Berlin. Dieter Opp, vormals Vizepräsident der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Entwicklung des internationalen Straßenverkehrs AIST wurde auf der jüngsten Mitgliederversammlung in Berlin zum Ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt. Sein Vorgänger und langjähriger Präsident Jürgen Gypser wurde gleichzeitig zum Ehrenpäsidenten ernannt. Vizepräsidentin ist Elena Hermann. Geschäftsführerin bleibt weiterhin Barbara Muschwitz.
In seiner ersten öffentlichen Rede als Präsident bedauerte Opp die Verdrängung der Fahrzeuge mit Kennzeichen D im deutschen Transportgewerbe sowie die Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der gesetzestreuen Deutschen. Vor allem kritisierte er die unwirksamen Kontrollen Gebietsfremder beim Mindestlohn und den zunehmenden Preisdruck durch wachsende Kapazitäten ausgeflaggter Lkw.
Die Mindestlohnbedingungen in Europa waren auch das Thema eines Gastvortrags von Helmut Große, zuständig für internationalen Straßengüterverkehr beim Deutschen Speditions- und Logistikverband DSLV. In den meisten Regionen Deutschlands sei die Höhe des Mindestlohns kein Problem, sagte Große, vielmehr der damit verbundene Aufwand. Der DSLV verfolge die Zielsetzung, dass das Mindestlohngesetz auf sämtliche Fahrer im Kabotage und/oder grenzüberschreitenden Verkehr angewendet werde.
Steigende Frachtpreise dank Mindestlohn in Frankreich
Am Beispiel Frankreich stellte der Experte fest, dass dort die Aktivitäten osteuropäischer Unternehmen seit der Mindestlohneinführung zurückgingen. Dadurch würden die Frachtpreise steigen, wodurch Frankreich auch für deutsche Unternehmen wieder interessant werde. Andererseits könnten Mindestlöhne in anderen europäischen Ländern auch für Deutschland zum Problem werden, etwa in Norwegen, wo dieser bei 18 Euro pro Stunde liege, oder künftig auch in den Niederlanden, wo man ebenfalls mit einem höheren Mindestlohn als in Deutschland an den Start gehen wolle.
In Westeuropa gibt es laut Große eine „Allianz gegen Sozialdumping und für fairen Wettbewerb. Ziel sei der Schutz der westeuropäischen Unternehmen am Markt, während die Osteuropäer vor allem darauf aus seien, die Freiheiten des Binnenmarkts zu verteidigen. Nach seiner Ansicht wird die Lösung des Ost-West-Konflikts in den kommenden Jahren zur Herkulesaufgabe für die EU-Kommission.
Ruhezeitregelung verstärkt das Nachwuchsproblem
Was Österreich anbelangt, so kritisierte Große die aufwendigen Meldeverfahren und die massiven Strafe, sollten die Formalitäten nicht stimmen. „Ich kann ihnen nicht viel Hoffnung machen, dass das Verfahren in absehbarer Zeit vereinfacht wird“, bedauerte der DSLV-Fachmann.
Große bestätigte auch, dass viele Unternehmen die Ruhezeiten-Regelung für Fahrer sehr problematisch sehen: „Sollen die Fahrer in Containern oder Zelten auf dem Betriebshof schlafen?“ – Seiner Ansicht nach werde es dadurch in Zukunft noch schwieriger, Lkw-Fahrer zu finden.
Axel Salzmann, Leiter des Kompetenzbereichs Straßengüterverkehr und Logistik bei der Kravag, berichtete aus Versicherungssicht über Trends in Bezug auf die Digitalisierung. Vieles werde zwar nicht so schnell kommen wie von manchen erwartet, sagte der Experte, zeigte eindrücklich auf, wie schnell die Entwicklung vorangeht: Gab es im Jahr 2003 beispielsweise nur 0,08 vernetze Geräte pro Person, so werden es im Jahr 2020 bereits 6,58 sein.
Steigende Schäden durch Cyber-Kriminalität
Autonomes Fahren bringe nach Ansicht Salzmanns viele Vorteile: Vorausschauendes Fahren, weniger Treibstoffverbrauch, weniger Unfälle, höhere Kapazitäten auf den Verkehrsstrecken. Eine Prognose besage, dass etwa 50 Prozent des Verkehrs bis zum Jahr 2030 autonom fahren werde.
Salzmann erinnerte daran, dass es noch einige rechtliche Fragen zu klären gebe, etwa in wie weit der Opferschutz künftig noch durch die Pflichtversicherung abgedeckt werde, oder Teil der Produzentenhaftung sei. Oder auch wem die erhobenen Daten gehören, dem Hersteller, dem Fahrer oder dem Halter. In jedem Fall werde es entsprechende Versicherungslösungen geben und für den Versicherten werde sich nicht viel ändern, bekräftigte er.
Der Kravag-Experte sensibilisierte die AIST-Mitglieder für die Gefahren der Cyber-Kriminalität. „Weltweit gibt es etwa 250 Millionen Schadprogramm, täglich kommen 300.000 neue dazu“, sagte Salzmann. Man schätze, dass es etwa 60 global agierende Cyber-Crime-Organisationen gebe. Bereits im Jahr 2013 habe der Schaden durch Cyber-Angriffe in Deutschland 46 Milliarden Euro betragen, weshalb Salzmann empfahl, den Abschluss einer Cyber-Risk-Verischerung zu erwägen. (mo)