt grünes Licht gegeben. Wer wo die übrigen 2,5 Gigawatt errichtet - und welche Häfen und Logistikdienstleister dafür genutzt werden, liegt im Nebel von Nord- und Ostsee. Das macht die Hafenchefs nervös, die viel Geld in aufwendige Schwergutanlagen investiert haben. Dazu kommt: Es ist zwar anzunehmen, dass über die nächsten Offshore-Projekte noch in diesem Jahr entschieden wird. Aber das bedeutet nicht, dass sich etwaige Auftragslücken schnell schließen werden. "Die Logistik muss praktisch als letzter Teil eines Projekts angesehen werden. Wenn also Offshore-Projekte aufgrund des neuen EEG demnächst wieder angestoßen werden, müssen zunächst Finanzierungsfragen und andere Punkte geklärt werden, sodass diese Projekte zeitversetzt in der Logistikbranche und damit in unseren Häfen ankommen", bringt es Seaports-Geschäftsführerin Inke Onnen-Lübben auf den Punkt. Es wird also in der Offshore-Logistik für einige Häfen eine Flaute zu überstehen geben, bevor es 2016 bis 2017 erneut in die Vollen geht. Wenn die Windenergie-Projekte der nächsten Welle anlaufen, ist die deutsche Hafenwirtschaft für den Wettbewerb gegen starke internationale Konkurrenz gerüstet. Der Offshore-Atlas des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) nennt zwischen Borkum im Westen und Sassnitz auf Rügen 24 Seehäfen, die sich im Offshoregeschäft positioniert haben. Neben Häfen mit Kompetenz für Großkomponenten gibt es Servicehäfen, die zur Versorgung der Errichterschiffe, aber auch für Wartungs- und Reparaturarbeiten genutzt werden. Hohe Anforderungen an die Häfen Häfen, die im Umschlag von Großkomponenten wie Rotorsterne, Fußstücke oder Verbindungsstücke (Transition Pieces) mitmischen wollen, müssen hohe Anforderungen erfüllen. Für das Projekt Amrumbank West werden beispielsweise seit 2013 von Cuxhaven aus 80 Mono piles mit bis zu 670 Tonnen Gewicht und 80 Transition Pieces verschifft. Das Hafenumschlagsunternehmen Cuxport hat hierzu das Terminal vorbereitet und den Aufbau von Kranbahnen organisiert. Monopiles und Transition Pieces werden aus Belgien in Cuxhaven angeliefert und durch Cuxport für die Verladung auf das Errichterschiff bereitgestellt. Ein weiteres Beispiel liefert Wilhelmshaven. Dort findet der Umschlag von montierten Rotorsternen statt. Die Rotorblätter werden von Stade über das dortige Terminal des Betreibers Buss per Schiff nach Wilhelmshaven gebracht, um dort zu Rotorsternen vormontiert zu werden. Diese werden auf ein Errichterschiff verladen und auf See gebracht. Für die Logistik zeichnet die BLG aus Bremen verantwortlich. Andere Häfen haben sich auf Nischen spezialisiert. Emden dient als Servicehafen und Umschlag- und Lagerplatz für Seekabel. In Nordenham hat sich Hafenbetreiber Rhenus Midgard auf Seekabellogistik spezialisiert. Auf Helgoland entstanden 10.000 Quadratmeter Logistikhallen für die Ver- und Entsorgung von Windparks. Für gutes Geschäft in den Häfen sorgt derzeit die Onshore-Windenergie - der Bau von Windparks an Land - und auch der Export boomt. Das Hafenunternehmen J. Müller Breakbulk in Brake wird von Herstellern für die weltweite Distribution von Windenergieanlagen genutzt und verzeichnet deutliche Zuwächse bei Lagerung und Umschlag von Windenergiekomponenten. Gleiches gilt für Emden, wo 2013 ein Wachstum von 45 Prozent auf 268.000 Tonnen allein im Seeverkehr erreicht wurde. Auch bei Brunsbüttel Ports spricht Geschäftsführer Schnabel von einer ausgezeichneten Auftragslage. Komplexer LKW-Transport "Das Onshore-Geschäft unterscheidet sich signifikant vom Offshore-Geschäft. Die Produktion von Onshore-Windenergieanlagen ist mittlerweile eine Serienfertigung, die herstellerseitig immer weiter optimiert worden ist.", erklärt Onnen-Lübben. Auch in der Hafenlogistik sind die Prozesse eingeschwungen. Wenn es allerdings um den Transport über Land geht, muss häufig improvisiert werden. Gerade beim LKW-Transport von Großkomponenten wird es komplex. "Für die Errichtung eines Windparks muss man rund 100 Genehmigungen einholen", sagt Wolfgang Draaf, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK). Rotorblätter können in der Regel nur nachts in Konvois transportiert werden. Die Kilometer abseits der Autobahn mit den überlangen Fahrzeugen sind nur mit exzellenten Fahrern zu schaffen. Beim Transport schwerer Komponenten wie Maschinenhäusern sorgt der schlechte Zustand der Verkehrsinfrastruktur immer häufiger für gewaltige Umwege und Mehrkosten. Draaf nennt ein Beispiel: Die Strecke von Lüdenscheid im Sauerland nach Bremen beträgt normalerweise 340 Kilometer - wer aber ein Maschinenhaus auf dieser Route transportieren will, muss 950 Kilometer zurücklegen. Zeitweise wurden auch Komponenten für einen Windpark in Schleswig-Holstein mit einem Ro-Ro-Schiff von Cuxhaven ins dänische Esbjerg verschifft und dort "gegen die Ladung" von Schwertransportern zurück nach Schleswig-Holstein gefahren. Kosten, die über den Strompreis zurückverdient werden müssen. Die Nachfrage nach Transportleistungen für Windparks ist lebhaft, der Wettbewerb allerdings auch. Eine Handvoll Spezialtransporteure aus Deutschland muss sich mit Wettbewerbern aus Rumänien, Polen und Dänemark auseinandersetzen. Draaf macht auf eine weitere Herausforderung aufmerksam. Es gibt keinen homogenen Fluss von Ladungen - und somit auch keine gleichmäßige Auslastung der Fahrzeuge. Immer wieder kommt es zu Verschiebungen von Transporten, wenn die Errichtung nicht so läuft wie geplant. Neben Spezialequipment, guten Branchenkontakten und exzellentem Personal brauchen LKW-Transporteure in der Windenergiebranche vor allem eines: einen langen Atem, wenn der Wind mal nicht weht. Geschäftsfelder für Servicelogistiker Im Kommen: Service- und Austauschlogistik Für Logistiker außerhalb des Schwergutsegmentes ist die Ersatzteillogistik für Windanlagen ein mögliches Geschäftsfeld. Kunden sind häufig nicht die Betreiber, sondern die Hersteller der Anlagen und deren Servicetöchter. "Viele unserer Kunden schließen bereits vor Baubeginn mehrjährige Wartungsverträge mit unseren Kollegen von Siemens Energy Service ab, um einen langfristig wirtschaftlichen Betrieb ihres Windkraftwerks abzusichern", sagt Hannes Reuter, Leiter Onshore bei Siemens. Hier könnten sich Servicelogistiker mit technischem Know-how bei Lagerung und Lieferung von Teilen einklinken. Ein weiterer Trend ist Repowering: Alte Windanlagen werden durch moderne, leistungsfähige Anlagen ersetzt. Laut Reuter gehen aus Effizienzgründen viele Windenergieanlagen schon vor Ende der Produktlebensdauer von 20 Jahren aus dem Markt. "Pro Jahr weichen in Deutschland 300 bis 400 alte Windenergieanlagen neueren Modellen. Es macht einen großen Unterschied, ob Sie auf einer Fläche mit alten 300-Kilowatt-Anlagen arbeiten oder moderne 3-Megawatt-Anlagen einsetzen." hel Globale Leitmesse Wind-Energy Hamburg 2014 Jahrelang galt das nordfriesische Husum als Mekka der deutschen und nordeuropäischen Windenergiebranche. Nun findet erstmals in Hamburg die Wind-Energy als globale Leitmesse statt. 2015 ist wieder Husum an der Reihe.Termin: Dienstag, 23. September, bis Freitag, 26. September 2014 von 9 bis 18 UhrVeranstalter: Hamburg Messe in Kooperation mit Messe Husum & CongressOrt: Gelände der Hamburg MesseZahl der Aussteller: mehr als 1000 Unternehmen aus rund 30 Ländern, darunter Speziallogistiker, Häfen und ReedereienWeitere Informationen: windenergyhamburg.com und husumwind.com hel

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