Ein Umdenken ist notwendig

Im Straßengüterverkehr sorgen Telematik und Transport-Management-Systeme dafür, dass der Disponent und im Idealfall auch Kunde und Empfänger jederzeit wissen, wann welche Ladung wo ankommt: Softwareprodukte ermitteln die voraussichtliche Ankunftszeit (ETA, Estimated Time of Arrival), immer öfter kommen dabei Machine-Learning-Algorithmen zum Einsatz. Während die ETA-Ermittlung für Lkw also rein Software-seitig kein Hexenwerk mehr ist, sieht es bei der Binnenschifffahrt anders aus. Dass hier Handlungsbedarf besteht, weiß auch die Bundesregierung: "Vor dem Hintergrund einer immer weiter fortschreitenden Digitalisierung in angrenzenden Logistikbereichen wird sich die Binnenschifffahrt verstärkt auf digitale Technologien einlassen müssen, wenn sie zukünftig bei der Planung von Transportketten in gleichem Maße Berücksichtigung finden möchte", heißt es denn auch in dem vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ausgerufenen "Masterplan Binnenschifffahrt". Allein: Diese angesprochenen Technologien stehen noch am Anfang, professionelle Routenplanungssoftware inklusive ETA-Ermittlung und entsprechender Schnittstellen zu den Systemen anderer Verkehrsträger ist Mangelware. Warum die Binnenschifffahrt auch heute noch vergleichsweise analog unterwegs ist, weiß Alexander Schmid, Partner bei Bearing Point. Die Technologieberatung hat gemeinsam mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde und der Technischen Universität Berlin als Kooperationspartner das Forschungsprojekt "Digitaler Schifffahrts Assistent" (DSA) durchgeführt. "Auf Wasserstraßen werden keine Just-in-Time-Transporte abgewickelt, sondern viel Schüttgut und Rohstoffe transportiert. Das Schiff kommt, wann es kommt", beschreibt Schmid die Ist-Situation. Der Informationsfluss erfolge in der Regel via Telefon. Dabei brauche die Binnenschifffahrt die Digitalisierung: "Wenn in den nächsten Jahren im Zuge des beschlossenen Kohleausstiegs die Auslastung unweigerlich sinkt, sollte sie darauf vorbereitet sein, mehr zeitkritischere Güter wie Container termingerecht liefern zu können."Der DSA markiert schon einmal einen großen Schritt in die richtige Richtung: Im Rahmen des vom BMVI-Programm mFUND geförderten Projekts wurde der Prototyp einer App entwickelt, die Binnenschiffern unter anderem durch die Integration von Wasserstandsvorhersagen eine verlässliche Planung ihrer Routen und Ankunftszeiten ermöglichen soll. Die Ortung erfolgt dabei via GPS. Am Feldtest im Herbst 2018 nahmen 53 Schiffsführer, 30 Reeder und sechs Industrievertreter teil. Laut Abschlussbericht kam der DSA bei den Pilot-Testern mehrheitlich gut an: 80 Prozent der Umfrageteilnehmer möchten den DSA als App fortgesetzt sehen. Nächste Stufe Schleusensteuerung Kürzlich wurde im Auftrag des BMVI zudem das Projekt "Intelligente Schleusenzulaufsteuerung" gestartet. "Die Ergebnisse dieses Projekts ergänzen den DSA sehr gut", sagt Schmid. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde sei zudem dabei, ein Kernziel des DSA, nämlich längerfristige Pegelvorhersagen über die üblichen drei bis fünf Tage hinaus, umzusetzen. Wann es allerdings zu einer Kommerzialisierung der Anwendung kommt, ist noch nicht abzusehen. Laut Schmid liefen derzeit zwar Gespräche mit größeren Nutzern, die den DSA in ihre eigenen Dispositionssysteme integrieren möchten. "Die Verfügbarkeit über einen App-Store zeichnet sich dagegen nicht ab. Betriebskosten und Nutzeranzahl stehen in keinem passenden Verhältnis", so Schmid. Der Anteil der Binnenschifffahrt am Transportvolumen liege schließlich im mittleren einstelligen Prozentbereich, für Softwareanbieter also eine eher kleine Zielgruppe. Hoffnungsträger Blockchain Unterdessen läuft schon das nächste Projekt: SINLOG, ebenfalls von BearingPoint koordiniert, untersucht, welche Datenstandards für die Digitalisierung von Frachtdokumenten in der Binnenschifffahrt infrage kommen und wie sie mit denen der anderen Verkehrsträger synchronisiert werden können. Bei der Erprobung von Lösungsansätzen soll auch die Blockchain-Technologie zum Einsatz kommen. Der dritte Schritt vor dem ersten? BearingPoint-Partner Schmid sieht dies genau umgekehrt: "Gerade weil in der Binnenschifffahrt keine Alt-Systeme überwunden werden müssen, sehe ich die Chance, dass dieser Verkehrsträger Innovationstreiber für alle werden kann." Im Herbst startet der Feldtest. Mehr zum Thema finden Sie unter #Binnenschifffahrt www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Während die Ermittlung der voraussichtlichen Ankunftszeit (ETA) im Straßengüterverkehr kein Hexenwerk mehr ist, sieht es bei anderen Modalitäten wie der Binnenschifffahrt anders aus. Mehrere vom Bund geförderte Initiativen sollen diesem Verkehrsträger nun zu einem Digitalisierungsschub verhelfen.

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