Dicke Luft im Betrieb

Tabakqualm am Arbeitsplatz sorgte über Jahrzehnte für dicke Luft. Im Herbst 2002 ergänzte der Gesetzgeber darum die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) um einen Nichtraucherschutz-Paragrafen, der zwei Jahre später umgestaltet und präzisiert wurde (siehe Kasten). Durch diese Vorschrift wurde die schon früher vorhandene Pflicht des Arbeitgebers, in Pausen- und Bereitschaftsräumen, aber ebenso in Fluren, Treppenhäusern und Aufzügen für Rauchfreiheit zu sorgen, auf alle Arbeitsstätten ausgedehnt. Es gilt somit ein einheitlicher und umfassender Nichtraucherschutz für den gesamten Betrieb. Also für sämtliche Arbeitsstätten - egal, ob im Büro, im Lager oder im Firmenwagen. Lkw-Fahrerkabine ist Arbeitsstätte Sogar in der Fahrerkabine des Lkw eines Transport- und Speditionsunternehmens gelten die Regeln für den Nichtraucherschutz, urteilte das Arbeitsgericht Krefeld (Urteil vom 20.01.2011, Aktenzeichen: 1 Ca 2401/10). Auch sie sei eine "Arbeitsstätte". Unterlassen es Arbeitgeber, ihre Arbeitnehmer vor Tabakrauch zu schützen, handeln sie ordnungswidrig. Ihnen droht dann zum einen eine Geldbuße durch das Aufsichtsamt. Zum anderen hat der betroffene Mitarbeiter Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz, den er gegebenenfalls vor Gericht einklagen muss. Die Vorgaben für Arbeitgeber sind relativ weit gefasst. Paragraf 5 der ArbStättV besagt lediglich, dass sie die "erforderlichen Maßnahmen" zu treffen haben, damit "die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind". Die Urteile der Arbeitsgerichte bringen Licht ins Dunkel. Demnach sind zunächst einmal bauliche Maßnahmen denkbar: Also getrennte, ausreichend abgedichtete Räume für Raucher und Nichtraucher. Ist es aber aus praktischen Arbeitsabläufen heraus unumgänglich, dass sich Nichtraucher auch außerhalb ihres Bereichs im Raucherbereich aufhalten müssen, so ist der Nichtraucherschutz nicht umgesetzt. Eine Aufteilung innerhalb eines Arbeitsraums, etwa durch Aufstellen von schlichten Trennwänden, reicht nicht aus. Ebenso wenig genügt eine Kombination mit ständiger Fensterlüftung, die kälte-, wärme- und zugluftbedingt ohnehin nur eingeschränkt möglich ist. Das Bundesarbeitsgericht vertritt aber den Standpunkt, dass der Arbeitgeber nicht gezwungen ist, Rauchern einen separaten Raum zur Verfügung zu stellen, sofern dies unzumutbaren Aufwand verursacht. In den meisten Fällen bieten sich daher organisatorische Maßnahmen an. Hierbei lassen die Arbeitsgerichte sogar ein allgemeines Rauchverbot für alle Beschäftigten in geschlossenen Räumen zu. Dies kann der Arbeitgeber kraft seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts einseitig anordnen. Ein allgemeines Rauchverbot auf dem gesamten Betriebsgelände geht laut dem Bundesarbeitsgericht hingegen dann zu weit, wenn es auch gegenüber Mitarbeitern gilt, die im Freien arbeiten und eine Belästigung durch Passivrauchen ausgeschlossen ist (Urteil vom 19. Januar 1999, Aktenzeichen: 1 AZR 499/98). Für in geschlossenen Räumen arbeitende Mitarbeiter kann es demgemäß zumutbar sein, wenn der Arbeitgeber überdachte Unterstände im Freien, mit oder ohne Sitzgelegenheit, als Raucherzone ausweist. Mögliche Maßnahmen zum Schutz Folgende Maßnahmen zum Nichtraucherschutz sind etwa denkbar: Ein Rauchverbot in allen Gemeinschaftsbereichen, Raucherzonen im Freien (Regen- und Wetterschutz sollte vorhanden sein) - bei feuer- und explosionsgefährdetem Lagergut auch außerhalb des Betriebsgeländes, gegebenenfalls sind lüftungstechnische Möglichkeiten zu erwägen und Raucherpausen in Maßen zu gestatten - aber nicht als Arbeitszeit. Besteht ein Betriebsrat, dann hat dieser ein Wörtchen mitzureden. Aufgrund der gesetzlichen Vorschrift zum Nichtraucherschutz bezieht sich sein Mitbestimmungsrecht aber allenfalls auf das "Wie" der erforderlichen Maßnahmen, nicht auf das "Ob". Gegen den Nichtraucherschutz an sich kann sich der Betriebsrat also nicht stellen. Um das gemeinsame Bekenntnis des Unternehmens und seines Betriebsrats zum Nichtraucherschutz nach außen zu dokumentieren, sollte eine entsprechende Betriebsvereinbarung geschaffen werden. Und die Auswirkungen in der Praxis? Gibt es nun etwa in einem Unternehmen ein allgemeines Rauchverbot und ignoriert ein Arbeitnehmer diese Vorgabe, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Chef kann ihn - zumindest im Wiederholungsfall - abmahnen und ihm bei weiteren Verstößen letztendlich sogar kündigen. Unterlässt es andererseits der Arbeitgeber trotz Aufforderung durch einen Arbeitnehmer, die erforderlichen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz zu ergreifen, kann der regelmäßig eingequalmte Mitarbeiter der Arbeit fernbleiben, ohne seinen Lohnanspruch zu verlieren. In letzter Konsequenz kann der Arbeitnehmer sogar das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wobei der Arbeitgeber verpflichtet wäre, als Schadensersatz das Arbeitsentgelt für die Zeit der Kündigungsfrist weiterzuzahlen. Rückendeckung hätte er dabei vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26. Juli 2001, Aktenzeichen: 8 AZR 739/00). Probleme mit Raucherpausen Selbst wenn es geeignete Raucherbereiche gibt, sind nicht alle Probleme gelöst. Zum Beispiel die Unterbrechungen durch die Glimmstängel während der Arbeitszeit. Hier kann der Arbeitgeber dem Grundsatz folgen: Ohne Arbeit kein Lohn. Durch Rauchpausen verloren gegangene Arbeitsleistung müsste nachgeholt oder nicht vergütet werden. Umsetzen lässt sich dies am einfachsten durch eine Zeiterfassung. Raucht ein Mitarbeiter, ohne auszustempeln, rechtfertigt dies laut dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eine Abmahnung - bei mehrfacher Wiederholung sogar seine Kündigung (Urteil vom 6. Mai 2010, Aktenzeichen: 10 Sa 712/09). Bei mehreren denkbaren, gleichwertigen Maßnahmen kann der Arbeitgeber - auch nach Abstimmung mit dem Betriebsrat - frei darüber entscheiden, welche davon er ergreift. Um Klarheit innerhalb der Belegschaft zu schaffen, kommen neben Betriebsvereinbarungen und Weisungen des Arbeitgebers auch ausdrückliche Klauseln im Arbeitsvertrag in Betracht (etwa: " Auf dem gesamten Betriebsgelände besteht ein absolutes Rauchverbot mit Ausnahme der gekennzeichneten Raucherbereiche"). Noch ein Wort zum Versicherungsschutz: Rauchen ist Privatvergnügen, also keine Arbeitsleistung. Die Folge für Arbeitnehmer: Für die Wege zur Raucherpause und zurück sowie für die Auszeit selbst besteht kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz. Betroffene bekommen deshalb weder Behandlungskosten erstattet noch Krankengeld. Vorschrift im Wortlaut Das schreibt § 5 der ArbStättV zum Nichtraucherschutz vor "(1) Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.""(2) In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen." kk Das sagt das Bundesarbeitsgericht Einschränkung des allgemeinen Rauchverbots im Unternehmen Betriebsleitung und Betriebsrat sind befugt, durch Betriebsvereinbarung ein generelles Rauchverbot zu erlassen. Ein generelles Rauchverbot, sogar im Freien, kann in der Regel nicht mit dem Gesundheitsschutz der Nichtraucher begründet werden. Die erforderliche Abwägung der Belange des Betriebs sowie der Raucher und Nichtraucher hängt weitgehend von den betrieblichen Gegebenheiten und Besonderheiten ab. Ein Rauchverbot mit dem Ziel, Arbeitnehmer von gesundheitsschädlichen Gewohnheiten abzubringen, überschreitet die Regelungskompetenz des Arbeitgebers (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.01.1999, Az.: 1 AZR 499/98). kk