Der Durchbruch lässt auf sich warten

Die aktuelle Stimmung unter den Akteuren im Schienengüterverkehr? Könnte besser sein. Von der Politik wird der Verkehrsträger zwar immer wieder gehätschelt und gepriesen als umweltfreundlicher Verkehrsträger, der die Lasten von der Straße nehmen soll. Doch die Praxis sieht anders aus. Güterbahnen schreiben Verluste "Leider wachsen wir nicht so schnell wie der gesamte Güterverkehrsmarkt", sagte Joachim Berends, Geschäftsführer der Privatbahn Bentheimer Eisenbahn, auf dem 10. Forum Schienengüterverkehr des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) letzte Woche in Bonn. Der Anteil der Bahn am Modal Split stagniert seit 2010 und pendelt zwischen 17,0 und 17,5 Prozent. Auch die wirtschaftlichen Zahlen fallen nicht wunschgemäß aus. Das Betriebsergebnis je Tonnenkilometer sackte bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen nach Zahlen des VDV auf minus 0,17 Cent im Jahr 2015 nach minus 0,07 Cent im Jahr davor. Kein Wunder, dass sich bei den Akteuren Unzufriedenheit breitmacht. "Es ist nicht fair, dass wir auf allen Strecken Trassenpreise zahlen müssen, für jeden Transport, egal wie schwer. Der Lkw hingegen wird nur auf Autobahnen und einigen Bundesstraßen vom Staat zur Kasse gebeten", sagte ein Bahnvertreter und fügte hinzu, dass nur Fahrzeuge mit mindestens 7,5 Tonnen eine Abgabe zahlen müssten. Hinzu kommen weitere Belastungen für die Bahn in den letzten Jahren, von denen der Straßengüterverkehr verschont geblieben ist: Die EEG-Umlage wurde immer wieder genannt wie auch die Stromsteuer. Warum die Bahner diese Abgaben immer wieder aufführen, hat einen einfachen Grund: "Die Entscheidung über die Vergabe des Transports erfolgt ausschließlich über den Preis", sagte Berends, zu dessen Unternehmen mit Kraftverkehr Emsland auch eine Lkw-Spedition gehört und der daher beide Verkehrsträger kennt. Axel Plaß, Geschäftsführer der Zippel-Spedition in Hamburg und Vorsitzender des Fachausschusses Schiene im Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV), ergänzte: "Der Transport ist generell zu billig", meinte der Spediteur und sprach von einem "Dumpingprodukt". Berends forderte daher, die Trassenpreise zu halbieren. Damit würden die Bahnen dann nur die Kosten des Betriebs abdecken, nicht aber die für Abschreibungen und damit den Erhalt des Netzes. "Wir haben Signale aus Berlin, dass über eine solche Maßnahme zur Förderung des Schienengüterverkehrs durchaus nachgedacht wird", sagte Berends, der auch Vizepräsident des VDV ist. Plaß: "Die Bahn ist nicht sexy" Doch ihm ist auch bewusst, dass es mit einer Unterstützung alleine durch die Politik nicht getan ist: "Es gibt noch viele Probleme, die sich nicht politisch lösen lassen und die in unserer Verantwortung liegen." Beispiele dafür gab es während der Tagung genügend: Ob es die Vielzahl an unterschiedlichen Kontrollsystemen (ECTS) im Bahnverkehr ist oder das Fehlen der automatischen Kupplung. "In der Nutzfahrzeugindustrie wird mittlerweile an autonom fahrenden Lastwagen gearbeitet, während wir seit Jahren über eine automatische Kupplung diskutieren, aber nicht wirklich einen Schritt vorankommen", sagte ein Forumsteilnehmer. Ein weiteres Problem, mit dem die Branche kämpft: "Die Bahn ist nicht sexy", wie es Plaß formulierte. Dafür war die Veranstaltung ein gutes Beispiel: Es wurde immer wieder über Probleme geredet, die seit Jahren bekannt sind, nicht aber darüber, was die Bahn hervorragend macht. Aussagen auf dem Forum wie "der Kombinierte Verkehr funktioniert erst ab 800 Kilometer, angesichts der Konkurrenz durch den Lkw häufig erst ab 1000 Kilometer", sind ein Beispiel. Für Interessenten, die eine Verlagerung anstreben, sind solche Aussagen abschreckend. Unverständlich zudem, dass sie unwidersprochen bleiben - noch am Vortag hatte Plaß, dessen Spedition eigene Zugsysteme betreibt, gesagt: "Wir fahren 3000 Container-Züge im Jahr, zum Teil über eine Entfernung von nur 300 Kilometer." Welche Weichen muss man also stellen, damit der Schienengüterverkehr an Attraktivität gewinnt und es gelingt, den Modal Split tatsächlich über die 18-Prozent-Marke zu heben? Als ein Manko wurde immer wieder die Ausbildung der Speditionskaufleute genannt. Das Thema "Eisenbahn" käme zum Teil gar nicht mehr oder nur sehr am Rande im Ausbildungsplan vor. Ein weiteres Problem der Eisenbahn: Es wird zu sehr in komplexen Strukturen gedacht. "Die Bahnen neigen dazu, das ohnehin schon komplizierte System noch komplizierter zu machen", sagte ein Teilnehmer. Joachim Damasky, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sieht einen Nachholbedarf bei den internen Strukturen der Bahnen. "Es gibt zwar ein Störfallmanagement, doch das ist nicht so genau und schnell, wie es die Autoindustrie benötigt", sagte Damasky. Er verwies darauf, dass in manchen Fabriken die Bänder bereits nach sechs Stunden Lieferpause stehen und eine Stunde Stillstand Kosten im sechsstelligen Bereich verursachen können. Doch wer könnte der Treiber für eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene sein? Oder, wie es Berends formulierte: "Wo ist der große Spediteur, der sagt: Ich mache jetzt auch Eisenbahn?" Er nannte als einzige Ausnahme Rhenus, die 2015 mit Beteiligungen an den beiden Bahnen Crossrail und LTE für Aufmerksamkeit sorgten. Die Frage von Berends kommt nicht von ungefähr. Denn anders als bei der Straße rechnet sich ein Transport auf der Schiene erst, wenn der Zug ein Vielfaches der Tonnage vom Lkw geladen hat. Daher sind Großunternehmen für die Bahnen interessanter als Mittelständler. Wie es gehen kann, zeigte Alexander Scheffler, zuständig für die weltweite Transportlogistik in der Autodistribution von Daimler. Den Daimler-Logistikern ist die hohe Leerfahrtenquote ein Dorn im Auge. Deshalb analysierte man die Warenströme und hielt Ausschau nach Möglichkeiten, die Transporte verschiedener Werke miteinander zu verbinden. Gelungen ist das in Deutschland. Bislang brachten Züge die neuen Fahrzeuge vom Werk Sindelfingen zum Export nach Bremerhaven. Von dort aus fuhren die Waggons leer zurück. Zugleich ließ Daimler die im Werk Bremen produzierten Einheiten per Lkw zu den Händlern in Europa transportieren. 2015 hat man dann Hubs an den Standorten Sindelfingen und Bremen eingerichtet. An den Exportzügen Richtung Bremerhaven hat sich nichts geändert. Aber von dort aus fahren einige Züge nach Bremen, werden beladen und kehren zum Hub Sindelfingen zurück. Dort geht es dann weiter per Lkw nach Italien, Spanien und in die Schweiz. "So waren die Kapazitäten der Rückladung zu 50 Prozent ausgelastet und es konnten seit 2015 mehr als 10.000 Lkw-Transporte eingespart werden", zog Scheffler eine positive Bilanz. Autotransporte per Bahn nach Spanien Doch damit nicht genug: "Wir wollen dieses Hub-Konzept ausbauen", sagte Scheffler. Geplant ist, aus den Überseestandorten kommende Fahrzeuge über Bremerhaven nach Bremen zu bringen und von dort per Bahn nach Sindelfingen zu transportieren. Zu diesem Hub sollen auch Fahrzeuge aus den Werken Raststatt und Kecskemét gebracht werden. "Die Bündelung dieser Einheiten in Sindelfingen soll dann Transporte per Bahn nach Spanien, Italien und in die Türkei möglich machen", sagte Scheffler. Transporte, die bislang der Lkw übernommen hat. An die Dienstleister richtete er den Wunsch, dass diese die Bereitschaft mitbringen, ihre Waggons auch für gemischte Züge (also Waggons unterschiedlicher Autotransporteure) zur Verfügung zu stellen. Doch bislang ist es so, dass die Automobildistributeure in der Regel Züge ausschließlich bestückt mit ihren Waggons anbieten. Die Daimler-Initiative ist ein Beispiel, wie eine Verlagerung gelingen kann. Ein Anreiz war die Einsparung von CO2. Hier könnte ein weiterer Treiber Druck ausüben, mehr Güter per Bahn zu befördern. Denn will Deutschland die Ziele des Klimaabkommens von Paris realisieren, "muss der Ausstoß von Treibhausgas im Verkehr bis 2050 auf Null sinken", sagte Martin Schmied, Abteilungsleiter im Umweltbundesamt. Der Schienengüterverkehr ist dabei aus seiner Sicht "ein Schlüsselfaktor für die Verkehrswende". Auch wenn der Sektor selber mit einer Million Tonnen Treibhausgase nicht so viel zu dem Ziel beitragen muss, sei er unverzichtbar, wenn es darum gehe, Transporte von anderen Verkehrsträgern wie der Straße aufzunehmen. "Der muss zwar 2050 auch emissionsfrei sein, benötigt aber deutlich mehr Energie aus erneuerbaren Quellen als die Bahn", so Schmied. Aussagen, die der Schienengüterverkehrsbranche Mut machen sollten, optimistischer in die Zukunft zu blicken. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Railcargo www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Zukunft des Güterverkehrs Logistikexperte Clausen: "Der Transport der Zukunft wird digital" Die Digitalisierung ist in aller Munde. Auch vor der Transportbranche macht sie nicht Halt. Die Schlagworte reichen vom automatisierten Fahren über 3D-Druck bis zum Transport per Drohnen. Doch welche Entwicklungen haben tatsächlich Chancen, sich am Markt durchzusetzen, und wenn ja, in welchem Umfang? Da ist eine Einschätzung eines Logistikexperten wie die von Professor Uwe Clausen vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund hilfreich."Der Transport der Zukunft wird digital", lautete seine Botschaft an die Teilnehmer des Güterbahnforums mit der Bewertung einiger Innovationen:- 3D-Druck: Er bezeichnete es als "beeindruckend", zu welcher Leistung solche Geräte fähig sind."Aber: Es ist ein teures Verfahren, weshalb es für eine Massenproduktion nicht infrage kommt", sagte der Wissenschaftler.- Drohnen: Diese Technik bezeichnete Clausen als interessant, prophezeite ihr aber dennoch ein Nischendasein. Zum einen sei deren Stückzahl in Ballungszentren begrenzt, weil sich ansonsten die Flugobjekte in die Quere kämen."Außerdem könnte bei einer großen Verbreitung auch deren Lautstärke ein Problem sein", sagte der Ex-Amazon-Manager. "Aber die wesentlichen Innovationen spielen sich sowieso am Boden ab", lautete seine Einschätzung.- Zustellroboter: Diesen Fahrzeugen gibt Clausen durchaus eine Chance und sieht darin eine Konkurrenz zum Paketzusteller: "Die Roboter transportieren zwar nicht 120 oder 150 Pakete, aber sie eignen sich für die Zustellung 'on demand'". Vorstellbar sei auch, dass sie den Paketzustellern Waren zuliefern.- Tunnel-, Röhrenkonzepte: Ob sie nun "Cargo Cap" oder "Cargo Sous Terrain" heißen: So richtig überzeugen den Wissenschaftler diese Systeme nicht. Einzig Hyperloop Pod Competition - ein Röhrensystem, bei dem die Fahrzeuge mit 1225 Kilometer pro Stunde unterwegs sind - wollte er nicht abschreiben, auch wenn er Zweifel an der technischen Realisierbarkeit hegte.Auf die Frage, wer in der Logistik stärker vom Trend der Digitalisierung profitieren werde: die Schiene oder die Straße?, lautete seine Antwort: "Die Straße, auch deshalb, weil ihr der Trend zu kleinteiligen Sendungen stärker entgegenkommt." Aber der Schiene räumte er gleichfalls gute Chancen ein, wenn es gelänge, die Bündelungsfähigkeit gut zu lösen. cd

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