Die drei kleinen Logistikriesen

Schon der Blick auf den Logistics Performance Index der Weltbank zeigt deutlich, in welcher Liga die Benelux-Staaten spielen. Im jüngsten Ranking 2016 belegt Luxemburg hinter Weltmeister Deutschland Platz zwei, die Niederlande Platz vier, Belgien Platz sechs. Die Niederlande sind seit dem ersten Weltbank-Ranking 2007 immer unter den Top 5 zu finden. Die historisch schlechtesten Ergebnisse weist Luxemburg mit einem Platz 23 (2007) und einem Platz 15 (2012) auf. Spieglein, Spieglein an der Wand ... Daher kommen nicht zu Unrecht positive Aussagen aus den Benelux-Staaten: "Die Niederlande sind ein ausgezeichneter Platz für Logistik, das zeigen viele internationale Vergleiche", sagt auch Christiaan van Luik, Berater für Logistik und Supply Chain bei dem niederländischen Unternehmensverband Transport en Logistiek Nederland (TLN). "Belgien liegt mitten im europäischen Markt, besitzt mit dem Hafen von Antwerpen und dem Flughafen von Lüttich führende Infrastrukturen und bietet alle vier Transportmodi, was es Unternehmen ermöglicht, die ganze Bandbreite eines integrierten Modells ohne Ausfälle in der Lieferkette zu nutzen", schwärmt Bernard Piette, Generalmanager des Verbands Logistics in Wallonia. "Luxemburg besitzt eine effiziente Infrastruktur für Logistik beruhend auf drei Plattformen, die auf intermodale Transporte setzen und in einem Umkreis von 30 Kilometern liegen", hebt Malik Zeniti, Manager des Cluster for Logistics Luxembourg, hervor. Drei Aussagen aus drei Staaten, alle mit der Ansicht: "Wir sind Spitze." Der Verband Logistics in Wallonia dient Logistik-unternehmen in Luxemburg als Plattform für Koordination, Information und Kommunikation. Zeniti ist spürbar stolz auf das, was das kleine Luxemburg als Logistikstandort zu bieten hat. "Bettemburg ist unser Schienenhub. Findel ist als Nummer sieben in Europa vermutlich der schnellste Luftfracht-Flughafen mit den kürzesten Wegen in Europa. Und der Binnenhafen Mertert verbindet kostengünstig Luxemburg mit den Nordseehäfen", stellt er die drei Plattformen Luxemburgs in aller Kürze vor. Der Logistiksektor wird im Großherzogtum von der Regierung im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungsstrategie gefördert. Besonders erfolgreich ist Luxemburg laut Weltbank-Index in den Kategorien "Pünktlichkeit" und "Organisation von Warenlieferungen zu wettbewerbsfähigen Preisen". Das seien auch wesentliche Differenzierungspunkte im Wettbewerb mit Belgien und den Niederlanden, so Zeniti. Sonderfall Luxemburg Als wirklicher Konkurrent zu den beiden anderen Benelux-Staaten kann sich Luxemburg allerdings nur bedingt fühlen. Um beim Nachbarn Belgien zu bleiben: Allein die Größe des Landes und die wirtschaftliche Ausrichtung - das herstellende Gewerbe dominiert in Belgien im Gegensatz zu Finanzen, Verwaltung und Pharma- und kühlintensiver Produkte in Luxemburg - lassen da Vergleiche hinken. Zudem sind Belgien und die Niederlande auch anders strukturiert. Daran ist nicht allein der Handel als dominierender Wirtschaftszweig der Niederlande veranwortlich, sondern auch die innerbelgischen Verhältnisse. Wie politisch, so ist Belgien auch aus logistischer Perspektive in die drei Regionen Flandern, Wallonie und Brüssel geteilt. Der nördliche Landesteil Flandern wird durch Europas zweitgrößten Seehafen, Antwerpen, dominiert. Er ist gekennzeichnet durch eine hohe Wohn- und Bebauungsdichte, was sich an zahllosen Lagerhallen in Flandern - besonders im sogenannten goldenen Dreieck Antwerpen-Brüssel-Gent - bemerkbar macht. Platz für neue Hallen gibt es kaum. Belgiens Süden erweist sich als attraktiv Davon profitiert der Süden des Landes, die Wallonie. Die historischen Industriezentren, die heute die Logistikzentren bilden, liegen hier wiederum im nördlichen, Flandern zugewandten Teil: Tournai im Westen an der Grenze zu Frankreich, die Region von Mons, La Louvière und Charleroi im Zentrum sowie Lüttich im Osten. Dieser Gürtel (siehe auch Karte Seite 16) bietet viel Platz bei einem gut ausgebauten Straßen- und Binnenschifffahrtsnetz, sodass sich in Belgiens Süden in den vergangenen Jahren regelmäßig namhafte Unternehmen ansiedelten. Jüngst verlegte der schwedische Modehersteller H&M sein Logistikzentrum sogar innerhalb von Belgien, aus Puurs, im überfüllten Dreieck Antwerpen-Brüssel-Gent, in die kleine Gemeinde Ghlin bei Mons. Die Hauptstadtregion Brüssel ist von Verwaltungsgebäuden geprägt, aber auch von Belgiens größtem Flughafen Zaventem im Nordosten der Hauptstadt, der mit dem Bruport einen eigenen Cargo-Flughafen hat. DHL ist hier mit seinem belgischen Hauptsitz angesiedelt. Den größten Frachtflughafen Belgiens besitzt allerdings Lüttich. "Wir haben hier den achtgrößten europäischen Cargo-Flughafen und den drittgrößten Binnenhafen nach Duisburg und Paris", sagt Piette. Das von ihm geleitete Cluster hat genau wie der flämische Bruderverband, das flämische Logistikinstitut "Vlaams Instituut voor de Logistiek", die Aufgabe, die Logistik zu fördern. "Die Regierung der Wallonie hat zur wirtschaftlichen Förderung der Region den so genannten Marshallplan aufgestellt und Gütertransport und Logistik gehören zu den sechs Sektoren, die durch einen Cluster gefördert werden", sagt Piette. Forschung und Realwirtschaft werden bei Logistics in Wallonia zusammengebracht und sorgen für ein modernes Bild der Region als Logistikstandort. Das zahlt sich aus. "Im E-Commerce sind wir zurzeit mit chinesischen Logistikunternehmen in Gesprächen, die sich in Europa ansiedeln wollen", berichtet Piette. Deutschland sei für Chinesen zwar traditionell die erste Anlaufstation. "Aber sie werden oft von der deutschen Strenge in der Verwaltung abgeschreckt", so Piette. Belgien erscheine im Vergleich zu Deutschland flexibler und auch von hier lasse sich der deutsche Markt hervorragend bedienen. Hohe Steuern in Belgien "Lüttich ist 40 Kilometer von Aachen entfernt", ruft Piette in Erinnerung. Er weist aber auch auf Nachteile Belgiens beim Werben um neue Logistikunternehmen hin. Nämlich die hohen Arbeitnehmerkosten und relativ hohen Unternehmenssteuern. "Auf diesen Feldern sind die Niederländer zwar nicht unbedingt besser, aber sie wissen sich besser zu verkaufen", sagt Piette. Beim nördlichen Nachbarn ist die Logistikstruktur fast spiegelverkehrt zu Belgien: Der Norden spielt eine untergeordnete Rolle. Treibende Wirtschaftskräfte sind Europas größter Güterhafen Rotterdam und Europas drittgrößter Frachtflughafen Amsterdam Schiphol. Die Dichte der in diesem Umfeld angesiedelten Unternehmen ist groß, die Preise für Immobilien hier höher als im Rest des Landes. Rein logistisch betrachtet sind allerdings der Süden und Osten der Niederlande bedeutender. Sie bilden gleichsam das natürliche Hinterland von Rotterdam und Schiphol. Verteilerzentren und Lagerhallen prägen das Bild. Venlo gilt seit Jahren als einer der besten Logistikstandorte Europas, als fast ideale Verbindung zwischen Rotterdam, Schiphol sowie Antwerpen und dem europäischen Hinterland. Laut Analyse des Fachmagazins Logistiek liegen im Süden und Osten auch die fünf bedeutendsten logistischen Hotspots: Venlo auf Platz eins, gefolgt von West-Brabant, DenBosch/Tilburg, Eindhoven/ Helmond und Arnhem/Nijmegen. Erst auf Platz sechs folgt Rotterdam/Rijnmond. Der Funktion als Einfallstor von Waren und Durchgangsort für ihren Weitertransport wird auch der Güterverkehrsmix in den Niederlanden gerecht. Als "extensives multi-modales Infrastrukturnetzwerk" bezeichnet van Luik von TLN die Transportbedingungen in den Niederlanden. Die Binnenschifffahrt nimmt mit 39 Prozent einen weit überdurchschnittlichen Anteil am Modal Split ein, die Bahn dagegen mit nur fünf Prozent deutlich weniger als im EU-Durchschnitt mit 18 Prozent. Die restlichen 56 Prozent entfallen auf den Straßengüterverkehr. Dort liegt auch der einzige Schwachpunkt, den van Luik für die Niederlande ausmachen will: Die Staus nehmen zu, auch dank der wachsenden Wirtschaft. Genauso wie die Benelux-Partner profitiert die Logistik auch in den Niederlanden von staatlicher Förderung. Die Logistik gehört zu den neun Sektoren, denen im Rahmen einer Top-Sektor-Politik seit fünf Jahren besondere Beachtung geschenkt wird. Gemeinsame Lkw-Kontrollen Eine grenzüberschreitende Logistikpartnerschaft zwischen den Benelux-Staaten gibt es nicht. Gemeinsame Projekte werden allerdings hin und wieder durch die Benelux-Union koordiniert. Die offiziellen Treffen finden meist auf Ministerebene statt, der Sitz ist in Brüssel. Die Benelux-weite Anerkennung des elektronischen Frachtbriefs ist eins der jüngsten Projekte, das von der Union angestoßen wurde. Auch Lkw-Kontrollen, die zeitgleich in allen drei Ländern durchgeführt werden, gehen auf einen Beschluss der Benelux-Union zurück. Für deutsche Unternehmen sind alle drei Benelux-Staaten interessant. So stehen beispielsweise DHL und DB Schenker an der Spitze der 100 größten Logistikunternehmen in den Niederlanden, unter den Top 10 findet sich auch noch die deutsche Rhenus Logistics. Auch Mittelständler zieht es nach Benelux. Nosta-Transport aus Ladbergen zum Beispiel eröffnete vor wenigen Wochen mit Nosta Tradelog eine erste Niederlassung in Luxemburg. "Luxemburg ist aufgrund seiner strategischen Lage und der sehr guten Infrastruktur ein bedeutsamer Logistikstandort für uns", teilte Nicolas Gallenkamp, geschäftsführender Gesellschafter der Nosta Holding, mit. Das Land liege im Knotenpunkt des europäischen Schienen- und Straßennetzes, wichtige Verkehrsverbindungen auf den Ost-West- und Nord-Süd-Achsen führten durch das Großherzogtum. Zudem verfüge das Land über einen modernen Binnenhafen und einen internationalen Flughafen. Andere Unternehmen sind weniger kommunikativ, wenn es um die Begründung ihrer Ansiedlung in den Benelux-Staaten geht. Das französische Unternehmen, das sich in Luxemburg angesiedelt hat, um einen "neutralen" und nicht "französischen" Länderstempel zu tragen, will genauso nicht genannt werden wie das deutsche Unternehmen, das in Belgien eine Niederlassung gegründet hat, weil dort die Grundstücke preiswerter waren. Immobilienpreise nicht überbewerten Letzteres gelte aber keineswegs immer, warnt Logan Smith, Logistik-Chef von BNP Paribas Real Estate in Amsterdam. Es komme immer auf die Lage an (siehe untere Tabelle Seite 16). Als Entscheidungsgrund, eine Niederlassung in einem der Benelux-Staaten zu eröffnen, sollten Grundstück- und Immobilienpreise alleine nicht herhalten. Um eine gute Zukunft für Logistik macht sich in den Benelux-Staaten niemand richtig Sorge. Der Blick von Politik, Verbänden und Unternehmen geht nach vorne. Was dort auf die Benelux-Logistik als Herausforderung wartet, fasst de Luik so zusammen: "auf jeden Fall die Digitalisierung des Sektors, Innovationen bei den Dienstleistungen, die Verbesserung der Umweltverträglichkeit und die Entstehung der Seidenstraße von China bis nach Europa." Mehr zum Thema lesen Sie im Dossier Benelux www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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