Ein Blick in die Zukunft

Man hört auch ungewöhnliche Vorschläge wie diese beim Weltverkehrsforum: Anstatt Brücken für die Ewigkeit zu bauen, sollte man sie lieber kostengünstig konstruieren und so auslegen, dass sie im Falle eines Schadens durch extreme Wetterverhältnisse schnell wieder aufgebaut werden können. Vor allem für unterentwickelte Länder wurde dieser Gedanke in einer Veranstaltung zu den Auswirkungen des Klimawandels ernsthaft diskutiert. Das Treffen der Verkehrsminister aus 54 Mitgliedsländern des International Transport Forums (ITF) stand in diesem Jahr im Zeichen der großen Megatrends, die unsere Zukunft und damit auch die Zukunft der Mobilität in den kommenden Jahrzehnten beeinflussen und grundlegend verändern. Neben dem Klimawandel beschäftigten sich die Minister und Verkehrsexperten aus aller Welt mit den Auswirkungen des demografischen Wandels, der Verschiebung der weltwirtschaftlichen Gewichte auf der Landkarte, der zunehmenden Digitalisierung sowie den Folgen veränderter Lebensstile auf den Transport der Zukunft (siehe Kasten Seite 21). Anpassung an den Klimawandel Den möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Transportströme war eine eigene Veranstaltung in Leipzig gewidmet. Regierungen haben die Bedrohung durch Extremwetterereignisse längst erkannt: So sehen die nationalen Anpassungsstrategien an den Klimawandel in Ländern wie Frankreich, Deutschland oder USA eine Risikoanalyse für kritische Infrastrukturen im Verkehrsbereich vor. Alan McKinnon, der an der Kühne Logistics University in Hamburg lehrt, warnte Logistikdienstleister davor, sich alleine auf die Vorsorge der Infrastrukturbetreiber zu verlassen - man solle stattdessen selbst aktiv werden. "Die Logistiksysteme sind heute so 'lean', dass es keine Redundanzen mehr gibt", warnte der Wissenschaftler. Wenn eine Rückfallebene im Falle einer Unterbrechung von Transportketten durch Naturereignisse fehlt, werden Logistikketten anfällig gegen Störungen. Die Resilienz von Logistikketten, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen, werde künftig ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein. Beim Lebensmittelkonzern Nestlé liegen solche Pläne in den Logistikabteilungen bereit, sagte Chris Tyas, Logistikchef des Konzerns. Wenn beispielsweise die Kaffee-Ernte in einem Land nicht über den gewohnten Verschiffungshafen laufen kann, müssen Kapazitäten auf alternativen Verkehrswegen bereitgehalten werden. Nur eine Unsicherheit mehr Felix Stenschke, Leiter des Direktorats für Wasserwege im Bundesverkehrsministerium, sieht im Klimawandel nur einen weiteren Faktor im Konzert vieler Unsicherheiten, die das Handeln des Ministeriums täglich vor Herausforderungen stellt. "Wenn ich mir ansehe, dass der Transport von Steinkohle 40 Prozent der Binnenschifffahrt ausmacht, dann ist die Frage der künftigen Energiegewinnung weitaus entscheidender für die Zukunft dieses Verkehrsträgers als der Klimawandel", sagte Stenschke. Wahr sei aber auch, dass man durchaus Überlegungen anstelle, ob es in der Elbe künftig überhaupt noch genügend Wasser geben werde, um Binnenschifffahrt sinnvoll zu betreiben. Für den Gastgeber der Veranstaltung, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), war die Agenda des Gipfels eine Steilvorlage. Der Minister fürs Digitale sprach sich in Leipzig für eine stärkere Digitalisierung der Verkehrswege aus. Neue Technologien wie Telematik, Car-to-Car-Kommunikation und Verkehrsinformationen in Echtzeit sollen die Straßen nicht nur sicherer machen, sondern auch leistungsfähiger. "Wir werden beim Verkehrsaufkommen alle Prognosen der Vergangenheit bei Weitem übertreffen", sagte der Minister. "Wir müssen daher auf den Verkehrswegen höhere Kapazitäten erzeugen, dazu kann die Digitalisierung beitragen", so Dobrindt. "Es geht darum, Strecken digital so abzubilden, dass Verkehre wesentlich besser vorhersehbar werden." Derzeit bereite man eine Pilotstrecke in Deutschland vor, um die dafür nötige Sensorik zu testen. "Wir müssen die Digitalisierung in die Verkehrsträger hineinbringen", forderte der Verkehrsminister. In Kürze wolle er eine entsprechende Digitalisierungsoffensive mit der Deutschen Bahn starten. Weltverkehrsforum Veranstalter des internationalen Treffens der Verkehrsminister in Leipzig ist das International Transport Forum (ITF) der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Das ITF versteht sich selbst als Thinktank der globalen Verkehrspolitik und hat seinen Sitz in Paris. Zum Weltverkehrsforum 2014 kamen mehr als 1000 Teilnehmer aus 80 Ländern. diwi