E-Frachtbrief in der Warteschleife

"Die Ergebnisse waren sehr ermutigend", heißt es im Jahresbericht des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) über den Pilotversuch zum elektronischen Frachtbrief (E-CMR). An dem unter dem Dach des EU-Projekts Aeolix zwischen April und Juni 2019 durchgeführten Living Lab 12 waren der BGL mit zwölf Mitgliedern sowie Schwesterverbände aus Tschechien, Griechenland, Serbien und Rumänien beteiligt (siehe auch VR 18/2019). Die teilnehmenden Unternehmen arbeiteten mit einem digitalen Frachtbrief, der über die Plattform TransFollow erstellt und quittiert wird. Dabei erzeugt eine Smartphone-App automatisch einen QR-Code, der vom Verlader und dem Beförderer bei Ladungsaufnahme und vom Beförderer und Empfänger bei Ablieferung jeweils gescannt wird. So erkennt das System die jeweilige Übergabe und vermerkt den aktuellen Stand im elektronischen Frachtbrief. Die Vorteile sind offensichtlich: einmaliges Anlegen der Stammdaten, die Papiere können nicht nachträglich verändert werden, und das Ausdrucken und Versenden von Papierdokumenten entfallen. Studie belegt hohe Kostenersparnis Darauf, dass der E-Frachtbrief Zeit und damit auch Kosten spart, verwies zuletzt auch die Plattform TransFollow. Laut einer aktuellen Studie der Universität Hasselt in Belgien spare die Partei, die den Frachtbrief erstellt, im Schnitt knapp elf Minuten, das Transportunternehmen bis zu zehn Minuten pro Dokument. Diese Zeitersparnis wurde in der Studie auf Basis des durchschnittlichen Stundenlohns in Belgien in administrative Kosten umgerechnet. Das Ergebnis: Pro gedruckten Frachtbrief fielen Kosten von 22,83 Euro an, in der digitalen Version 9,72 Euro. Das entspricht somit einer Gesamtersparnis von 13,11 Euro pro Frachtbrief. Deutschland im Ratifizierungsstau Gründe genug also, die für den E-CMR sprechen. Hierzulande steht dem Abschied von der Zettelwirtschaft allerdings noch eine entscheidende Hürde im Weg: Bereits im Jahr 2008 wurde ein Zusatzprotokoll geschaffen, welches festlegt, dass bei Beförderungen, für die das CMR (Abkommen über die internationale Beförderung auf der Straße) gilt, der Frachtbrief auch in elektronischer Form ausgestellt werden kann. Über ein Dutzend Länder haben dieses E-CMR-Zusatzprotokoll ratifiziert - Deutschland allerdings bis dato nicht. Wann die Bundesregierung diesen überfälligen Schritt vornimmt, kann auch Guido Koschany, der beim Pilottest im Frühsommer als Projektleiter für die Koordination des Living Lab 12 beim BGL zuständig war, nicht sagen. "Wir können dem Ministerium erklären, warum wir den E-Frachtbrief brauchen und auf die Dringlichkeit verweisen - letztendlich haben wir es aber nicht in der Hand, wann der Entwurf erstellt wird", so Koschany (siehe auch Interview). Aber selbst wenn der gesetzliche Weg für den E-CMR geebnet ist - bei allen grundsätzlichen Vorteilen, die im Zuge des Living Lab 12 bestätigt wurden, gibt es an so manchen Stellen nach wie vor Klärungsbedarf. So verweist Koschany etwa auf Fragen nach dem Sicherheitslevel des Signaturvorgangs, den noch ausstehenden Test des E-Frachtbriefs im Kombinierten Verkehr und auf die Endgeräteproblematik bei der TransFollow-App, die es nach wie vor nur für Android gibt. Empfänger mit IPhone schauten daher beim Pilottest in die Röhre. Mehr zum Thema finden Sie unter #Apps www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Das Konzept digitaler Frachtbrief (E-CMR), das in diesem Sommer auch von BGL-Mitgliedsunternehmen getestet wurde, ist vielversprechend. Bis zur Einführung in Deutschland sind allerdings noch einige Hürden zu überwinden, sowohl auf gesetzlicher Ebene als auch in der praktischen Umsetzung. "Eine Basis, mit der sich arbeiten lässt" Der Pilottest zum E-CMR ist abgeschlossen. Wie lautet Ihr Fazit, und wie geht es mit dem Projekt jetzt konkret weiter?Wir sind froh, dass wir mithilfe des Living Lab 12 eine Basis geschaffen haben, mit der sich arbeiten lässt. Wir werden uns auch weiterhin eng mit unseren europäischen Schwesterverbänden austauschen. Perspektivisch soll eine Art Lastenheft entstehen, in dem abgeglichen wird, was die Transportunternehmer in Deutschland wirklich brauchen und was E-Frachtbrief-Anwendungen, die in anderen europäischen Ländern bereits zum Einsatz kommen, im Einzelnen zu bieten haben. Vor allem aber würden wir gerne in der Praxis erproben, ob und wie das Konzept E-Frachtbrief verkehrsträgerübergreifend funktioniert. Die Pilottests in diesem Sommer bezogen sich nur auf den Straßentransport. Ob sie auf den Kombinierten Verkehr ausgeweitet werden, hat allerdings die EU-Kommission zu entscheiden.Wo herrscht sonst noch Klärungsbedarf?Vor allem bei der Frage nach dem Sicherheitslevel des Signaturvorgangs. Hier müssen wir festlegen, was wir eigentlich wollen: Absolute Rechtssicherheit mit der qualifizierten elektronischen Signatur, die beispielsweise im Abfallrecht zum Einsatz kommt? Bei Baustellentransporten dagegen dürften "weichere" Varianten wie Sign-on-Glass oder auch der auf QR-Codes basierende Ansatz von TransFollow völlig ausreichen. Wichtig wäre in jedem Fall, dass die Lösung auf allen Endgeräten funktioniert. Das ist bei TransFollow, einer reinen Android-App, nach wie vor nicht der Fall. Der entscheidende Baustein im Gesamtkonzept, der noch fehlt, ist jedoch die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum CMR hier in Deutschland.Wie ist hier der aktuelle Stand?Der BGL steht mit dem Bundesjustizministerium in engem Austausch. Wir können dem Ministerium erklären, warum wir den E-Frachtbrief brauchen, und auf die Dringlichkeit verweisen - letztendlich haben wir es aber nicht in der Hand, wann der Entwurf erstellt wird. Uns wurde aber zugesagt, dass mit einer Ratifizierung noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen ist.Der E-Frachtbrief könnte auch bei der Umsetzung automatischer Notfallmeldungen bei Gefahrgutunfällen Vorteile bringen, ergab eine Simulation Ihres Verbands. Wann könnte sie Realität werden?Bei der Simulation, die wir auch in Form eines Films vorgestellt haben, handelt sich um ein Modell, dessen Umsetzung allerdings noch entfernt erscheint. Gefahrgut wird nach UN-Recht behandelt, und bislang konnte man sich international nicht einigen, auf welchen Servern die Daten zur Fracht gespeichert werden, und vor allem, wer darauf Zugriff hat. Frankreich etwa könnte sich vorstellen, dass auch Behörden darauf zugreifen dürfen, um Bußgelder zu verhängen - so etwas wäre in Deutschland undenkbar. mh

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