Der Landesverband als Aufpasser

Der LBBV hat sich 1990 formiert. Kam die Privatwirtschaft so schnell auf die Beine? Sogar kurz vor der Wiedervereinigung haben sich in Potsdam und Frankfurt/ Oder zwei Verkehrsverbände gegründet, die ab 1991 als Landesverband des Verkehrsgewerbes Brandenburg die Entwicklung der Privatwirtschaft im Transportgewerbe begleiteten. Zunächst übernahmen bereits bestehende Privatbetriebe Aufträge in der Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft. Aus Neugierde, aus Angst ob der Zukunft, aber auch aus Frust gab es eine atemberaubende Gründungswelle im Transportgewerbe. Der Transportbedarf war riesengroß und konnte durch die westdeutschen Fuhrunternehmen allein nicht abgedeckt werden. Ihre Wurzeln gehen auf das Jahr 1949 zurück. Was war von '49 bis '90? Im Januar 1945 gab es nach Unterlagen des RKB in Berlin 414 Güterfernverkehrsunternehmen mit 705 Fahrzeugen. Transporte unterlagen - soweit überhaupt Fahrzeuge einsatztüchtig waren - einem strengen Genehmigungsregime der Westalliierten als auch der sowjetischen Administration. Durch die Blockade kam der Verkehr von und nach Berlin total zum Erliegen. Am 12. Mai 1949 wurde die Blockade aufgehoben und noch vor der offiziellen Teilung wurde durch Berliner Fuhrunternehmer für Großberlin (die drei Westsektoren) die "Fachvereinigung Güterfernverkehr" gegründet. Unter dem Motto "Wir werden weiterfahren - für Berlin - nach Berlin" galt es, leistungsfähige Verbindungen aufzubauen. Die Hauptaufgabe war die Sicherstellung der Versorgung Westberlins und die hatte bis 1990 Bestand. Auf Ihrer Website heißt es "Organisation", käme von "Organon", also Werkzeug. Ist der LBBV den Mitgliedern ein Werkzeug? Werkzeug ist sehr frei übersetzt, es steht auch für Hilfsmittel. Der Verband ist ein wichtiges und wertvolles Hilfsmittel für die Mitglieder, um ihre strategischen und operativen Aufgabe in hoher Qualität erfüllen zu können. Die Sicherstellung einer wirksamen Lobbyarbeit in Regierung und Verwaltung, die rechtzeitige und qualitativ hochwertige Bereitstellung von branchenspezifischen Informationen, die fachliche und rechtliche Betreuung der Mitglieder sind Hilfen, die "unbezahlbare Vorteile" für die Mitglieder bringen. Wie viele Mitglieder hat der LBBV aktuell - Tendenz steigend oder sinkend? Der LBBV har derzeit 325 Mitglieder mit einer leicht steigenden Tendenz. Die Aktionen zum Trusted Carrier und zum Lkw-Kartell brachten uns erstmalig seit Jahren wieder "Selbstbewerber". Welchen Stellenwert hat das Verkehrsgewerbe Berlin/Brandenburg? Ich glaube, das Verkehrsgewerbe Berlin und Brandenburg hat nach 1990 in die bundesdeutsche Transportlandschaft Kompetenzen von herausragender Bedeutung eingebracht. Unsere Westberliner die Erfahrungen einer geteilten und eingemauerten Stadt. Die Ostberliner und Brandenburger kannten den osteuropäischen Markt, wussten, wie der Osten tickt. Aus dieser Gemengelage entstand etwas in der Region und nur ein Beispiel soll dafür stehen - das GVZ Großbeeren. Die Metropole Berlin-Brandenburg mit einem Markt von sechs Millionen Konsumenten ist zunehmend in die Mitte Europas gerückt und somit ein Standort mit einzigartiger Perspektive. Das GVZ Berlin Süd Großbeeren leistet einen wesentlichen Beitrag für eine effiziente Abwicklung des Wirtschaftsverkehrs sowie den Aufbau europäischer Transportketten. Wie wichtig ist ein Landesverband, wenn Bundesverbände fast alle wichtigen Themen besetzen? Nun, wenn es wichtige Themen gibt, gibt es auch weniger wichtige und auch um die muss sich ja jemand kümmern ... Nein im Ernst - die wichtigen Themen müssen an die Unternehmerinnen und Unternehmer herangebracht werden. Es geht auch um die Art und Weise der Ansprache. Berliner Schnauze und schwäbische Mundart können da schon einen Unterschied machen. Dann gibt es eine Reihe regionaler Themen, die die Bundesverbände nicht kennen, geschweige denn besetzen können. Klartext - der LBBV steht zu den föderalen Strukturen, auch in der Verbandslandschaft. Der LBBV ist Mitglied im BGL, dem DSLV und der AMÖ. Kann man so vielen Herren "dienen"? Also, wer wem "dient", muss noch mal geklärt werden. Im LBBV selbst sind Unternehmen in unterschiedlichen Fachvereinigungen zu einem Gesamtverband zusammengeschlossen. Diese Fachvereinigungen - und nicht der LBBV - sind jeweils Mitglied in den Bundesverbänden und wirken da für die Interessen ihrer Fachvereinigungsmitglieder. Klingt ein wenig kryptisch, ist aber ganz einfach. Auf der letzten Versammlung waren Präsidium und Geschäftsführung des BGL da, während der DSLV nur - man verzeihe uns - die"zweite Garde" schickte. Ein Zeichen? So ist unsere Presse - immer gleich das Gras wachsen hören. Also zunächst haben uns Präsident Krage und der Hauptgeschäftsführer Huster ausdrückliche Glückwünsche und Grüße übermittelt. Frank Huster weilte in der Zeit in Lissabon zur Tagung der Fiata, wo er wichtige Aufgaben innehat. Mathias Krage musste entscheiden zwischen Kunde oder Party - wir haben ihm selbst geraten den Kunden vorzuziehen. Also keine Zeichen oder Vorzeichen, sondern willkommen in der Lebenswirklichkeit. Dass der BGL-Präsident Adalbert Wandt, sein ehemaliger Hauptgeschäftsführer Professor Karlheinz Schmidt und der Hauptgeschäftsführer Engelhardt unserer Einladung trotz großen Termindrucks folgen konnten, sahen wir als Zeichen der Wertschätzung für "ihren Hauptstadtverband". Und, das sei hier ausdrücklich erwähnt: Die Berliner und Brandenburger Transportunternehmer hatten sich ausdrücklich gewünscht, dass sie sich von Professor Schmidt persönlich verabschieden. Sind Verbände nicht ein Auslaufthema? Ich bin der festen Überzeugung, Ständepolitik hat es - solange Stände und Zünfte existieren - immer gegeben und wird es immer geben. Wenn aber Organisationen ihre Arbeit nicht gut machen, dann werden diese Organisation untergehen. Aber schon morgen wird eine neue gebildet, die diese Aufgabe der Interessenvertretung wahrnimmt. Wer, wenn nicht die Verbände, soll den Dobrindts dieser Welt erklären, wie privater Straßengüterverkehr tickt. Wie muss sich ein Landesverband im 21. Jahrhundert aufstellen, um attraktiv zu sein? Zunächst muss er "Aufpasser" sein. Unser politisches System funktioniert so, wie es ist. Das kann man gut finden oder nicht. Politik hat die Eigenart, sich von der Lebenswirklichkeit zu entfernen, warum auch immer, es ist so. Und hier muss der Verband aufpassen. Immer wenn Politik versucht Güterverkehr von der Lebenswirklichkeit zu entfernen, muss der Verband intervenieren. Der Verband muss solche Abkopplungen und Veränderungen rechtzeitig erkennen - er ist also Indikator. Das nennt man dann Lobbyarbeit. Er ist Supervisor. Jedes politische System ist geprägt durch Interessen und Interessengruppen, die nicht homogen sind. Die Differenzen gilt es auszugleichen - der Verband des 21. Jahrhunderts ist also Mediator. Eine gesunde Mischung aus zielgerichteter Gewerbepolitik nach außen und branchenspezifischer Dienstleistungsangebote und Betreuung nach innen, das ist der Verband des 21. Jahrhunderts. Mit "Trucker in Not" hat der LBBV eine Organisation für die Unterstützung der Fahrer ins Leben gerufen. Ein Signal, das richtungsweisend sein kann? Wenn es das wird, dann ist es gut so. Die Initiatoren waren sich einig, dass das Wichtigste in der Transportwirtschaft unsere Fahrer sind. Sie waren sich einig, dass schon viel gemacht wird für Ausbildung, Weiterbildung, gute Beschäftigung, Sozialstandards ... Sie waren sich auch einig, dass trotz vieler Vorkehrungen Umstände im Leben von Fahrern eintreten können, die zusätzlicher Begleitung bedürfen. Und hier wollen wir ansetzen. Wir wollen Fahrern und/ oder ihren Familien helfen Notsituationen zu meistern. Diese Hilfe reicht von individueller Betreuung und Beratung bis hin zu finanzieller und materieller Unterstützung. Das Signal an jetzige und künftige Fahrer soll heißen: Wir tun alles, dass ihr euren Job sicher und gesund ausüben könnt. Sollte doch mal etwas passieren, dann seid ihr nicht allein. Die organisatorischen Arbeiten zur Vereinsgründung sind abgeschlossen. Die ersten Spendengelder sind eingesammelt. Jetzt kommt es darauf an, den Bekanntheitsgrad zu steigern, neue Unterstützer und Spender zu gewinnen und die ersten Hilfsprojekte zu identifizieren. Wer sich beteiligen möchte, findet alle Informationen auf unserer Website. Mehr zum Thema im Dossier "Berlin-Brandenburg" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Eberhard Tief Eberhard Tief, 60 Jahre alt, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er wohnt in Frankfurt/Oder. Der Diplom-Kriminalist ist seit 1990 Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt Gründungsberatung Klein- und Mittelstand. Seit 2003 ist Tief Geschäftsführer im Landesverband des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes (LBBV).