Ein Lichtblick im Konjunkturtief

Eigentlich kann sich Emile Hoogsteden entspannt zurücklehnen. Während andere Unternehmen die Folgen des Abschwungs spüren, sieht der Vizepräsident des Rotterdamer Hafens immer mehr Containerschiffe in die Terminals fahren. Um 6,4 Prozent sind im ersten Halbjahr 2019 die umgeschlagenen TEU (20-Fuß-Container) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Insgesamt wurden 7,5 Millionen TEU gezählt: ein neuer Rekord. Leichte Abschwächung droht Damit setzt der Hafen seinen Wachstumskurs fort. Im Gesamtjahr 2015 betrug das Umschlagsvolumen in Rotterdam noch 12,2 Millionen TEU, im letzten Jahr waren es bereits 14,5 Millionen TEU. Für 2019 rechnet Hoogsteden mit 15 Millionen TEU - wobei das angesichts des guten ersten Halbjahrs 2019 eine vorsichtige Annahme ist. Andererseits gab Allard Castelein, CEO des Port of Rotterdam, bei der Vorlage der Halbjahreszahlen in der vergangenen Woche die Prognose ab, dass er "angesichts der globalen Unsicherheiten eine leichte Abschwächung beim Wachstum des Güterumschlags in der zweiten Jahreshälfte 2019" erwartet. Fragt man Hoogsteden nach den Gründen für die Steigerungsraten, nennt er zunächst mal die Wassertiefe des aufkommensstärksten Hafens in Europa. Große Containerschiffe können daher zu jeder Zeit - egal, ob Ebbe oder Flut - Rotterdam anlaufen: ein Vorteil im Vergleich zu den Konkurrenten Bremerhaven und Hamburg. Nicht zuletzt deshalb, weil die Containerschiffe immer größer werden. So hat die Werft Daewoo am 18. Juli die MSC Mina an die Reederei MSC ausgeliefert. Mit einer Kapazität von 23.656 TEU ist das Schiff damit nach Angaben des Branchendienstes Alphaliner das größte Containerschiff der Welt und hat diesen Titel der MSC Gülsün mit 22.900 TEU abspenstig gemacht, die nur wenige Tage zuvor ausgeliefert worden war. Als weiteren Vorteil von Rotterdam nennt Hoogsteden die Kapazitäten. Mit dem Bau der Maasvlakte II sind drei neue Container-Terminals dazugekommen. Die Umschlagskapazität des Hafens beziffert Hoogsteden auf derzeit 17 Millionen TEU. Dabei soll es nicht bleiben: "Wir müssen unsere Kapazitäten im Hafen weiter erhöhen", kündigt der Hafen-Manager gegenüber der Verkehrs-Rundschau an. Denn alleine in diesem Jahr würden 46 neue Großschiffe mit mehr als 20.000 TEU ausgeliefert werden. Als weiteres Plus sieht Hoogsteden die guten Hinterlandanbindungen an, weshalb in Rotterdam nicht nur Container weiterverschifft würden, sondern auch das europäische Festland zum Ziel hätten. Hier spielt die Bahn eine wichtige Rolle. Bis 2030 soll der Modal Split auf der Maaslvakte 20 Prozent statt 13 Prozent (2012) betragen. Da ist noch einiges zu tun, wie Hoogsteden zugesteht: "Wir sind noch nicht dort, wo wir gerne wären. Aber wir glauben, dass wir die Vorgaben erreichen können." Zu den anstehenden Aufgaben gehört die Bündelung der Container. Denn die Schiffe fahren nur immer ein Terminal an. Die Boxen auf den Zügen, die in das Hinterland fahren, speisen sich jedoch in der Regel mit Einheiten für oder aus verschiedenen Terminals. Deshalb baut der Hafen gerade eine Container Exchange Route (CER) an der Maasvlakte. Für diese 175 Millionen Euro teure Schienenanbindung, die Deepsea-Containerterminals, Leerdepots, Bahnterminals und Distributionsunternehmen auf der Maasvlakte miteinander verbinden soll, wurde im Mai der erste Pfahl eingeschlagen. Die Fertigstellung ist für Ende 2020 geplant. Drittes Gleis bei Emmerich ist notwendig Aber auch neue Verbindungen müssen aufgebaut werden. Hoogsteden verweist auf Pläne des Anbieters Boxxpress, der bislang vor allem im Hinterlandverkehr von Bremerhaven und Hamburg tätig ist. Laut Hoogsteden plant das Bahnunternehmen jetzt weitere Angebote zwischen Stuttgart, Nürnberg und Rotterdam. 20.000 TEU sollen so jährlich mit den Boxxpress-Zügen abgewickelt werden. Fortschritte mahnt Hoogsteden aber auch bei der Infrastruktur an: "Wir brauchen das dritte Gleis zwischen Oberhausen und Emmerich, da muss noch einiges getan werden." Mit dem Planfeststellungsverfahren gehe es nicht wirklich schnell, kritisiert er. Die Bahnlinie ist die Verlängerung der Betuwe-Linie, einer reinen Güterverkehrsstrecke auf niederländischem Gebiet, und daher wichtig für die Hinterlandanbindung per Bahn. Vielleicht sind solche Lücken im Netz auch der Grund, warum Hoogsteden trotz Aufkommenswachstums eine gewisse Unruhe an den Tag legt. Denn der Hafen wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Hinterlandanbindungen einen reibungslosen Ab- und Zulauf der Boxen garantieren. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seehäfen www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Trotz einer konjunkturellen Abschwächung wuchs das Containeraufkommen im Hafen Rotterdam im ersten Halbjahr 2019 kräftig. Im Hafen gibt es daher Überlegungen, die Umschlagskapazitäten weiter auszubauen. Höhere Import- und Transshipmentvolumen sorgen für Wachstum Der Hafen Rotterdam hat für das erste Halbjahr 2019 den Gesamtumschlag um 3,4 Prozzenet auf 240,7 Millionen Tonnen steigern können. So viele Güter hat der Hafen in seiner Geschichte noch nie in einem ersten Halbjahr abgewickelt.Das Containergeschäft floriert derzeit besonders. Bei den umgeschlagenen TEU (20-Fuß-Container) betrug die Zunahme 6,4 Prozent. In Tonnen kletterte das Volumen mit 4,8 Prozent nicht ganz so stark. Als Treiber des Wachstums wird das höhere Import- und Transshipmentvolumen genannt. Die steigenden Mengen haben zu einem Umsatzplus in Höhe von vier Prozent geführt. Das Betriebsergebnis verbesserte sich sogar um sieben Prozent auf 134,8 Millionen Euro. Das Geld soll unter anderem in höhere Infrastruktur-Investitionen fließen. cd