Der sichere Weg zu Aufträgen

Mit Timocom und anderen Frachtenbörsen arbeitet die thüringische Spedition Virec fast täglich. Auf die Daten, die die Plattformen über die Bonität und Seriosität der Fracht- und Laderaumanbieter erheben, kann sich Virec laut eigener Aussage immer verlassen. "Mit schwarzen Schafen, die ihre Frachtführer auf den Rechnungen sitzen lassen, habe ich kaum noch zu tun", erzählt Geschäftsführer Sebastian Läßiger. "Solche Auftraggeber haben offenbar ihre Taktik geändert. Sie lassen die Börsen links liegen und treten direkt an vermeintliche Opfer heran." Verschärfte Eintrittsbarrieren Solche Aussagen hören die Frachtenbörsen sicher gerne. Deren jahrelange Anstrengungen, die Sicherheit und Zuverlässigkeit ihrer Systeme mit ständig neuen Vorschriften und Eintrittsbarrieren gegen Zahlungsverweigerer oder gar Frachtendiebe zu schützen, zahlen sich offenbar aus. So nehmen die meisten Plattformen ohnehin nur Teilnehmer, die mindestens sechs bis zwölf Monate im Markt sind. Existenzgründer und andere Bewerber, die sich finanziell auf dünnem Eis bewegen, sind von vornherein ausgeschlossen. Zudem wollen die Börsen wichtige Dokumente wie Handelsregister-Auszüge und Versicherungsnachweise sehen, schalten mindestens eine Auskunftei für Bonitätsauskünfte ein und holen weitere Informationen bei Geschäftspartnern, Behörden und Domain-Verwaltungen wie Denic ein. Manche Portale fragen bis zu 50 Kriterien ab. "Jeden Monat lehnen wir Bewerber ab", rechtfertigt Anton Behringer, Geschäftsführer von LKWOnline, diesen Aufwand. Marktteilnehmer wie Trans.eu oder Wtransnet haben zusätzlich Indizes entwickelt, die die aktuelle Liquidität von Stammkunden anhand von Frachtangeboten, Zahlungseingängen und anderen Kriterien bewerten. Auch die Verschlüsselungs-Technologien werden ständig verbessert und machen neue Dienstleistungen möglich. So bietet Timocom seit September 2016 einen Upload-Service für wichtige Firmendokumente. Die Teilnehmer können auf der Plattform häufig nachgefragte Papiere wie EU-Police und Versicherungsnachweis hinterlegen und für Dritte freischalten. "Mit dieser Funktion schärfen unsere Nutzer ihr Firmenprofil und sparen zudem Zeit", versichert Timocom-Unternehmenssprecher Marcel Frings. Da sie ihre Dokumente nicht mehr per Fax, E-Mail oder Messenger verschicken müssen, können sie für neue Fracht- und Laderaumangebote sofort den Zuschlag erhalten und ihre Fahrer informieren. Neu: Cargonexx und Instafreight Mit solchen Services bringen sich die Frachtenbörsen auch gegenüber neuen Anbietern wie Cargonexx und Instafreight in Stellung. Beide Start-ups wollen sich nicht mit klassischer Fracht- und Laderaumvermittlung begnügen und versprechen noch schnellere und sicherere Geschäftsabschlüsse. "Wenn ein Kunde auf unserer Plattform einen Frachtführer sucht, treten wir selbst als haftender Spediteur auf und sind vollständig für den Transport und damit auch für das Risiko verantwortlich", grenzt Rolf-Dieter Lafrenz, Geschäftsführer von Cargonexx, seine Firma von Timocom, Trans.eu und Co ab. Auch Instafreight, eine Gründung von Rocket Internet (Zalando), sieht sich als "digitale Spedition" und wirbt mit der vollständigen Übernahme des Zahlungsrisikos. "Wir zahlen innerhalb von 72 Stunden", sagt der Geschäftsführer Gion Otto Presser-Velder. Während Cargonexx im Sommer 2016 mit einem Pilotbetrieb startete, will Instafreight erst Anfang 2017 in den Markt gehen. Beide Newcomer arbeiten mit einem festen Stamm von Frachtführern, deren Kreditwürdigkeit und Zuverlässigkeit sie geprüft haben. Cargonexx hat laut eigenen Angaben über 500 Transportpartner gewonnen, Instafreight nennt keine Zahlen. Gegenüber Frachtenbörsen wollen beide Unternehmen mit verbindlichen Spotmarktpreisen punkten. Auf Basis von Be- und Entladeorten, Strecken, Volumina, Gewicht, Ladungsmeter, Auslastung und weiteren historischen Tourendaten berechnet eine Software den tagesaktuellen Tarif. "Wir sind mit 500.000 Datensätzen gestartet, die von selbstlernenden Programmen täglich optimiert werden", sagt Lafrenz. Laut seinen Angaben ermitteln deren Algorithmen bereits 85 Prozent der Preise richtig und können auch aktuelle Einflussfaktoren wie Baustellen, Treibstoffpreise oder schwere Unfälle berücksichtigen. Zahlungsgarantien für Frachtführer Beide Unternehmen wollen sich mit Provisionen, die auf die IT-basierten Transportpreise aufgeschlagen werden, finanzieren. Cargonexx arbeitet mit Creditreform, Instafreight mit Bürgel. Ohne die Informationen der Auskunfteien über die Kunden der Start-ups wären Zahlungsgarantien für Frachtführer nicht möglich. Für zusätzlichen Schutz sollen Kreditversicherungen sorgen. Instafreight hat mit Helvetia eine Police gegen eigene Zahlungsausfälle abgeschlossen, Cargonexx verhandelt offenbar noch mit mehreren Anbietern. Ansonsten gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen beiden Start-ups. Cargonexx sieht sich als Partner von Speditionen und will diese beim Tagesgeschäft entlasten. "Wir kooperieren mit zehn bekannten Firmen und werden keine Luft-, Bahn und Schiffsfrachten vermitteln", skizziert Lafrenz die gewünschte Arbeitsteilung. Eine solche Zusage gibt Instafreight nicht ab. "Unsere Zielgruppe sind Verlader, die bislang keine Frachtenbörsen nutzen", sagt Presser-Velder. Im Gegensatz zu Cargonexx vermittelt Instafreight nicht jedes Transportgut. Für Frischeprodukte, Gefahrgut und Tiere müssen die Kunden Alternativen suchen. Der Erfolg von Cargonexx und Instafreight steht und fällt mit deren IT-Systemen. Liefern diese tatsächlich realistische Tagespreise, die Nachverhandlungen überflüssig machen, dürfen sie sich eine Chance ausrechnen. Messenger-Lösungen für Nutzer Bei der Vermittlungsgeschwindigkeit und Sicherheit müssen sich die Frachtenbörsen jedoch nicht hinter den Newcomern verstecken. Auch kleinere Plattformen melden, dass neue Transport- und Laderaumangebote oft binnen weniger Minuten vergeben werden. Und europaweite Anbieter wie Timocom und Trans.eu bieten eigene Messenger-Lösungen. Über diese können Nutzer nicht nur offene Fragen über gerade akquirierte Ladungen und Touren sofort klären, sondern auch verspätete Zahlungen, unvollständige Lieferungen und andere Ärgernisse kommunizieren. "Wenn solche Vorfälle nicht geklärt werden können, deaktivieren wir den Zugang zu unserer Plattform", betont Frings. Beim weiteren Vorgehen verlässt sich die Plattform auf das Fingerspitzengefühl ihrer Mitarbeiter. "Wer auffälliges Nutzerverhalten herausfiltern will, benötigt nicht nur Algorithmen, sondern auch Erfahrungswerte", kommentiert Frings den Vorstoß von Cargonexx und Instafreight. Ansonsten schließen viele Frachtenbörsen Kreditversicherungen ab, damit ihre Nutzer keinen Zahlungsaufall haben. Und sobald ein Kreditversicherer zahlen muss, droht säumigen Teilnehmern der dauerhafte Ausschluss. Die spanische Frachtenbörse Wtransnet fordert von Nutzern sogar, dass diese möglichst nach DIN Iso 9001 zertifiziert sind, nachweislich den Mindestlohn zahlen und neuerdings auch die Kennzeichen ihrer Lkw angeben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Frachtenbörsen www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Tipp Fünf Tipps auf einen Blick für mehr Datensicherheit - Achten Sie bei Frachtenbörsen, die nicht dem deutschen Datenschutzrecht unterliegen, auf deren Datenschutz-Management: Sind diese Plattformen nach DIN ISO 27001 zertifiziert, sprich: halten sie die im Mai 2016 vom Europäischen Parlament verabschiedete EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein?- Eine einfache Bestätigung der Datenschutzbestimmungen genügt nicht: Achten Sie darauf, dass nur Daten verbreitet werden, die für mögliche Auftraggeber und -nehmer relevant sind und sonstige Daten nur mit Ihrer schriftlichen Einwilligung an Dritte herausgegeben werden.- Usernamen und Passwörter lassen sich ausspähen: Informieren Sie sich, mit welchen Präventivmaßnahmen sich Börsen gegen solche Praktiken schützen, etwa mit zusätzlichen Identifikationsdaten beim Log-In.- Kommunizieren Sie aus Datensicherheitsgründen über online gespeicherte Unterlagen hinaus ausschließlich Details, die Ihre Geschäftspartner für die Übernahme der Fracht oder Laderaum-Nutzung brauchen.- Vorsicht bei unbekannten Teilnehmern: Achten Sie bei deren Unterlagen auf Vollständigkeit, dokumentieren Sie die Übergabe der Ware fotografisch, vergleichen Sie Name des Fahrers und Kfz-Kennzeichen des Lkws mit den online hinterlegten Daten. Verzichten Sie auf die Zusammenarbeit mit Firmen, die nur Handynummern und Free-Mails nennen. bot