Deutscher Logistik-Kongress

Deutscher Logistik-Kongress Wieder auf Vorkrisenniveau Die Wirtschaftsflaute ist vorüber und Unternehmen blicken wieder zuversichtlichin die Zukunft. Das ist die wichtigste Botschaft vom 27. Deutschen Logistik-Kongress in Berlin. Wenn man die Mienen der Kongressteilnehmer als unbestechliche Grundlage eines Stimmungsbarometers der Branche lesen darf, so scheint die Krise tatsächlich überwunden. Zufriedenheit, Aufbruchstimmung und Hoffnung auf noch bessere Geschäfte – das waren die „Vibrations“ auf dem 27. Deutschen Logistik-Kongress in Berlin, der mit 3500 Besuchern und 210 Ausstellern an die Rekordwerte von 2008 anknüpfen konnte. „Innerhalb von rund 33 Monaten haben wir den Weg in die Krise und wieder heraus durchwandert“, sagte Raimund Klinkner, Vorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL), während der Eröffnungsveranstaltung. Der Blick auf die Werte des Logistikindikators, der vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für die BVL erhoben wird, deute darauf hin, dass sich die konjunkturelle Erholung im weiteren Verlauf des Jahrs fortsetzen werde. „Einhellig berichten Industrie, Handel und Logistikdienstleister von weiter gestiegenen Kapazitätsauslastungen und guten Auftragseingängen aus In- und Ausland“, bilanzierte der BVL-Vorsitzende Klinkner. Umsätze wachsen 2010 um 4 Prozent Nach einem Rückgang der Logistikumsätze um knapp 8 Prozent in 2009 rechnet die BVL im laufenden Jahr mit einem Wachstum von 4 bis 5 Prozent und immerhin noch 4 Prozent im nächsten Jahr. „2011 wären wir damit schneller als erwartet wieder auf Rekordniveau“, erklärte Klinkner. Allerdings gebe es auch Risiken, die den dauerhaften Wachstumskurs bedrohen: die hohe Verschuldung einiger Volkswirtschaften, die noch nicht wieder angesprungene Konjunktur in den USA, Ängste vor einer Überhitzung in den Wachstumsmärkten wie China und Brasilien und ein aktuell tobender Währungskrieg um den schwa-chen Dollar mit unangenehmen Folgen für die Exportnation Deutschland. Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Geschäftsleitung im Chemiekonzern Merck und einer der prominenten Vortragenden während der Eröffnungssequenz, warnte das Auditorium: „Stellen Sie sich auf höhere Volatilität ein.“ In Deutschland, so seine Prognose, müsse man dauerhaft mit Wachstumsraten unter zwei Prozent rechnen. Das Motto des diesjährigen Kongresses „Intelligent wachsen“ war demnach mit Bedacht gewählt. Schade, dass die anschließende Podiumsdiskussion, die eben unter der Überschrift „Intelligent wachsen“ geführt wurde, dem Leitthema so wenig gerecht wurde. Das lag weniger an den Topreferenten wie etwa Dachser-Chef Bernhard Simon und Panalpina-CEO Monika Ribar, sondern am Moderator. „Theo Koll ist zwar ZDF-Mann, hat aber zum Teil die falschen Fragen gestellt“, bringt Jörn Peter Struck, Geschäftsführer der mittelständischen Speditionskooperation Cargoline, die Enttäuschung seiner Branchenkollegen auf den Punkt. Fragen nach der „Geschäftssprache im Unternehmen“ oder „Stuttgart 21“ hätten zum Beispiel nur am Rande mit dem Thema zu tun. Auch andere Frequenzen griffen nach Ansicht etlicher Besucher das Leitmotto zu wenig auf. Trotzdem: Der Deutsche Logistik-Kongress ist und bleibt der wichtigste Treffpunkt der Branche, der nicht nur Politikprominenz anzieht – in diesem Jahr gaben sich Verkehrsminister Peter Ramsauer, Ex-Verkehrsminister und amtierender VDA-Präsident Matthias Wissmann sowie Bundesfinanzminister a. D. Peer Steinbrück die Ehre –, sondern auch Topmanager aus Industrie, Handel und Logistik-Dienstleistungsunternehmen. Selbst Firmenchefs wie Klaus Michael Kühne, Präsident des Verwaltungsrats von Kühne + Nagel, DPD-Chef Arnold Schroven, Ceva-Logistics-Chef John Patullo auf Dienstleisterseite bis hin zu Logistikentscheidern namhafter Produzenten wie Bosch Siemens Hausgeräte, Bahlsen und Metro waren präsent. Maßgebliche Gesprächsthemen in den Fluren: „Wie stabil ist der Wirtschaftsaufschwung?“, „Nachhaltigkeit in der Logistik“ und „Logistik in Zeiten von Web 2.0“. Zumindest bei den großen Logistikdienstleistern zeichnet sich ein neuer Trend ab: Unternehmen wie Agility, Ceva Logistics, DHL Global Forwarding und Arvato Services setzen stärker auf das Geschäftsfeld „kundenspezifische integrierte Dienstleistungen“: Während es noch vor wenigen Jahren schick war, möglichst alle Dienstleistungen aus einer Hand zu bieten, haben sich zumindest die großen Logistikunternehmen offenbar von dieser Strategie verabschiedet. Ob Stückgut, Lager, Teil- und Komplettladung, See- oder Luftfracht – nicht jede Dienstleistung muss selbst erbracht werden. Stattdessen werden diese Services gezielt nach Kosten- und Qualitätsaspekten eingekauft. „Kundenspezifische integrierte Dienstleistungen anzubieten, ist nicht neu“, sagt Kühne + Nagel-CEO Reinhard Lange. Neu sei aber, dass mehr Unternehmen auf diesen Zug aufspringen. Dies habe zur Folge, dass selbst Wettbewerber für Logistikprojekte zeitlich befristet im Sinne des Auftraggebers zusammenarbeiten – unter der Führung eines „Lead Logistics Providers“, der die gesamte Steuerung des Logistikprozesses verantwortlich übernimmt. Firmen erhalten dadurch deutlich mehr Flexibilität – gerade in Zeiten starker Auf- und Abschwünge. Zukäufe sind wieder ein Thema Und noch etwas zeigte der Logistik-Kongress: Mergers & Akquisitions-Aktivitäten nehmen wieder zu. So soll angeblich DB Schenker, so ein Gerücht am Rande des Kongresses, in Frankreich wieder mit dem französischen Speditionsunternehmen Mory liebäugeln und Kühne + Nagel will angeblich in Italien dazukaufen. Gar nicht zu reden von den etlichen namhaften internationalen Speditions- und Logistikplayern, die in Deutschland fallweise bereits mit einigen wenigen Niederlassungen präsent sind, nun aber hierzulande über gezielte Zukäufe kräftig wachsen wollen. So kün-digte Bruno Sidler, COO von Ceva Logistics aus den Niederlanden, gegenüber der VerkehrsRundschau Übernahmen an: „Am liebsten eine mittelständische Spedition mit 100 Millionen Euro Jahresumsatz im Süden von Deutschland.“ Auch das englische Unternehmen Palletways startet, wie nun bekannt wurde, im Februar 2011 seinen dritten Versuch, hierzulande ein Stückgutnetz aufzubauen und sucht dafür noch weitere Speditionen – 25 Partner sollen bereits konkrete Gespräche führen. E-Commerce kommt wieder in Fahrt Dank der neuen Social-Media-Möglichkeiten und technologischer Neuerungen gewinnt das Thema E-Commerce wieder an Fahrt – insbesondere in der Konsumgüter- und Retail-Branche. Für die Speditions- und Logistikunternehmen bedeutet dies eines: Der Privatkunde rückt in den Fokus – mit all den heiklen Fragen letzte Meile, Anlieferzeiten und Retourenhandling. Wenn sich Speditions- und Transportbetriebe hier von den KEP-Unternehmen aber nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen, müssen sie jetzt tätig werden und nicht nur darüber reden. ❙❚■ Eva Hassa, Andre Kranke, Dietmar Winkler Raimund Klinkner, Vorstandsvorsitzender der BVL eröffnet den Deutschen Logistik-Kongress Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer lobte das Krisenmanagement der deutschen Politik VDA-Präsident Matthias Wissmann würde den Lang-LKW am liebsten „Öko-Laster“ nennen Podiumsdiskussion „Intelligent wachsen“ (von links): Dachser-Chef Bernhard Simon, Hans-Otto Schrader, Vorstandsvorsitzender der Otto-Group, Monika Ribar, CEO Panalpina, Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung Würth-Gruppe, und Moderator Theo Koll vom ZDF Deutscher Logistik-Kongress Deutscher Logistik-Kongress Note „befriedigend“ für die PR der Logistikbranche Erstmals stand auf dem Deutschen Logistik-Kongress auch das Thema Kommunikation und PR auf der Agenda. Unternehmens- und Medienvertreter referierten und diskutieren darüber, was Logistikunternehmen bei der Pressearbeit zu beachten haben und wie sich das Bild der Logistikbranche in der Öffentlichkeit verbessern lässt. Die Transport- und Logistikpresse vertrat in dieser Runde der stellvertretende Chefredakteur der VerkehrsRundschau: „Die Öffentlichkeitsarbeit der Logistikunternehmen lässt sich im Durchschnitt mit der Schulnote 3 bewerten“, so die Beurteilung von Andre Kranke, die auch von den anderen Referenten überwiegend geteilt wurde. Das Spektrum der PR-Arbeit reiche aber von „sehr gut“ bis „ungenügend“. Vorgestellt wurde auch der „Leitfaden für die PR-Praxis“, der unter www.bvl.de kostenlos bei der BVL heruntergeladen werden kann. diwi Diskutierten über Kommunikation (von links): Andre Kranke (VerkehrsRundschau), Andreas Hoetzel (BLG Logistics), Carl Batisweiler (Euro am Sonntag) und Ernst-Hermann Krog (Audi AG) Fachsequenz Öffentlichkeitsarbeit Fortschreiten der Globalisierung „Die Globalisierung ist irreversibel“, sagte der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in seinem Gastvortrag auf dem Deutschen Logistik-Kongress. Die Finanz- und Wirtschaftskrise führe nicht zur einer nachhaltigen Störung des internationalen Austausches von Waren und Dienstleistungen. „Die Globalisierung wird weiter voranschreiten, wenn auch nicht mit dem bisherigen europäisch-atlantischen Fokus“, so der SPD-Politiker. Die Europäische Union und die USA gingen geschwächt aus der jüngsten Krise heraus und müssten sich anstrengen, im Wettlauf mit Ländern wie vor allem China Schritt zu halten. Die militärische und wirtschaftliche Macht verteilt sich laut Steinbrück in der Welt künftig eher multipolar. Deutschland bezeichnete der Ex-Finanzminister „als die Chinesen der Eurozone“. Der hohe Exportanteil der hiesigen Wirtschaft sorge ähnlich wie bei China für enorme Leistungsbilanzüberschüsse und gleichzeitigen Defiziten bei den Handelspartnern. Steinbrück warnte vor möglichen Gegenmaßnahmen dieser Länder und empfahl deshalb eine Stärkung der Binnennachfrage durch höhere Löhne, um die einseitige Exportorientierung in Deutschland zu mildern. ak Bundesfinanzminister a. D. Peer Steinbrück Gastvortrag von Peer Steinbrück

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