Die Königsdisziplin

Etwa 18.000 zugelassene Autotransporter sind tagtäglich auf Europas Straßen unterwegs, schätzt Markus Otremba, Leiter der Fachgruppe Ladungssicherung bei TÜV SÜD. "Im Vergleich zu Kisten und Kasten - also zum normalen Stückgut - ist der Autotransport eines der schwierigsten Themen am Markt", urteilt der Experte und zählt die speziellen Anforderungen im Detail auf: "Wechselnde Ladegüter mit unterschiedlichen Eigenschaften, spezielle Beschaffenheiten der Räder, diverse Felgenausprägungen, verschiedene Befahrbarkeiten der Autotransporter."Die Lastverteilung kommt beim Transport von Pkw und Lkw als zentrale Aufgabe außerdem zu den Herausforderungen hinzu, die alles andere als marktüblich sind. Wie stapelt man richtig, wie erreicht man aus ökologischer Sicht den effizientesten Ladefaktor, wie vermeidet man Leerfahrten und unnötiges Luftvolumen - und wie hält man bei all diesen Fragen trotzdem die Achslasten ein? "Der Transport von Pkw oder Lkw erfordert vom Fahrer eine extrem hohe Expertise", fasst Otremba zusammen. "Die richtige Lastverteilung bewegt sich im Zentimeterbereich." Ganz abgesehen davon, dass beim Transport von Prototypen oder Serienfahrzeugen die wertvolle Fracht zusätzlich vor neugierigen Blicken geschützt werden muss.Spezielle FahrerschulungAuch wenn man zum Fahren eines Autotransporters theoretisch lediglich eine Fahrerlaubnis inklusive Genehmigung für den gewerblichen Einsatz benötigt (Schlüsselzahl 95), setzen namhafte Spediteure spezielle Trainer ein, die ihre Fahrer von Auto- oder Nutzfahrzeugtransportern ausführlich auf die Produkte der unterschiedlichen Hersteller schulen. "Jeder Autotransporter hat seine Raffinessen bezüglich Ladefaktor und Lastverteilung, zudem gibt es für fast alle Automobile unterschiedliche Parameter - etwa aufgrund von Durchfahrtsbreiten -, die man beachten muss", konkretisiert Otremba. Durch die speziellen Schulungen wollen die Spediteure verhindern, dass die Schadenquote beim Auf- und Abladen zum hohen Risiko werden. Denn wenn der Fahrer ein Auto beschädigt, muss der Spediteur die Kosten tragen - nicht der Auftraggeber.Abstand, Zurrmittel, AchslastverteilungOtremba kennt die Fehler, die am häufigsten beim Sichern von Autos und Lkw begangen werden. Teilweise wird demnach zu wenig Abstand zwischen den Fahrzeugen eingehalten, teilweise werden veraltete Zurrmittel verwendet, außerdem kann die Achslastverteilung zum Problem werden - genauso wie eine gesetzeswidrige Überhöhe und Überlänge."Der Autotransport ist im Vergleich zum normalen Standard-Planenzug ein spannendes Thema, weil man mit Ladestützen, zweilagigen Transportebenen, mehreren Fahrzeugen arbeitet und die unterschiedlichsten Anforderungen erfüllen muss", bilanziert der Experte für Ladungssicherung und zählt auf: "Anforderungen an Transportqualität, Ladungssicherung und an die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen bezüglich Länge, Höhe und Achslast. Und ganz nebenbei handelt es sich um ein sehr hochwertiges Ladegut."Umfassende GrundlagenstudienDer Transport von Autos ist nicht nur speziell, sondern laut Otremba ein Thema, zu dem es bis vor ein paar Jahren kaum fundiertes Grundwissen gab. Daher hat die Fachgruppe Ladungssicherung der TÜV SÜD Auto Service GmbH im Jahr 2016 gemeinsam mit der Kässbohrer Transport Technik GmbH die Studie "Ermittlung von Reibbeiwerten von Reifen auf Fahrbahnelementen von Fahrzeugtransportern" erstellt und die Ergebnisse für eine nachvollziehbare Berechnung einer Ladungssicherung veröffentlicht.2018 folgte eine Studie mit dem Unternehmen Dolezych, einem Experten für Hebeund Transporttechnik, unter dem Titel "Prüfvorrichtung zur Ermittlung der auftretenden Kräfte einer Reifenradsicherung für Pkw- und Nutzfahrzeugreifen". "Die Ausgangsfrage, die wir uns dabei gestellt haben, lautete: Was passiert in der Reifen-Rad-Verzurrung?", erinnert sich Otremba. So schließt TÜV SÜD nicht nur peu à peu Wissenslücken, sondern sensibilisiert auch generell für das komplexe Thema.Am Ende des gemeinsamen Studienengagements von TÜV SÜD und Unternehmen aus der Industrie soll ein umfangreiches Nachschlagewerk für Ladungssicherung stehen. "Wir sind auf einem guten Weg", berichtet Otremba vom Status quo. "Aktuell arbeiten wir daran, die entstehenden Einflüsse auf die Bleche zu übertragen. Letzten Endes wollen wir ermitteln, wie der Autotransporter der Zukunft aussehen muss, um sicher zu sein."Neue HerausforderungenDass sich die Komplexität dabei immer weiter erhöht, liegt unter anderem auch an der Entwicklung der Pkw, deren Abmessungen immer breiter, höher und spezieller werden. Bei welcher Gewichtsklasse hört ein Pkw auf? Auch die Elektromobilität stellt die Spediteure beim Autotransport vor neue Herausforderungen. "Laut aktuellen VDI-Vorschriften muss man zum Beispiel die Handbremse anziehen, das Lenkradschloss einrasten lassen und den ersten Gang einlegen", zählt Otremba auf. Aber alleine ein Lenkradschloss gibt es aber bei vielen modernen Fahrzeugen nicht mehr, sondern nur noch eine Sperre im Getriebe.Und auch hinsichtlich des Beschädigungsrisikos und der Gewichte von Elektrofahrzeugen ergeben sich ganz neue Fragen. "Bei den Fahrzeugbreiten erreichen wir ebenfalls irgendwann das Limit", ergänzt Otremba.Ob E-Modell, herkömmliches Auto oder Nutzfahrzeug: Beim Fahrzeugtransport fließen viele Parameter ein. Otremba bringt es auf den Punkt: "Die Berechnung der Ladungssicherung einer Holzkiste ist definitiv einfacher."Kostenlose StudienergebnisseDie Ergebnisse der Studien, die TÜV SÜD mit Kässbohrer und Dolezych durchgeführt hat, stehen zum kostenlosen Download zur Verfügung. Unter www.tuev-sued.de/truck befinden sich in der linken Menüführung zwei entsprechende Links, unter denen man nach Registrierung mit seinen persönlichen Daten die Ergebnisse in pdf-Form bestellen und anschließend per Mail erhalten kann.TÜV SÜD AnsprechpartnerMarkus OtrembaLeiter Fachgruppe Ladungssicherung TÜV SÜD Auto Service GmbHTel.: +49 9421 99 64-24E-Mail: markus.otremba@tuev-sued.de

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