Duisburger Debatten

Das Logistics Forum in Duisburg der Bundesvereinigung Logistik (BVL) fand dieses Jahr bereits zum 11. Mal statt. Motto der diesjährigen Veranstaltung: „Nachhaltigkeit durch Effizienz – Kosten senken, Ressourcen schonen“. Laut BVL kamen 550 Teilnehmer nach Duisburg. Der diesjährige Preisträger des Logistics Service Awards 2010 ist der Baulogistiker Bauserve. Das Unternehmen wurde für das in Frankfurt/Main umgesetzte Modell eines eigenständigen Dienstleistungsgewerkes für Großbaustellen ausgezeichnet. eh Duisburger Debatten „Nachhaltigkeit durch Effizienz – Kosten senken, Ressourcen schonen“ – über dieses Thema diskutierten Experten aus Industrie, Handel und Logistik auf dem 11. Logistics Forum. Lag es an der Wirtschaftskrise, an der zeitlichen Nähe zur Messe Logimat 2010 oder lag es an der Themenauswahl? Fakt ist: Das 11. Logistics Forum der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in Duisburg hatte es in diesem Jahr schwer: 550 Teilnehmer kamen der BVL zufolge an den Niederrhein; „gefühlte 350 Besucher“ waren es nach Wahrnehmung diverser Aussteller, die sich mehr Resonanz gewünscht hätten. Heiß diskutiert: Rampen-Wartezeiten Gleichwohl: „Das Motto ,Nachhaltigkeit durch Effizienz – Kosten senken, Ressourcen schonen‘ war gut gewählt“, darin waren sich alle befragten Teilnehmer einig. Nur die Themenpalette war einigen „zu breit gefächert“. Sie reichte von der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierung über die Rampenproblematik, Nachhaltigkeit, Euro 6 bis hin zu Themen wie Mitarbeiterqualifizierung und Mittelmeer-Häfen. „Ein stärkerer Fokus auf das eigentliche Schwerpunktthema ,Grüne Logistik‘, wäre vielleicht sinnvoller gewesen“, urteilte ein Teilnehmer, der namentlich nicht genannt werden wollte. Denn eines steht fest: Grüne Logistik und Nachhaltigkeit bleiben die maßgeblichen Trends und haben durch die Wirtschaftskrise ihre Bedeutung nicht verloren. Im Gegenteil: 74 Prozent der Industrie-, Handels- und Logistikbetriebe gehen bis 2015 sogar von einer deutlich größeren Bedeutung aus. Das bestätigt eine Studie von Professor Frank Straube, Leiter des Bereichs Logistik am Institut für Technologie und Management der TU Berlin, die er jetzt in Duisburg präsentierte. Außerdem stellen laut Straube immer mehr Firmen fest, dass optimierte Supply Chains (Wertschöpfungsketten) nicht nur signifikant CO2-Emissionen, sondern auch konkret Kosten senken helfen. Ebenfalls interessant: die Ausführungen zum Themenblock „sparsame und emissionsarme Fahrzeugtechnologien“ mit Meinrad Signer, Vize-Geschäftsführer der Iveco Motorenforschung, Lars Möch vom Umweltbundesamt und den Branchenvertretern Markus Bappert (Ludwig Meyer GmbH & Co. KG) und Steven Van Brussel (Fedex Express). Zwei Zahlen ließen hier insbesondere aufhorchen: Zwischen 5000 bis 15.000 Euro dürfte bei schweren Nutzfahrzeugen die Euro-6-Variante in der Anschaffung teurer kommen, so Iveco-Mann Signer. Zusätzlich dürfte seinen Aussagen zufolge „bis zu zwei Prozent Diesel-Mehrverbrauch“ zu Buche schlagen. Wohl am heftigsten diskutiert wurde auf dem Forum das Thema „LKW-Standzeiten an Be- und Entladerampen minimieren“, auch wenn sich die Mitdiskutanten um Moderator Stefan Krautwurst-Leister (Bereichsleiter Dachser Food Logistics) nach außen hin geschlossen zeigten. Frage hier: Hilft das neue Zeitfenster-Managementsystem Mercareon, das der Handelskonzern Rewe seit 2009 einsetzt, tatsächlich, die Wartezeiten an den Rampen zu verkürzen und damit Kosten zu sparen? „Auf jeden Fall läuft das System zufriedenstellend“, zeigte sich Rewe-Mann Matthias Bähr, Leiter Zentrale Logistik, überzeugt und belegte dies anhand aktueller Auswertungen: „51,78 Prozent der Lieferfahrzeuge“ hätten dank Mercareon im Dezember 2009 pünktlich bei Rewe angeliefert und seien zu 90 Prozent in den vereinbarten Zeitfenstern abgefertigt worden. Der Handelskonzern werde deshalb das neue System innerhalb der nächsten sechs Monate an allen Standorten ausrollen, kündigte Bähr in Duisburg an. Die Tücken des neuen Zeitfenster-Managementsystems, aus Sicht eines Transportdienstleisters, ließen sich aufgrund der Ausführungen von Steffen-Kai Schober, Geschäftsführer Schober Transport GmbH, jedoch erahnen. Schobers Resümee nach den jüngsten Piloterfahrungen: liefern seine LKW zu den vorab gebuchten Zeitfenstern an der Rewe-Rampe an, ist der Kostenvorteil da: „Bei 20 Euro Lohnkosten in der Stunde sind das 7,97 Euro“, hat er ermittelt. Teuer wird es für ihn, wenn seine LKW nicht in dem gebuchten Zeitfenster liefern. „Jede Wartestunde kostet dann 20 Euro zusätzlich“, so Schober. Damit nicht genug: Auch der „Kampf um die besten Zeitfenster“ vereinfache das Thema nicht. Und noch schlimmer: Bislang ist nicht geklärt, wer in der Lieferkette für die 2,50 Euro aufkommen muss, die pro Zeitfensterbuchung anfallen – ob die Lieferanten, die Transport- und Speditionsdienstleister oder der Handelskonzern Rewe selbst. Fest steht nur: Das Problem Wartezeiten an der Rampe ist von allen Gliedern in der Transportkette erkannt, erste Lösungsansätze sind in Sicht – zumal auch andere Anbieter wie etwa Cargoclix an interessanten Zeitfenster-Managementsystem-Lösungen stricken. Bis zur Lösung des Rampenproblems wird es aber sicher noch mehr Diskussionsrunden brauchen. ❙❚■ Eva Hassa Auf der Suche nach der richtigen Antwort auf die Wirtschaftskrise: Aussteller und Besucher auf dem BVL Logistics Forum Rewe-Mann Bähr: Will Rampenproblem lösen LKW-TransitVerkehre 1991 2000 2002 2009 Alpenquerender Güterverkehr durch die Schweiz (1991 bis 2008) Die Einführung der LSVA im Jahr 2001 hat nur ein leichtes Absinken des LKW-Transits bewirkt. ak 1.500.000 1.250.000 1.000.000 750.000 500.000 250.000 0 1.249.000 800.000 1.404.000 1.180.000 Röhre des im Bau befindlichen Gotthard-Eisenbahntunnels Durchbruch oder Sackgasse? Der Gotthard-Basistunnel steht vor dem Durchbruch. Das Milliardenprojekt könnte sich aber schnell zur Sackgasse für den LKW-Verkehr im Alpentransit entwickeln. Im Herbst 2010 ist es so weit: Eines der wichtigsten und mit insgesamt rund elf Milliarden Euro Investitionsvolumen teuersten Infrastrukturprojekte schafft im wahrsten Sinne des Wortes den Durchbruch. Spätestens wenn das Laub der Bäume in den Schweizer Bergen braun wird, soll der Hauptdurchstich des Gotthard-Basistunnels erfolgen. Die Arbeiten liegen laut Schweizer Bundesamt für Verkehr voll im Zeitplan. Die Inbetriebnahme des Jahrhundertbauwerks sei weiterhin für das Jahr 2017 fest geplant. Alpenquerung auf nur 550 Meter Höhe Der dann mit 57 Kilometern längste Eisenbahntunnel der Welt ist das Herzstück der „Neuen Eisenbahn-Alpentransversale“ – kurz NEAT, die nach Fertigstellung des Ceneri-Basistunnels 2019 voll betriebsbereit sein soll. Die NEAT verbindet das durch das Alpenmassiv getrennte Nord- und Südeu-ropa erstmals mit einer Flachbahnstrecke. Statt 1150 Meter zu überwinden, fahren die Züge bei der Durchquerung des Gotthard-Tunnels auf Höhe von München (550 Meter über Meeresspiegel) durch die Alpen. Dadurch sollen Güterzüge schneller und mit weniger Lokomotiven das Gebirge durchqueren. Doch nicht nur der Bahn-Verkehr durch die Alpen wird revolutioniert. Auch die LKW-Transporte durch die Schweizer Alpentäler werden massiv betroffen sein. Denn ebenfalls bis zum Jahr 2019 will die Schweizer Regierung es schaffen, die Vorgaben des Parlaments und eines Volksentscheids zu erfüllen. Bis dahin sollen jährlich maximal nur noch 650.000 Lastkraftwagen die Schweiz durchqueren. Das entspricht ungefähr einer Halbierung der Verkehrsmenge, die derzeit gezählt wird. Ein drastischer Einschnitt für den LKW-Verkehr. Eigentlich sollte die schon vor zehn Jahren gesetzte Zielmarke im vergangenen Jahr – zwei Jahre nach Eröffnung des Lötschberg-Tunnels – erreicht sein. Die Politiker mussten jedoch erkennen, dass dies nicht möglich war – deshalb wurde das Jahr 2019 als neues Zieldatum festgeschrieben. Eine Vorgabe, die ohne weitere Maßnahmen kaum zu erreichen sein wird. Denn schon die für nächstes Jahr formulierte Zwischenmarke von jährlich maximal einer Million alpenquerender LKW-Fahrten wird nach Expertenmeinungen kaum zu erreichen sein. Um bei steigendem Güteraufkommen eine Halbierung der LKW-Verkehre zu schaffen, werden die Schweizer gezwungen sein, drastischere Maßnahmen zu ergreifen. Denn bei der heutigen Leistungsfähigkeit der Bahnen werden die Verlader kaum freiwillig die Hälfte ihrer Waren auf die Schiene verlagern. Auch eine Erhöhung der LKW-Maut wird nicht ausreichen, zumal das Schweizer Bundesverwaltungsgericht kürzlich die zehnprozentige Erhöhung der LSVA aus dem Jahr 2008 rückgängig gemacht hat. Die Schweizer Regierung ficht dieses Urteil zwar gerade vor dem Bundesgericht an, die Chancen einer Rücknahme der richterlichen Entscheidung stehen nach Meinung von Experten aber schlecht. Radikale Verknappung So bleibt den Schweizern eigentlich nur noch ein Mittel: Die radikale Verknappung der Transitverkehre durch eine Begrenzung der Durchfahrtsrechte. Unter dem Stichwort „Alpentransitbörse“ wurde diese Idee 2008 im Schweizer Güterverkehrs-Verlagerungsgesetz aufgenommen. Bei diesem Modell sollen die limitierten Durchfahrtsrechte unter den Transporteuren versteigert und auch gehandelt werden. Schon im kommenden Jahr wollen die Eidgenossen ihren Nachbarn das Konzept im Detail vorstellen. Experten erwarten, dass die Durchfahrtsrechte dabei vielleicht auch unter dem modernen Begriff des „Emissionshandels“ vergeben werden könnten. Mit Spannung erwartet wird, ob Österreich, das fünfmal so viele alpenquerende LKW-Transporte verkraften muss, dem Vorschlag der Schweizer folgend wird. Geschieht dies, dann kann sich der Durchbruch beim Gotthard schnell zur Sackgasse für den LKW-Verkehr Richtung Alpen entwickeln. ❙❚■ Andre Kranke Neue Eisenbahntunnel durch die Alpen Gotthard, Ceneri und Lötschberg sind Kern der NEAT Kern der „Neuen Eisenbahn-Alpentransversale“ (NEAT) ist der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel (geplante Inbetriebnahme 2017), der 15,4 Kilometer lange Ceneri-Basistunnel (2019) und der in acht Jahren Bauzeit 2007 fertiggestellte 34,6 Kilometer lange Lötschberg-Basistunnel. ak „Weitere Verlagerungen auf die Bahn sind möglich“ Der Vizedirektor des Schweizer Bundesamts für Verkehr, Pieter Zeilstra, erläutert, wie er mehr alpen-querende LKW-Transporte auf die Schiene bringen will und warum der Eurocombi keine Lösung ist. Welche Auswirkungen auf die Verkehrsströme wird die Inbetriebnahme des Gotthard- und des Ceneri-Basistunnels haben? Pieter Zeilstra: Durch den Gotthard-Basistunnel wird es erstmals eine Flachbahn mit sehr geringen Steigungen durch die Alpen geben. Dadurch benötigen die Bahnunternehmen keine zusätzlichen Lokomotiven. Dies erhöht die Wirtschaftlichkeit der Strecke enorm. Zusammen mit dem vor zwei Jahren fertiggestellten Lötschbergtunnel verfügen wir dann über zwei moderne alpenquerende Eisenbahntrassen, was zu einer deutlichen Erhöhung der Zuverlässigkeit des Verkehrsträgers Bahn führen wird. Das wird Einfluss auf die Verkehrsströme haben und weitere Verlagerungen möglich machen. Zwei Drittel der alpenquerenden Güter durch die Schweiz werden per Bahn befördert. Lässt sich der Anteil wirklich ausbauen? Ja, das ist möglich. Und vor allem durch die Einführung einer Transitbörse in allen Alpenstaaten könnte es zu deutlich mehr Verlagerungen kommen. Denn bei unseren Nachbarn laufen heute immer noch deutlich über zwei Drittel der Gütertransporte auf der Straße. Welche Hindernisse sehen Sie bei der Umsetzung einer Transitbörse? Es wird nicht einfach, eine Lösung zu finden, die auch von den Nachbarländern und der EU mitgetragen wird. Technische und organisatorische Probleme sehe ich nicht. Wie wäre es, mittels Eurocombis LKW-Transitverkehre zu reduzieren? Der Schweizer Bundesrat hat vor Kurzem bei einer parlamentarischen Anfrage klargemacht, dass die Zulassung von Gigalinern in der Schweiz nicht zur Diskussion steht. Mit welcher Begründung? Es fehlen die finanziellen Mittel, die Straßen für diese 60-Tonnen-Lastwagen auszubauen. Die Belastungen sind für unsere Straßen zu hoch. Die Schweizer Verkehrspolitik setzt die Prioritäten im alpenquerenden Verkehr beim Ausbau der Bahn. Und 40-Tonner-Eurocombis? Auch diese des Art des Eurocombi ist derzeit in der Schweizer Politik nicht mehrheitsfähig. Denn auch bei gleichbleibendem Gewicht wären wegen der zusätzlichen Länge größere Anpassungen an den Straßen nötig, beispielsweise größere Durchmesser von Verkehrskreiseln. ak Interview Pieter Zeilstra

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