Berlin. Die digitale automatische Kupplung kann die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs langfristig deutlich verbessern, aber der Aufwand für die flächendeckende Einführung ist erheblich. Das geht aus dem Abschlussbericht der am Montag in Berlin vorgestellten sogenannten Migrationsstudie für das Bundesverkehrsministerium hervor.
Allein für die EU-27 plus Schweiz, Norwegen und Großbritannien betrage das Nutzenpotenzial rund eine Dreiviertelmilliarde Euro Euro pro Jahr, errechneten die Autoren unter Federführung der Unternehmensberatung hwh. Größte Vorteile sind geringerer Rangieraufwand, höhere Systemgeschwindigkeit, schwerere Züge, höhere Geschwindigkeit, Erschließung neuer Marktsegmente, automatische Bremsprobe und die Möglichkeit, digitalisierte Prozesse aufzusetzen.
Amortisierung der Kosten erst nach 18 Jahren
Allerdings amortisieren sich die Kosten für die Migration von der Schraubenkupplung zur DAK von geschätzt rund 6,4 bis 8,6 Milliarden Euro im Basisszenario mit sechs Jahren Übergangsphase erst nach 18 Jahren. Ein Amortisationszeitraum von neun Jahren wäre nur dann denkbar, wenn sich Anschaffungs- und Einbaukosten halbieren ließen. In der Einführungsphase mit aufwendigem Parallelbetrieb von Schraubenkupplung und DAK sind sogar höhere Kosten im Betrieb zu erwarten. Entweder müssten separate Züge gebildet oder Zwischenwagen eingesetzt werden. Angesichts der geringen Margen halten die Gutachter deshalb eine Förderung durch die öffentliche Hand – sei es EU oder Nationalstaaten – für unumgänglich. Eine denkbare Lösung sehen sie in Mietmodellen, um so die Bilanzen der Wagenhalter zu entlasten.
Den umzurüstenden Güterwagenbestand beziffern die Gutachter mit 432.000 bis 485.000 Wagen. Hinzu kämen 17.000 Lokomotiven. Engpässe für eine schnellere Umrüstung sehen sie unter anderem in den Produktionskapazitäten der Kupplungshersteller und den Kapazitäten der Werkstätten.
Im Moment sind laut Projektleiter Stefan Hagenlocher von hwh drei Kupplungs-Grundtypen von vier Herstellern in der engeren Wahl. Er betonte allerdings, dass es für die DAK einen offenen Standard geben müsse. „Alles andere verbietet sich auch aus ordnungspolitischen Gründen“, ergänzte Jens Klocksin, zuständiger Referatsleiter im BMVI.
BMVI will noch im Sommer mit einem Demonstratorzug starten
Um Praxisfragen zu klären, will das BMVI noch im Sommer mit einem Demonstratorzug starten. Bis 2023 soll dann die künftige Kupplung ausgewählt und normiert werden, so dass ab 2024 die Umrüstung anlaufen kann. Auch Schweden will im September einen Demonstratorzug auf das Gleis bringen. Klocksin sagte, dass es darüber hinaus in den Niederlanden, Frankreich, Österreich und der Schweiz eine große Offenheit für das Thema gebe. Verkehrsstaatsekretär Enak Ferlemann kündigte an, die DAK zu einem Leitthema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 zu machen. (roe)
Andreas Enders