Entspannung, aber keine Entwarnung

Zeit zum Durchschnaufen: So könnte man vielleicht das letzte Jahr aus Sicht der Unternehmen im Straßengüterverkehr beschreiben. Denn vor allem die etwas bessere Auftragslage hat dazu geführt, dass zumindest einige Transporteure finanziell ein wenig besser dastehen als die Jahre zuvor. Doch von Entwarnung kann keine Rede sein. Der Druck im Markt ist nicht geringer geworden, ganz im Gegenteil. Dazu liefert die Mautstatistik die entsprechenden Belege, denn die ausländischen Anbieter erhöhen Monat zu Monat ihren Anteil an den zurückgelegten Kilometern. Deutschland vorne bei der Kabotage Das lässt sich aber auch an den Zahlen zur Kabotage ablesen, die das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in seinem Marktbeobachtungsbericht Herbst 2015 veröffentlicht hat, der im Februar erschienen ist. Auch wenn zur Kabotage nur Zahlen für das Jahr 2014 vorliegen, kann man davon ausgehen, dass die zu beobachtende Entwicklung sich 2015 fortgesetzt hat. Laut den Zahlen gibt es kein Land in der EU, dass eine solche große Attraktivität für Kabotagetransporte (Transporte von Ausländern im Inland) ausübt wie Deutschland (siehe Grafik 23). Der Zuwachs der Verkehrsleistung durch ausländische Transporteure betrug 2014 22,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kein Land in Europa kommt auch nur annähernd an diesen Wert heran. Allerdings ist bei diesen Angaben auch zu berücksichtigen, dass der deutsche Verkehrsmarkt der größte in Europa ist. Daher ist der Anteil der Kabotage an der gesamten Verkehrsleistung in einem Land (die sogenannte Kabotage-Durchdringungsrate) eine wichtige Größe für die Bedeutung der Kabotage. Für Deutschland betrug dieser Wert im Jahr 2014 4,44 Prozent. Höhere Raten wurden für Belgien (6,20 Prozent), Österreich (5,24 Prozent) und Frankreich (4,85 Prozent) errechnet. Allerdings stieg in Deutschland dieser Wert 2014 stärker als in den drei zuvor genannten Staaten. Die rege Tätigkeit der ausländischen Anbieter in Deutschland ist ein wesentlicher Grund für den hohen Wettbewerbsdruck hierzulande. Da kam es den hiesigen Unternehmen zugute, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland im ersten Halbjahr 2015 preisbereinigt um 1,4 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreshalbjahr zulegte. Infolgedessen verzeichneten viele Unternehmen einen höheren Auftragseingang und eine bessere Auslastung. Besonders positiv heben die BAG-Experten den "Güterverkehr im Bausektor und damit einhergehend den Nah- und Regionalverkehr aufgrund des milden Winters" hervor. Allerdings berichtet das BAG auch von einzelnen befragten Unternehmen, die Umsatzeinbußen im ersten Halbjahr 2015 verzeichneten. Nicht für alle Unternehmen im Straßengüterverkehr waren die ersten sechs Monate 2015 also ein gutes Halbjahr. Doch nahezu alle Transporteure dürften in irgendeiner Form vom niedrigen Dieselpreis profitiert haben. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 sank der durchschnittliche Erzeugerpreis für Dieselkraftstoff bei Lieferung von 50 bis 70 Hektoliter an Großverbraucher um 13,1 Prozent. Auf 94,8 Euro je Hektoliter pendelte sich der Durchschnittspreis im ersten Halbjahr 2015 ein. Das war der niedrigste Wert eines Halbjahres seit 2010. Allerdings hat ein Gutteil der vom BAG befragten Güterkraftverkehrsunternehmen Dieselpreisgleitklauseln mit ihren Auftraggebern vereinbart, sodass die Unternehmen nur bedingt von den sinkenden Kraftstoffpreisen profitieren konnten. Eine entlastende Wirkung ging von den weiter gesunkenen Kreditzinsen aus, wobei das BAG zum Umfang keine näheren Angaben machte. Demgegenüber gibt es jedoch Kostengrößen, die gestiegen sind. So haben viele Unternehmen in neue Fahrzeuge investiert, um von Euro-5- auf Euro-6-Lkw umzusteigen. Die Preise für Euro-6-Lkw lagen nach Angaben der Gesprächspartner des BAG je nach Region, Ausstattung und Hersteller zwischen 5000 und 15.000 Euro über dem ehemals marktgängigen Preisniveau für Euro-5-Fahrzeuge. Allerdings profitierten die Unternehmen gleichzeitig von niedrigeren Verbrauchswerten und geringeren Mautsätzen. Außerdem gaben die von BAG befragten Unternehmen an, dass die Reparaturkosten und die Versicherungsbeiträge gestiegen sind. Eine Preissteigerung durchzusetzen ist der Branche im ersten Halbjahr 2015 nicht geglückt. Die Beförderungsentgelte stagnierten annähernd laut BAG-Bericht. Auf den kürzeren Distanzen waren leichte Preissteigerungen zu beobachten. Demgegenüber mussten die Unternehmen im Fernverkehr und im grenzüberschreitenden Verkehr Abstriche machen. Vor allem bei Neuausschreibungen von Aufträgen führte die hohe Wettbewerbsintensität dazu, dass die Beförderungsentgelte eher rückläufig waren. Die Konkurrenz durch ausländische Anbieter, aber auch der Wettbewerb zwischen Konzernspeditionen und Stückgutkooperationen wurden als Ursachen genannt. Rendite zwischen ein und drei Prozent Unterm Strich führten die unterschiedlichen Entwicklungen dazu, dass "die Mehrheit der befragten Marktteilnehmer im ersten Halbjahr 2015 weiterhin Umsatzrenditen von ein bis drei Prozent erzielte", schreiben die BAG-Experten. Besser haben die Unternehmen abgeschnitten, die neben dem Transport weitere Logistikleistungen anbieten: Sie erwirtschafteten teilweise eine Umsatzrendite zwischen fünf und zehn Prozent. Damit lag jedoch die durchschnittliche Umsatzrendite im Transportgewerbe nach Einschätzung des BAG weiterhin unter dem Niveau der Umsatzrenditen anderer Branchen. Da keine Indizien zu erkennen waren, dass im zweiten Halbjahr 2015 gesamtwirtschaftlich oder im Transportsektor die Entwicklung sich umgekehrt hat, dürften die meisten Aussagen auch für das Gesamtjahr 2015 Gültigkeit haben. Ob dieser Trend anhält, ist jedoch ungewiss. Zumindest die Spediteure beurteilten die zukünftige Entwicklung im Februar 2016 laut einer Befragung des Ifo-Instituts eher skeptisch.

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