Die Zahlen stets fest im Blick

Viele Unternehmer verlassen sich gerne auf ihr Bauchgefühl, wenn es um die Kalkulation geht. Sie wissen, welchen Preis sie für einen Auftrag verlangen müssen, damit am Ende des Jahres für ihren Fuhrbetrieb eine Umsatzrendite herausspringt. Frank Kölmel zählte auch zu diesen Unternehmern. Er ist der Geschäftsführer der Certus Logistik in Karlsruhe: 35 Mitarbeiter, 28 Fahrzeuge, vom Transporter bis zum Sattelauflieger. Spezialisiert auf Verteilerverkehre im Großraum Karlsruhe, unter anderem für Lebensmittel, Tiefkühlware und Elektroartikel. Das Bauchgefühl - nicht ausreichend "Früher habe ich auch nach Bauchgefühl entschieden", sagt Kölmel. Auch heute kann er bei einer Anfrage nach kurzem Überlegen sagen, wie hoch der Preis sein muss, den er benötigt. Doch mehr vertraut er seiner Finanzplanung, die ihn seit etwa drei Jahren jeden Monat auf den Cent genau darüber in Kenntnis setzt, welche Tour mit welchen Kosten verbunden ist. "Das Bauchgefühl kann da schon mal um ein paar Cent danebenliegen. Das kann sich auf das Jahr gesehen summieren und darüber entscheiden, ob die Umsatzrendite um ein paar Prozent höher oder niedriger ausfällt", nennt er einen überzeugenden Grund, der für eine Finanzplanung spricht. Doch ein gutes Finanzcontrolling kann mehr, als nur die Kosten im Nachhinein zu ermitteln. Vor drei Jahren hat der Certus-Geschäftsführer damit begonnen, in seinem Unternehmen eine Finanzplanung zu installieren. Vorher hat er es manuell gemacht, unterstützt mit Excel-Tabellen, "die dann noch nicht mal die Realität richtig widergespiegelt haben". Jetzt erhält er monatlich detailliert Auskunft über die finanzielle Entwicklung. Ein Mitarbeiter sorgt für die Bereitstellung der Daten - ein Aufwand von etwa zwei Stunden pro Tag. Die Finanzplanung selbst ist Chefsache: Etwa fünf Stunden im Monat, so seine grobe Schätzung, kostet ihn die Planung. Die Daten an sich werden von einem Tool verarbeitet, das von der Unternehmensberatung Logocon stammt. Logocon wertet die Daten monatlich aus und liefert den Bericht. "Dieser Rhythmus ist für uns ausreichend. Der Aufwand zur Erhebung der Daten und deren Interpretation muss ja im Verhältnis stehen zum Ertrag", sagt Kölmel. Heinz Lüdtke steht Kölmel mit Rat und Tat zur Seite. Lüdtke ist Geschäftsführer der Logocon, die mittelständische Speditionen, Transportunternehmen und Kontraktlogistik-Dienstleister berät. Gerade bei kleineren Dienstleistern sieht er ein Manko, was das Controlling betrifft. "Die geben die Daten häufig ihrem Steuerberater. Manchmal erhalten sie die Zahlen nur alle sechs bis acht Wochen. Das ist ein zu großer Zeitraum, um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu korrigieren", sagt Lüdtke. Liquidität permanent steuern Wichtig sei in diesem Zusammenhang vor allem die Steuerung der Liquidität. "Über die Eingangs- und Ausgangsrechnungen muss man einen Überblick behalten, am besten wöchentlich." Doch häufig sei bei Kleinunternehmen das kaufmännische Verständnis nicht so stark ausgeprägt. "Es kommt bei diesen Betrieben hinzu, dass viele Eigentümer noch selbst fahren, stark im operativen Geschäft eingebunden sind und daher einfach nicht die Zeit finden, sich um eine Finanzplanung zu kümmern", nennt Thomas Reichardt einen weiteren Grund, warum es diesen Unternehmen an einer eigentlich notwendigen Finanzplanung mangelt. Reichardt ist Unternehmensberater bei der SVG Consulting Partners. Seine Erfahrung: Häufig schleichen sich Entwicklungen ein, die darauf hindeuten, dass die finanzielle Situation brenzlig werden könnte. "Die Auslastung der Fahrzeuge ist nicht optimal. Lkw stehen schon mal ein, zwei Tage auf dem Hof. Oder es gibt keine Rückladung, und die Fahrzeuge fahren leer zurück", nennt er Beispiele. Ein Finanzcontrolling sei geeignet, diese Schwachstellen frühzeitig aufzudecken. "Ein Finanzcontrolling ist kein Hexenwerk und muss nicht fürchterlich kompliziert sein", sagt Reichardt. Dazu sollte eine Kostenrechnung gehören, die die Kosten pro Tag und Kilometer ermittelt und den Umsatz pro Tag. Man sollte auch die Verbräuche der Fahrzeuge erfassen, die Kosten für das Personal und die Versicherungen und den Overhead kennen und dann einen entsprechenden Fixkostensatz ermitteln, so die Empfehlung des Beraters. "Eine solche Auswertung sollte monatlich erfolgen. Das ist das absolute Minimum", sagt Reichardt. Eine wöchentliche Auswertung beispielsweise für die Auslastung des Fuhrparks sei besser, wenn man die Zahlen habe. Ein täglicher Report, wie ihn viele große oder auch mittelständische Speditionen machen, könnten sich gerade die Kleinen nicht leisten. "Da fehlt es oft schon an der dafür notwendigen Software", so Reichardt. Zudem gibt er zu bedenken, dass ein Unternehmer mit etwa zehn Autos natürlich viel schneller im Blick hat, wenn beispielsweise ein Fahrzeug auf dem Hof steht und keinen Auftrag hat, als ein Unternehmer mit 100 Lkw, die womöglich noch auf verschiedene Niederlassungen verteilt sind. Deshalb benötige ein Kleinunternehmer kein so detailliertes Controlling. Und was ist mit dem Bauchgefühl? Reichardt spricht den Unternehmern diese Fähigkeit nicht ab. "Erfahrene Unternehmer haben das", sagt er. Aber: Es würden ja häufig auch Disponenten in der Spedition entscheiden. Die verfügten vielleicht über nicht so viel Erfahrung, oder deren Bauchgefühl sei schlichtweg ein anderes. Kostenfaktoren ändern sich ständig Zudem gibt es Einflussfaktoren, die sich permanent ändern und auf die zu achten ist. Die Dieselpreise zählen dazu, aber beispielsweise auch die Personalkosten. So haben sich die Spesensätze zu Beginn des Jahres verändert, statt zwölf Euro Tagessatz nun 14 Euro und bei Übernachtungen 28 Euro statt bislang 24. "Das sind im Fernverkehr etwa 1000 Euro pro Fahrzeug Mehrkosten", sagt Reichardt. Die Frage sei, ob Unternehmer ohne ein Finanzcontrolling diese Verteuerung tatsächlich im erforderlichen Ausmaß berücksichtigen würden. "Ich halte viel vom Bauchgefühl der Unternehmer", sagt Lüdtke, das könne in die richtige Richtung führen. Aber es sage letztlich nichts über die exakte Höhe eines Bedarfs. "Sie müssen zudem bei einigen Entscheidungen auch ihre Mitarbeiter überzeugen. Das geht häufig nur über Zahlen und nicht über ein Bauchgefühl", sagt Lüdtke, weshalb für ihn keine Zweifel bestehen: Ohne ein Finanzcontrolling geht es nicht - trotz eines guten Bauchgefühls. Eine Jahresplanung gehört dazu Doch bei einem Finanzcontrolling geht es auch um das Vorausplanen, darum, einen Jahresplan zu erstellen. Unternehmer Kölmel macht das jedes Jahr. "Dazu gehört auch, solche Pläne über das Jahr zu überprüfen", sagt er. Aktuell ist Corona-bedingt eine regelmäßige Tour eines großen Lebensmittelspediteurs im April ausgeblieben. "Ich habe daher berechnet, welche Folgen es hat, wenn die Tour das ganze Jahr wegfällt. Wie viel Umsatz geht verloren? Welchen Aufwand spare ich andererseits durch weniger Verbrauch oder Rückgabe eines Mietwagens? Muss ich gegebenenfalls andere Maßnahme ergreifen, um Kosten zu senken?" "Solche Entwicklungen sollte jeder Unternehmer beobachten und die damit verbundenen Folgen durchrechnen", sagt auch Lüdtke. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man mit dem Einsatz von Subunternehmern an Flexibilität gewinnt, weil diese Kosten anders als bei eigenen Fahrzeugen und angestellten Fahrern dann variabel sind. Aber es gibt noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil: "Eine solche Finanzplanung ist auch ein großer Vorteil in den Verhandlungen mit den Banken oder Leasingunternehmen", sagt Kölmel. Er hat ihnen den Monatsbericht vorgelegt. "Der Kölmel ist gut organisiert und spielt mit offenen Karten", schildert er die Reaktion der Geschäftspartner. Reichardt legt den Unternehmern nahe, solche Berechnungen und Zahlen bereits einzureichen, wenn man beispielsweise bei der Bank einen Kredit benötigt - oder in Krisensituationen einen Zahlungsaufschub. "Es macht kein gutes Bild, wenn man erst von den Banken und Gläubigern aufgefordert werden muss, eine solche Finanzplanung zu erstellen", sagt Reichardt. Kölmel jedenfalls ist heilfroh, dass er auf dem Feld des Controllings nachgelegt hat. "Das Finanzcontrolling ist genauso wichtig wie gute Fahrer." Eine Aussage, die so manchen Unternehmer zum Nachdenken anregen dürfte. Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Für Spediteur Frank Kölmel ist es keine Frage: Ein detailliertes Finanzcontrolling, wie er es seit drei Jahren betreibt, hat zahlreiche Vorteile. Er hat nicht nur einen guten Einblick über die Zahlungsströme, sondern kann genauer kalkulieren und einen besseren Ertrag erwirtschaften.

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